26. November 2024, 6:54 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Eine Möglichkeit, Hunden aus dem Tierschutz beim Start in ihr neues Leben zu unterstützten, ist, sie als „Pflegestelle“ bei sich aufzunehmen. Solange, bis das Tier einen dauerhaften neuen Besitzer gefunden hat und vermittelt wurde. Doch was braucht es dafür und was muss man als Halterin auf Zeit leisten? PETBOOK-Autorin Nina hat derzeit eine Hündin aus Spanien zur Pflege und teilt hier ihre Erfahrungen.
„Den Rüden mit dem dunklen Kopf oder die braune Hündin – welchen willst du?“ Den Text schickte mir Lisa Hezinger, Gründerin von PetAngels, als klar war: Ich werde als Pflegestelle einem Hund ein neues Zuhause auf Zeit geben. Im Anhang sah ich ein Foto von zwei kleinen Junghunden, Sam und Malou. Mein Herz schlug eine Spur schneller. Worauf hatte ich mich da schon wieder eingelassen?
Was ist eine Pflegestelle?
Bevor ich mich als Pflegestelle beim Tierschutzverein PetAngels bewarb, habe ich mich genau informiert, was das bedeutet. Ich nehme einen Hund aus dem Ausland temporär bei mir auf, bis er eine dauerhafte neue Bleibe gefunden hat. Eine solche Pflegestelle zu sein, ist für mich nicht neu. Ich hatte zwar schon ein paar Mal in meinem Leben einen Pflegehund aus dem Tierschutz, den ich vorübergehend bei mir habe wohnen lassen und dann weitervermittelt habe. Die Vermittlung ging aber meistens recht schnell, sodass die Hunde nach zwei bis drei Wochen ihren neuen Besitzer hatten.
Warum bewirbt man sich als Pflegestelle für Hunde?
Über Auslandstierschutz mag man denken, was man will und ich habe hier schon mal einen Artikel darüber geschrieben. Mir ist durchaus bewusst, dass man nicht jeden Hund retten kann, und es auch in Deutschland bereits Hunde gibt, die Hilfe brauchen. Ich glaube trotzdem, dass jeder Hund – oder besser gesagt jedes Lebewesen – das Recht auf Hilfe hat und helfe gern, wann und wem auch immer. Die Organisation PetAngels, mit der ich schon mehrfach im Rahmen meiner Artikel zu tun hatte, handhabt das ähnlich und hilft deshalb sowohl Tieren im In- als auch im Ausland.
Weil ich selbstständig bin und aktuell erst mal kein Urlaub ansteht, habe ich mich Anfang September dazu entschlossen, mal wieder einen Hund als Pflegestelle aufzunehmen. Ich will es nicht beschönigen: Pflegestelle zu sein, ist anstrengend. Die Hunde kennen oft noch nicht viel, da sie aus überfüllten Tierheimen kommen. