28. Februar 2023, 17:07 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Seit über zehn Jahren steht Patrick Müller als „Tobias“ bei der RTL-Serie „Unter uns“ vor der Kamera – immer gemeinsam mit Filmhündin Linka, die in der TV-Show den Rüden „Stinker“ spielt. PETBOOK traf den Schauspieler bei seinem Besuch im Tierheim Köln-Ostheim zum Interview und wollte wissen, was die Arbeit mit Tierschutzhündin Linka am Set so besonders macht.
Wie ein stolzer Löwe steht Golden Retriever Marley auf der Palette in seinem Zwinger. Patrick Müller bewundert den Rüden durch den Zwingerzaun hindurch und in ausreichendem Abstand. Als Tierheimmitarbeiterin und Hundetrainerin Silvia Schulisch auf Marley zugeht, wird der große Hund ganz weich, legt sich hin und lässt sich von ihr die Pfote halten. Er ist einer die vielen Hunde im Tierheim Köln-Ostheim. Die vom Tierschutzverein Menschen für Tiere e. V. betriebene Anlage umfasst 14 Hundezwinger und ein Katzenhaus mit zwei „Katzenwohnungen“. Patrick Müller ist hier zu Besuch, um auf das Tierheim aufmerksam zu machen. Der Schauspieler, der vor allem durch seine Rolle als „Tobias“ bei der RTL-Serie „Unter uns“ bekannt ist, lebt seit Jahren vegan und setzt sich aktiv für den Tierschutz ein. Auch seine eigene Hündin Linka, die mit ihm gemeinsam vor der Kamera steht, kommt aus dem kroatischen Tierschutz. Im Interview mit PETBOOK verrät Patrick Müller, wie die Arbeit vor der Kamera seiner Hündin im Alltag geholfen hat und warum Linka in der Serie einen Rüden spielt.
„Ein Hund aus einer Zucht ergab für mich keinen Sinn“
PETBOOK: Patrick, deine Hündin Linka ist aus dem Tierschutz. War das damals eine bewusste Entscheidung?
Patrick Müller: Ja. Als für mich damals die Entscheidung feststand, mir einen Hund anzuschaffen, habe ich mich gefragt, warum man sich Hunde aus einer Zucht holt, die dann Tausende Euro kosten, wenn man auch die Möglichkeit hat, einem Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause zu geben.
Das Absurde für mich ist auch, dass Rassen wie zum Beispiel der Mops aufgrund der Zucht ja mittlerweile so deformierte Schädel haben, dass die gar nicht mehr richtig Luft bekommen. Einfach nur, weil Mama immer ein Mops war und Papa immer ein Mops war und man auf extreme Merkmale hin gezüchtet hat. Ein Hund aus einer Zucht ergab für mich also nicht wirklich Sinn. Deshalb hatte ich die Idee, einfach mal ins Tierheim zu gehen und beim Tierschutz zu schauen, was es da so an Hunden gibt – eine gute Entscheidung.
Sollte man deines Erachtens überhaupt Tiere vom Züchter holen?
Ich möchte niemanden moralisch auf die Füße treten, wenn er jetzt einen Hund aus der Zucht einer Freundin oder aus dem eigenen Wurf nimmt. Die müssen auch ein Zuhause finden. Aber es gibt super viele Hunde, die ein neues Zuhause brauchen. Auch hier im Tierheim Köln-Ostheim haben wir aktuell zwei Hunde, die schwer vermittelbar sind. Die Konsequenz davon ist, dass diese Hunde in den Räumlichkeiten bleiben. Das sind im Tierheim etwa drei bis vier Quadratmeter und dann dürfen sie drei bis vier Mal am Tag raus. Das ist kein schönes Leben, auch wenn man sich hier gut um sie kümmert. Sie brauchen eine feste Bezugsperson. Diese Hunde möchten eben auch ein Zuhause haben – die Katzen übrigens auch.
Viele haben Angst, bei der Adoption aus dem Tierschutz oder Tierheim einen Hund zu bekommen, der vorbelastet und schwierig im Alltag ist. Gab es auch bei dir Probleme, die du mit Linka hattest, weil sie aus dem Tierschutz kam?
