11. Juli 2024, 11:16 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
American Stafford-Mischling Tyson ist einer, wie keiner. Als sogenannter Listenhund darf er in seinem Bundesland Hessen nur unter ganz besonderen Voraussetzungen gehalten werden. Doch das hält ihn nicht davon ab, als eine Art Therapiehund in einer Jugendwohngruppe zu arbeiten und „nebenberuflich“ ein angesagter Reise-Influencer zu sein.
In American Stafford-Mischling Tyson schlummern gleich mehrere Talente. Gemeinsam mit seiner Halterin Susann Warmer arbeitet der viereinhalbjährige Rüde in einer Jugendwohngruppe. In ihrer Freizeit reisen Tyson und Susann gerne mit ihrem Camper durch ganz Europa. Immer mit dabei: ihre mehr als 11.000 Follower, welche die Schnappschüsse und Reisetipps mit Hund auf ihrer Insta-Seite „tyson.traveldog“ schätzen. PETBOOK sprach mit Susann Warmer über ihren ganz besonderen Hund und seine Arbeit mit schwer erziehbaren Jugendlichen.
„Durch meine Arbeit habe ich ein besonderes Interesse an Außenseitern und stigmatisierten Rassen“
PETBOOK: Frau Warmer, Tyson ist ein American Stafford-Mischling. Wie wichtig war ihnen die Rasse bei der Auswahl des Hundes?
Susann Warmer: „Die Rasse war schon wichtig. Ich wollte gerne eine starke Rasse, etwas wie einen Pitbull oder American Bully. Das hat auch einen Grund: Durch meine Arbeit habe ich ein besonderes Interesse an Außenseitern und stigmatisierten Rassen. Zusammen mit meinen leiblichen Kindern habe ich den Hund ausgesucht. Wir mochten auch sein Äußeres und seine Art.“
Tyson ist ein pädagogischer Projekthund. Was genau bedeutet das?
„Wir haben ihn in einer Hundeschule für pädagogisches Personal ausbilden lassen. In der Wohngruppe ist er einfach anwesend und unterstützt mich bei meiner Arbeit. Die Mädchen in der Wohngruppe wachsen mit ihm auf, und er spendet Trost, wenn sie einen schlechten Tag haben. Außerdem haben wir eine Hunde-AG, in der die Kinder lernen, mit dem Hund umzugehen, und Sozialkompetenz trainieren. Sie lernen etwa Vertrauen und Kommunikation, indem sie gemeinsam mit dem Hund Aufgaben lösen.“
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So macht Therapiehund Tyson schwer erziehbare Jugendliche zu besseren Menschen
Was für Jugendliche sind in ihrer Wohngruppe?
„In der Wohngruppe sind junge Frauen im Alter von 17 bis 21 Jahren, die eine längere Jugendheim-Karriere hinter sich haben und bald in die Selbstständigkeit entlassen werden. Wir bereiten sie darauf vor, alleine zu wohnen. Die Kinder in den Kursen kommen aus verschiedenen Wohngruppen und haben meist einen hohen Betreuungsbedarf, oft wegen schwieriger Hintergrundgeschichten. Einige haben spezielle Bedürfnisse und benötigen intensive Betreuung und Förderung, besonders diejenigen, die als sogenannte ‚Systemsprenger‘ gelten und Schwierigkeiten in großen Gruppen haben.“
Und was genau ist die therapeutische Aufgabe von Tyson?
„Tyson hilft den Jugendlichen dabei, untereinander besser zu kommunizieren und gewaltfrei ihre Anliegen zu äußern. Der Hund dient als Puffer, der die Kinder beruhigt und ihnen hilft, sich zu regulieren. Anstatt sofort wütend zu werden, lernen sie durch den Hund, ruhig zu bleiben und Probleme konstruktiv zu lösen. Wenn er dabei ist, können sie sich besser zusammenreißen.
Ich sage dann: ‚Komm, wir probieren es noch mal.‘ Wenn ich die Person wäre, die nicht funktioniert, würde man mich vielleicht anbrüllen, aber beim Hund machen sie das nicht. So lernen sie, sich zu regulieren, herunterzufahren und Dinge zu erreichen. Diese Fähigkeiten versuchen wir dann auf zwischenmenschliche Beziehungen zu übertragen.“
»Jugendliche haben mehr Respekt vor Tyson
Denken Sie, dass die Rasse von Tyson in diesem Kontext wichtig ist? Haben die Jugendlichen mehr Respekt vor ihm, weil er kein kleiner Hund ist?
„Ja, das stimmt. Besonders bei Jugendlichen, die schnell austicken und einen kurzen Geduldsfaden haben, hilft es, dass Tyson eine imposante Rasse ist. Sie haben mehr Respekt vor ihm und passen besser auf, weil sie wissen, dass er gefährlich sein könnte – auch wenn er sehr freundlich ist. Besonders die Jungs aus der AG haben mehr Respekt vor ihm als die Mädchen, die mit ihm zusammenleben.“
Gibt es irgendeinen besonderen Moment, den sie als besonders gelungen empfanden, in dem Tyson einem der jugendlichen Bewohner helfen konnte?
