
11. März 2025, 13:53 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Hunde spielen in vielen Haushalten eine zentrale Rolle und viele denken, dass sie ihr Tier ganz besonders gut kennen. Doch wie gut können wir die Emotionen unserer Vierbeiner tatsächlich erkennen? Studien zeigt, dass Menschen die Gefühle von Hunden nur manchmal lesen können – und in manchen Situationen völlig danebenliegen.
Den eigenen Hund verstehen zu können, ist für Halter in jeder Situation wichtig. Sei es, wenn man fremde Hunde beim Gassigehen trifft oder wann das Tier sich wohlfühlt und wann es lieber etwas Abstand haben möchte. Häufig zeigen Hunde auch mit ihrer Körpersprache sehr deutlich, was gerade in ihnen vorgeht. Und erstaunlicherweise sind Halter wohl gar nicht besonders gut darin, die Gefühle ihrer Hunde zu lesen, sondern interpretieren vieles falsch. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien.
Hund zeigt Befinden mit Mimik und Körpersprache
Bislang haben sich Studien zu dem Thema vor allem mit dem Gesichtsausdruck von Hunden beschäftigt. Doch Professor Kun Guo von der Universität Lincoln und seine Kollegen haben sich auch mit den körpersprachlichen Signalen von Hunden beschäftigt. Diese sind in der Kommunikation zwischen Mensch und Hund besonders wichtig und entsprechen auch mehr der natürlichen Ausdrucksweise der Tiere.
Bei der Untersuchung standen verschiedene Emotionen bei Hunden im Fokus. Die Probanden sollten anhand von kurzen Videosequenzen zeigen, ob sie wissen, wann Hunde Freude, Wut oder Angst zeigen. Auch Frustration oder Schmerz wurden abgefragt. An der Untersuchung nahmen 447 Probanden in verschiedensten Altersgruppen teil. Auch die Erfahrung mit Hunden war sehr unterschiedlich und reichte vom Nicht-Hundebesitzer bis zur professionellen Hundeerfahrung.
In einem Online-Experiment mussten die Teilnehmer kurze Videoclips von Hunden bewerten, die verschiedene Emotionen zeigten. Insgesamt kamen 44 Videos zum Einsatz, in denen Hunde ihr Befinden entweder durch Gesichts- oder Körpersprache ausdrückten. Die Teilnehmer sollten nach dem Betrachten der Videos die Emotion aus einer Liste von elf Kategorien auswählen.
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Verstehen wir unsere Hunde immer richtig?
Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, wie gut Menschen in der Lage sind, verschiedene Gefühle von Hunden zu erkennen – und ob Gesichts- oder Körperausdrücke dabei aussagekräftiger sind. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Unterscheidung zwischen primären (z. B. Freude, Angst, Überraschung) und sekundären Emotionen (z. B. Frustration, Schmerz, positive Erwartung).
Hintergrund ist, dass eine falsche Interpretation von Hunde-Emotionen oft zu problematischen Situationen führt – sei es durch Missverständnisse zwischen Mensch und Tier oder durch potenzielle Sicherheitsrisiken.
Ein weiteres Ziel war es, herauszufinden, inwiefern die Erfahrung mit Hunden das Erkennen beeinflusst. Dies ist besonders relevant, da viele Hundebesitzer davon überzeugt sind, ihre Hunde perfekt „lesen“ zu können – frühere Studien deuteten jedoch darauf hin, dass dies oft überschätzt wird. Denn viele erfahrene Hundehalter neigen eher dazu, ihr Geschick im Verstehen der Tiere überzubewerten und verhalten sich häufig übergriffiger als weniger hundeerfahrene Personen.
Bei einigen Gefühlen von Hunden tun sich Menschen schwer
Die Videos waren so gefilmt, dass entweder nur das Gesicht oder der gesamte Körper des Hundes sichtbar war. Die Probanden bewerteten jede Szene einmal und die Forscher analysierten anschließend, welche Emotionen korrekt erkannt und welche häufig verwechselt wurden. Zusätzlich wurde die Dauer der Hundeerfahrung der Teilnehmer berücksichtigt.
Dabei zeigte sich, dass Menschen Hunde-Emotionen tendenziell besser über Körpersprache als über Gesichtsausdrücke erkennen konnten. Die durchschnittliche Erkennungsgenauigkeit lag bei 33,7 Prozent für Körpersprache und bei 32,3 Prozent für Gesichtsausdrücke. Diese Wahrscheinlichkeit scheint auf den ersten Blick gering. Zudem ist sie hochgerechnet und unterscheidet sich stark bei den verschiedenen Emotionen.
- Freude war durch Körpersprache deutlich besser erkenntlich (76,7 Prozent) als über den Gesichtsausdruck (48,9 Prozent).
- Angst wurde durch Körpersprache (25,4 Prozent) besser erkannt als über den Gesichtsausdruck (6,9 Prozent).
- Wut war deutlicher im Gesicht (62,9 Prozent) als in der Körpersprache lesbar (55,2 Prozent).
- Auch beim Schmerz war die Körpersprache aussagekräftiger (21,5 Prozent) als das Gesicht (6,4 Prozent).
Die Werte schwanken jedoch relativ stark und sind gerade bei dem Erkennen von Angst und Schmerz sehr niedrig. Freude oder Wut waren aber für einen Großteil der Probanden leicht zu deuten. Allerdings wurde der Gesichtsausdruck von Angst auch oft mit Freude verwechselt, während die Körpersprache von Angst eher als Traurigkeit interpretiert wurde.