Wenn Hunde von der Straße kommen, hatten sie Erlebnisse und können durch diverse Sachen getriggert werden. Linka wurde damals zusammen mit ihren Geschwistern von Kindern unter einer Treppe gefunden. Als ich sie bekam, hatte sie große Angst vor Kindern. Mittlerweile haben wir im Familienumfeld selbst Kinder, die sie beobachten konnte, so hat sich das Problem gelegt. Bei fremden Kindern ist sie aber immer noch ängstlich, doch sie geht nicht mehr in die Offensive.
Patrick Müller: „Mit Linka habe ich dann vieles anders gemacht“
Welche positiven Erfahrungen konntest du mit Linka als Tierschutzhund machen?
Durch das Kennenlernen mit Linka habe ich erst gelernt, wie man mit Hunden richtig umgeht und was man alles verkehrt machen kann. Dass Hunde durchaus ihr eigenes Wesen haben und man als Mensch darauf eingehen sollte. Als ich damals mit 12 Jahren meinen ersten Hund bekommen habe – das war unser Familienhund „Bijoux“, ein Jack Russell – haben wir das alles ein bisschen anders gemacht. Rückblickend war das ein veraltetes Beziehungskonzept. Mit Linka habe ich dann vieles anders gemacht und merke, der Hund ist wesentlich freundlicher und ausgeglichener. Da gilt es, sich immer wieder zu hinterfragen, was man damals falsch gemacht hat.
Was hast du mit Linka anders gemacht, dass du damals mit deinem ersten Hund nicht gemacht hast?
Positive Bestätigung. Man ist ja immer der Meinung, ein Hund, der viel bellt, den muss man bestrafen. Man hat also immer dieses Bestrafungssystem im Kopf, aber das ist einfach falsch. Ich muss den Hund positiv bestärken in den Sachen, die er gut macht. Wenn er mal bellt, dann kann ich das nicht mit Bestrafung abstellen. Ich darf ihm das natürlich auch nicht durchgehen lassen, aber die meisten neigen dann dazu, den Hund an der Leine zu ziehen oder anderes. Das ist nicht so gut, denn es fördert nicht so gute Verhaltensmuster. In dem Fall würde ich allen mit diesem Problem eine Tiertrainerin empfehlen, die dabei hilft, damit man keine Fehler macht.
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»Linka als Filmhund war eine Win-win-Situation
Linka ist ein Filmhund. War das eine bewusste Entscheidung von dir, sie vor die Kamera zu bringen?
Ja. Einfach, weil ich den Hund immer bei mir haben kann und sie nicht versauert, während ich arbeite. Das war eine Win-win-Situation. Ich bekomme einen kleinen Obolus für ihre Arbeit vor der Kamera und ich habe einen ausgeglichenen Hund, der auch weiß, wohin mit seiner Energie. Die Trainerin geht auch außerhalb des Drehs mit dem Hund spazieren. Das bedeutet, ich habe Linka am Set dabei, muss mich aber nicht rund um die Uhr um sie kümmern. Das ist natürlich nur an den Tagen der Fall, in dem ich vor der Kamera stehe. Ansonsten bin ich Hundepapa und gehe mit ihr Gassi.
Was von dem, was ihr für die Arbeit im Fernsehen trainiert, hilft dir auch im Alltag?
Alles, wirklich alles. Wenn du einen trainierten Hund hast – und ich sag’ jetzt nicht „abgerichtet“, sondern trainiert – dann kann der Sitz, Platz, Komm und Lauf einfach so runteratmen. Das kannst du dann in jeder Alltagssituation anwenden. Ich kann zum Beispiel mit Linka in ein Café gehen. Ich sag’ dann einfach Sitz und dann bleibt die da so lange sitzen. Nicht, weil sie es muss, sondern, weil sie es gerne möchte. Das ist nämlich der Unterschied bei der Erziehung. Ein trainierter Hund denkt so beim Kaffeetrinken „Oh, ich habe gerade Training und das ist cool!“ – und das hilft immens.
Patrick Müller: „Linka ist kein Zirkushund, der durch irgendwelche Reifen springen muss“
Das hießt, beim Training fürs Fernsehen lernen die Hunde gar nicht unbedingt tolle Tricks, sondern Grundlagen?