„Ja, am Anfang unserer AG war ein Junge dabei, der sich schwer regulieren konnte und sehr verhaltensauffällig war. Er war laut und schwierig in der Gruppe. Wir sind dann kurz raus aus der Situation und haben mit dem Hund gearbeitet. Der Junge war überrascht, dass der Hund auf ihn hörte, als er ruhig blieb. Das war ein Aha-Moment für ihn, als er erkannte, dass er durch Ruhe etwas bewirken kann.“
„Solche Situationen können gefährlich werden“
Sie haben vorhin den Punkt mit Gefahrensituationen angesprochen. Gab es denn schon mal einen Zwischenfall?
„Also mit einem Menschen nicht, aber ich weiß genau, was Tyson mag und was nicht. Wenn ein anderer Hund kommt, braucht er viel Zeit, um zu prüfen, wer das ist. Er muss erstmal schauen: ‚Wer ist das? Finde ich den gut?‘
Wenn aus dem Nichts ein anderer Hund auftaucht, der vielleicht spielen will, und Tyson ist nicht darauf vorbereitet, kann das zu gefährlichen Situationen führen. Er drängt den anderen Hund zurück und signalisiert: ‚Hey, das gefällt mir nicht.‘ Man muss ehrlich sein, solche Situationen können gefährlich werden.“
Sie bezeichnen Tyson ja als Traveldog und reisen viel mit ihm. Wie kam es dazu?
„Fast zeitgleich mit der Anschaffung des Hundes habe ich mir auch einen Camper zugelegt, da ich gerne reise. Ich bin mit Camping aufgewachsen und es war immer mein Traum, so ein Auto zu besitzen. Bevor ich meinen Partner kennengelernt habe, bin ich alleine mit Tyson losgefahren. Wir waren in Slowenien, Italien und vielen anderen Ländern. Immer, wenn Ferien sind, fahren wir mit dem Camper los.“
»Reisen mit Hund? Ein Camper löst da viele Probleme!
Hundehalter haben oft Schwierigkeiten, Reiseziele zu finden, vor allem mit größeren Hunden …
„Ja, wir umgehen das, indem wir mit dem Camper unterwegs sind. Es ist tatsächlich schwierig, besonders in größeren Städten, eine Ferienwohnung mit Hund zu finden. In Ländern wie Italien und Holland ist es einfacher, da gibt es weniger Probleme. In Spanien dagegen ist es sehr schwierig. Daher sind wir oft auf Campingplätzen. Auch bei der Miete von Campern gibt es Schwierigkeiten, weil größere Firmen oft keine Tiere akzeptieren. Privatvermietungen sind da eine gute Alternative. Aber auch das ist nicht immer leicht. Da uns das sehr bewusst ist, vermieten wir unseren Camper immer dann, wenn wir ihn nicht brauchen, an andere Hundehalter.“
Sie reisen durch verschiedene europäische Länder. Listenhunde sind oft ein Problem, vor allem in Ländern wie Frankreich und Dänemark. Haben sie damit Erfahrungen gemacht?
„Ja, das berücksichtigen wir bei unserer Routenplanung immer. Daher haben wir Länder wie Frankreich und Dänemark gemieden. Seit letztem Jahr haben wir uns um FCI-Papiere für den Hund bemüht. Mit diesen Papieren darf man in einige Länder einreisen, auch wenn es in Frankreich weiterhin problematisch sein kann.“
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Durch Langeweile zum aufsteigenden Internet-Star
Mittlerweile sind sie eine echte Petfluencerin und haben alleine bei Instagram über 11.000 Follower. Wie sind sie dazu gekommen und was glauben Sie, begeistert die Follower so an ihrem Content?
„Ich habe den Account gestartet, als wir auf einer Ferienfreizeit waren und mir langweilig war. Dadurch, dass wir relativ viel wegfahren, viele Ausflüge am Wochenende machen und ich gerne fotografiere, habe ich die Leidenschaft entdeckt, Videos zu drehen und zu bearbeiten. Es macht mir viel Spaß. Am Anfang war es nur mein persönliches Reisetagebuch. Ich sehe mir gerne an, wo wir schon überall waren. Viele meiner Follower haben auch einen Hund und interessieren sich für Reiseziele, in denen es entspannt mit Hund ist. Viele schreiben mich an und fragen nach Tipps für Campingplätze oder Hundestrände.“
Haben Sie einen Insider-Tipp für uns? Wo kann man gut mit seinem Hund hinreisen? Vielleicht nicht so weit weg, nicht zu teuer und nicht zu überlaufen …
„Texel. Das ist eine niederländische Insel. Du bist schnell da, es ist ruhig, viel Natur und es ist sehr hundefreundlich. Du kannst deinen Hund an jeden Strand mitnehmen, in der Saison angeleint, außerhalb der Saison auch ohne Leine. Außerdem kannst du deinen Hund in Restaurants und Bars mitnehmen, wenn man draußen sitzt. Es gibt viele hundefreundliche Unterkünfte. Die Insel ist einfach traumhaft und ideal, um sich mit dem Hund zu erholen.“