
6. November 2024, 14:48 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Mit 20 Jahren ist der Kleinspitzrüde von PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender fast schon ein Methusalem. Oft wird sie von anderen Hundehaltern beneidet und gefragt, wie es ihr gelungen ist, dass Samy noch immer halbwegs fit ist. Doch das Leben mit dem Hunde-Opi ist auch belastend.
Völlig übernächtigt schleppe ich mich um 5.30 Uhr ins Badezimmer. In 30 Minuten muss ich im Auto sitzen, um zur Arbeit zu fahren. Was für eine Nacht! Um 2 Uhr riss Samy mich durch sein Bellen aus dem Tiefschlaf. Ich bin sofort aufgesprungen, Sweatjacke unter die Achsel geklemmt, den Kleinspitz auf den Arm genommen, Treppen heruntergerannt und ab in den Garten. Natürlich regnete es in Strömen. Willkommen im Leben mit einem 20 Jahre alten Hund!
Aber das war nicht das Schlimmste. Am Abend hatte Samy bereits laute, gluckernde Geräusche im Bauch. Immer wieder bellte er. An ein entspanntes Auf-dem-Sofa-Sitzen war nicht zu denken. Jedes Mal sprang ich wieder auf, setzte mich neben ihn und streichelte ihn. Doch er bellte trotzdem und so pendelte ich zwischen Wohnzimmer und Garten hin und her.
Samy bellt viel
Es war ein stressiger Abend. Seit Samy nicht mehr so gut zu Fuß ist, bellt er viel. Das kann bei älteren Hunden unterschiedliche Ursachen haben wie Arthrose, Angst, Demenz, Herzschwäche, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder auch Kälte oder Hitze. Es gibt viele Gründe und nicht immer findet man heraus, woran es liegt.
Eines weiß ich sicher: Herr Kleinspitz ist nicht dement. Nein, der Senior weiß in der Regel genau, was er will und dass Frauchen sofort springt, sobald er Laut gibt. In dieser Nacht um 2 Uhr hoffe ich nur, dass er keinen Durchfall bekommt, wie so oft in letzter Zeit. Denn wässriger Stuhlgang ist bei alten Tieren oftmals der Anfang vom Ende.
Die Sache mit der Yoga-Matte
Aber der Rüde bleibt einfach nur vor mir im Garten stehen, als wollte er sagen: „Es regnet. Du kannst mich wieder ins Schlafzimmer tragen.“ Dort angekommen ist an Schlaf trotzdem nicht mehr zu denken. Stattdessen schießen mir Gedanken durch den Kopf wie: „Was ist, wenn ich nicht lange genug draußen war und er vielleicht doch muss?“
Was wie eine Paranoia klingt, war einen Tag zuvor nämlich Realität: Erst kurz vorher war ich mit Samy spazieren und wenig später legte er ein Häufchen auf seine „Yoga-Matte“. Ja, Sie haben richtig gelesen. Wer noch nie ein Leben mit einem alten Hund geführt hat, der ist fasziniert von Samys Reich. Ihm gehört ein abgetrennter Bereich im Schlafzimmer mit vier verschiedenen Liegeplätzen und besagter Yoga-Matte, auf der seine Näpfe stehen, weil sie halbwegs rutschfest ist. Es kostet Samy viel Kraft, sich beim Fressen auf den Beinen zu halten. Ständig rutschen sie ihm seitlich weg.
Dem Tod von der Schippe gesprungen
Das ist auch der Grund, warum Samys Bereich abgetrennt ist und wir Tetris mit seinen Liegeplätzen spielen müssen: Erreicht auch nur ein Pfötchen den Laminatboden, rutscht der kleine Spitz weg. Aus eigener Kraft kann er sich dann nicht mehr befreien und gerät in Panik. Das kann schnell tödlich enden, denn der Senior hat starke Herzprobleme. Vor mehr als drei Jahren sagte mir der Tierarzt völlig uncharmant ins Gesicht: „Der macht nicht mehr lange.“
Tatsächlich ist der Spitz dem Sensemann etliche Male von der Schippe gesprungen. Eine Tierärztin verordnete ihm die falschen Herztabletten in der falschen Dosis. Mehrfach telefonierte ich abends mit ihr, weil Samy kaum noch spazieren gehen konnte, doch sie blieb bei ihrer Medikation.
Samy war in einem extrem kritischen Zustand
Nur einem weiteren Tierarzt und seinem schnellen Handeln ist es zu verdanken, dass der Rüde heute noch da ist. Ich weiß noch, wie ich mit Samy an einem Samstagmorgen in die Praxis kam und der Veterinär in den Behandlungsraum kam, kreidebleich wurde und den Hund sofort mitnahm mit den Worten: „Sorry, ich hab’ jetzt keine Zeit, ich muss sofort den Hund retten“. Samy hatte einen Kreislaufzusammenbruch erlitten und war in einem extrem kritischen Zustand.
Ein anderes Mal hatte er schlimme Durchfälle und musste dringend Infusionen bekommen. Alle Tierärzte, bei denen ich jemals war (und das sind nicht wenige) waren entweder im Urlaub oder fanden den Aufwand zu groß („Der muss bestimmt stationär aufgenommen werden. Dafür haben wir keine Zeit.“). Wieder andere nahmen keine neuen Patienten auf oder hatten erst nächste Woche einen Termin.