Ja, genau – Linka ist kein Zirkushund, der durch irgendwelche Reifen springen muss. Natürlich üben wir auch mal Tricks, wie beim Agility, bei dem Hunde auch mal über Hindernisse laufen. Aber wir haben den Hund vor allem in den Grundlagen trainiert. Damit gehen wir dann zu den Autoren hin und sagen: Hier, das kann der Hund – das könntet ihr anwenden, wenn ihr wollt. Es ist aber nicht so, dass die Produktion zu uns kommt und Forderungen stellt wie: „Wir wollen, dass der Hund ab sofort das und das macht, trainiert das mit dem Tier.“ Das war nicht der Gedanke und so wollte ich das persönlich auch nicht. Wenn das passieren würde, würde ich dem ganzen auch sofort einen Riegel vorschieben. Mein Hund kann das, was wir mit ihm machen und übt es dann vor der Kamera aus.
Linka ist eine Hündin, spielt vor der Kamera aber einen Rüden. Fällt das den Zuschauern nicht auf?
Nein, das ist egal. Und wenn ich ehrlich bin, fällt es mir selbst auch schwer, auf Anhieb das Geschlecht eines Hundes richtig einzuschätzen. So habe ich heute im Tierheim mehrfach Rüden mit „Ach, das ist ja eine Süße“ angesprochen. Mir fällt es nicht auf und den Leuten fällt es meistens auch nicht auf.
Warum muss Linka denn überhaupt einen Rüden spielen?
Für Linka war eigentlich nur wichtig, dass der Hundeprotagonist, den sie spielt, ähnlich heißt. Und weil Hunde ja besonders auf Vokale im Namen reagieren, war der Gedanke etwas Reimendes zu nehmen bzw. ein Wort, das dieselben Vokale hat. Dadurch kam Stinker zustande. Das war ein männlicher Name und deshalb war der Hund in der Serie dann eben männlich.
»Mit Kindern und Hunden am Set ist es immer ein bisschen schwierig
Unterscheidet sich Linkas Hundeprotagonist in der Serie vom Verhalten oder spielt sie im Grunde sich selbst?
Ich würde sagen, Linka spielt sich selbst. Sie verhält sich vor der Kamera eigentlich genauso, wie sie sich immer verhält. Wir versuchen auch, dass sie sich so frei wie möglich bewegen kann. Mit Kindern und Hunden ist das am Set immer ein bisschen schwierig. Man sagt, Kinder seien etwas unkontrollierbar und irrational im Verhalten. Dann hat ein Kind zum Beispiel auf einmal Angst vor etwas. Bei Hunden ist das genauso. Da kommt auf einmal ein Mann ans Set, der für das Tier irgendwie unheimlich aussieht und darauf reagiert dann der Hund genauso wie das Kind.
Darauf müssen wir am Set eingehen. Du kannst dem Kind dann auch nicht sagen „du brauchst keine Angst haben, der ist nicht böse.“ Du musst es in den Arm nehmen, oder beruhigen. Dazu neigt die Branche aber nicht. Man möchte ja innerhalb von kürzester Zeit vor der Kamera eine bestimmte Reaktion haben. Daher müssen wir anders an die Sache herangehen und sich Hund und Kind vor der Kamera frei bewegen lassen.
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„Einfach zur nächsten Tierschutzorganisation laufen“
Ist jedes Mal auch eine Trainerin oder ein Trainer am Set?
Ja, das schreibt das Veterinäramt vor. Ohne Tiertrainerin darf man vor der Kamera nicht mit Tieren arbeiten. In meinem Fall ist es so, dass die Trainerin aber nicht aus der Film- und Fernsehbranche kommt. Die habe ich mir damals gesucht, weil mir wichtig war, dass das Wohlergehen des Hundes an oberster Stelle steht – das hat absolute Priorität. Die Hundetrainerin, die ich gefunden habe, setzt das auch genau so um. Wir entscheiden, was das Tier vor der Kamera macht und so ist es für den Hund auch schöner.
Nicht jeder kann einen Hund aus dem Tierschutz oder Tierheim aufnehmen. Was ist deine persönliche Message an alle, die sich trotzdem für den Tierschutz einsetzen wollen?
Am Ende des Tages kann ich immer nur sagen: Helfen könnt ihr am besten regional. Daher ist mein Tipp: Ins Internet gehen, schauen, was es in eurer Nähe gibt und dann einfach zur nächsten Tierschutzorganisation laufen. Es gibt so viel, was wir ändern und es gibt so viel, über das wir nachdenken müssen. Ich erspare euch jetzt die moralische Keule – ich glaube, ihr wisst, was ich meine.