Menschen lesen ihre Hunde überhaupt nicht, sondern eher die Situation
Eine weitere Studie kommt zu noch extremeren Ergebnissen. Nicht nur sind Menschen schlecht dazu in der Lage, die Emotionen ihrer Hunde zu lesen, sie konzentrieren sich viel mehr auf alles andere in einer Situation und überhaupt nicht auf das Tier.
Ob Freude über eine Leckerei oder Angst vor dem Staubsauger – oft erscheint es offensichtlich, welche Emotionen ein Hund in bestimmten Situationen durchlebt. Doch Holly Molinaro und Clive Wynne von der Arizona State University decken diese trügerische Annahem in ihrer neuen Studie aus der Fachzeitschrift Anthrozoös auf.
Die Forscher untersuchten in zwei Experimenten, welche Faktoren die menschliche Wahrnehmung von Hunde-Emotionen beeinflussen. Dabei zeigte sich: Menschen orientieren sich nicht an der Mimik oder Körpersprache des Hundes, sondern an der Situation, in der sich das Tier befindet. Dies kann zu Missverständnissen führen, insbesondere wenn Menschen dazu neigen, ihre eigenen Emotionen auf Hunde zu projizieren.
Menschen projizieren eigene Emotionen auf Hunde
Die Studie bestand aus zwei Experimenten mit insgesamt 868 Teilnehmern. Alle waren Studierende und beurteilten Videos eines Hundes in unterschiedlichen Situationen.
- Experiment 1: Hier wurden den Teilnehmenden Videos gezeigt, in denen der Hund in positiven oder negativen Situationen zu sehen war – einmal mit und einmal ohne den sichtbaren Hintergrund. Die Teilnehmenden sollten die Emotionen des Hundes hinsichtlich Valenz (positiv oder negativ) und Erregung (niedrig oder hoch) bewerten.
- Experiment 2: In dieser Untersuchung wurden die Videos so bearbeitet, dass der Hund in einem irreführenden Kontext erschien. Beispielsweise wurde ein Video eines Hundes, der ursprünglich in einer negativen Situation gefilmt wurde, in eine scheinbar positive Umgebung eingefügt. Auch hier sollten die Teilnehmer die Emotionen des Hundes bewerten.
Teilnehmer bewerteten die Emotionen des Hundes als positiver, wenn der Hintergrund nicht sichtbar war. Zudem wurde die Erregung (Arousal) des Hundes in positiven Situationen als höher eingeschätzt, insbesondere wenn der Kontext fehlte. Im zweiten Experiment zeigte sich, dass Menschen Videos eines Hundes in einem vermeintlich positiven Kontext als emotional positiver einstuften, unabhängig davon, wie der Hund tatsächlich in der Originalaufnahme agierte.
Die Ergebnisse der beiden Experimente zeigten deutlich, dass die Wahrnehmung der Hunde-Emotionen stark von der Umgebung beeinflusst wurde. Ebenso wurden Hunde in scheinbar negativen Situationen als weniger positiv und stärker erregt wahrgenommen – auch wenn die Mimik und Körperhaltung des Hundes identisch waren. Diese Studie zeigt deutlich, dass Menschen die Emotionen von Hunden stark von der Umgebung und dem Kontext abhängig machen, anstatt sich auf die tatsächlichen Ausdrucksformen des Hundes zu konzentrieren.

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Diese Erkenntnisse haben weitreichende Implikationen für das Verständnis der Mensch-Hund-Kommunikation und die Förderung des Tierwohls. Eine bewusstere, auf die Körpersprache des Hundes fokussierte Wahrnehmung könnte dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und die Beziehung zwischen Mensch und Hund zu verbessern. 1
Doch die Studie von Kun Guo und Kollegen zeigte jedoch schon zuvor, dass die Erfahrung mit Hunden nur einen sehr geringen Einfluss auf das Erkennen der Gefühle der Tiere hatte. Lediglich bei subtilen Emotionen wie Beschwichtigung (Appeasement) oder Angst verbesserte sich die Genauigkeit mit zunehmender Hundeerfahrung.
Die Ergebnisse dieser Studien zeigen daher wichtige Baustellen in der Mensch-Hund-Kommunikation. Denn Körpersprache von Hunden scheint oft für Menschen leichter zu deuten als der bloße Gesichtsausdruck. Doch ein Hund, der den Halter beschwichtigen möchte, lässt sich bei einem kurzen Blick ins Gesicht nur schwer von einem glücklichen Tier unterscheiden. Wedelt er mit dem Schwanz oder hockt sich leicht geduckt hin, wird das Stimmungsbild jedoch deutlicher. Mit diesen Erkenntnissen könnte man zukünftig Missverständnisse zwischen Mensch und Hund vermeiden.
Zudem zeigen die Untersuchungen, dass mehr Erfahrung mit Hunden nicht automatisch bedeutet, Emotionen besser deuten zu können. Und dass Menschen in manchen Situationen völlig überfordert damit sind, die Emotionen eines Hundes zu verstehen. Dies könnte darauf hindeuten, dass selbst langjährige Hundebesitzer auch von gezielten Schulungen zur Interpretation von Hundeverhalten profitieren könnten. Wer seine Vierbeiner besser verstehen möchte, sollte also auf subtile Körperbewegungen achten – denn die Mimik und die Situation können täuschen. 2