Tierkliniken gab es schon lange nicht mehr im Umkreis von 100 Kilometern. Am Ende legte eine Arbeitskollegin bei ihrer Tierärztin ein gutes Wort für mich ein. Als sie Samy auf dem Behandlungstisch hatte, sagte sie: „Gut, dass Sie gekommen sind. Der Hund hätte die Nacht ganz sicher nicht überlebt.“
Mein persönliches Trauma
Das schlimmste Erlebnis in meinem Leben mit altem Hund war allerdings die Nacht, als wir zu Hause gemütlich Karten spielten und Samy in seinem Hundebettchen lag. Plötzlich fing er an zu husten. Normalerweise springe ich immer sofort hoch, wenn das geschieht. Denn oft genug ist es passiert, dass er wegen des Herzhustens kurzzeitig in Ohnmacht gefallen ist. Das war aber schon länger nicht mehr der Fall, also blieb ich zunächst sitzen, beobachtete ihn aber genau.
Dann passierte etwas, was mich traumatisieren sollte: Das Husten wurde schlimmer, Samy sackte in sich zusammen, ich rannte hin, nahm ihn auf den Arm, doch er bekam keine Luft mehr. Plötzlich stieß er Todesschreie aus! Ich war in Panik und völlig kopflos. Zum Glück blieb Volker, mein Lebensgefährte ruhig. Er nahm ihn mir ab und ging mit dem Hund auf dem Arm nach draußen. Die kühle Nachtluft strömte in Samys Lungen und ließ ihn ruhiger werden.
Die Todesschreie haben mich einige Jahre verfolgt
Anschließend wickelte Volker eine Wassertablette in Leberwurst und gab sie dem Notfallpatienten. Den Rest der Nacht verbrachten wir mit Samy auf dem Wohnzimmerboden. Da war er 16 und ich war fest davon überzeugt, dass ich ihn einschläfern lassen muss.
Die Todesschreie haben mich einige Jahre verfolgt. Ich konnte nächtelang kein Auge zumachen. Jeden Abend und jede Nacht hatte ich Angst, es würde noch mal passieren. Doch bis heute ist nie wieder etwas passiert. Im Gegenteil: Seitdem eine Tierärztin später mehr durch Zufall hinterfragte, warum der Hundeopa zwei Herztabletten und eine Wassertablette bekommt, habe ich eigenmächtig eine Tablette abgesetzt und die Dosis der Wassertablette halbiert. Seitdem tritt das Husten nur noch selten auf. Der Nachteil: Mein Vertrauen in die Tierärzteschaft wurde nachhaltig zerstört.
Hilfe, der Hund läuft zur Straße!
Als ich das Trauma jener Nacht endlich überwunden hatte, folgte das Nächste. Allerdings war es diesmal anderer Natur: Zu dem Zeitpunkt war Samy in unserem Garten unterwegs. Ich saß auf der Terrasse, neben der sich das Gartentor befindet. Hinter dem Haus befindet sich ein weiteres Gartentor. Mein Lebensgefährte war mit der Gartenarbeit beschäftigt, als ich die obligatorische Frage stelle: „Hast du Samy gesehen?“
Wenn Samy im hinteren Bereich des Gartens ist, also an dem anderen Tor, sehe ich ihn nämlich nicht. In der Regel hält er sich aber genau dort auf. Wie immer machte sich Volker einen Scherz aus meiner Frage, schaute in die Luft und antwortete mit „Nein“. Doch eine innere Stimme sagte mir, dass ich nachschauen sollte.
Ich ging also zum Gartentor und erstarrte für einen kurzen Moment. Das Gartentor stand sperrangelweit offen und von Samy keine Spur! Ich rannte los und sah, wie Samy sich bereits kurz vor der Hauptstraße befand! Weil er nichts mehr hört, hilft das Rufen nichts. Also rannte ich in meinen Gartenschuhen los und schaffte es, ihn im letzten Moment abzufangen und auf den Arm zu nehmen.
Dieses Bild, wie Samy schnurstracks in Richtung Straße geht, werde ich seitdem nicht mehr los. Mittlerweile ist es eine Zwangshandlung von mir, jedes Mal nachzuschauen, ob beide Gartentore tatsächlich zu sind. Manchmal gehe ich sogar zweimal.

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Leben mit altem Hund hat mich verändert
Das Leben mit einem alten, pflegebedürftigen Hund hat mich über die Jahre verändert. Mir ist bewusst geworden, wie zerbrechlich Leben ist und dass wir nur wenige Sommer mit unseren geliebten Vierbeinern verbringen. Für Samy ist es am wichtigsten, dass ich bei ihm bin. Deshalb gehören die Abende meistens ihm.
Wir gehen spazieren, anschließend sitze ich stundenlang neben ihm auf dem Fußboden, damit er beruhigt schlafen kann. Und weil er sofort merkt, wenn ich aufstehe und unruhig wird, nehme ich ihn sogar mit ins Badezimmer, wenn ich duschen gehe. Wenn sein Platz irgendwann leer bleibt, wird für mich eine Ära zu Ende gehen. Dann wird mit diesem Hund auch ein Teil von mir sterben.
Besucht Manuela und ihre Hunde auf Instagram: elvis_hundejournalistin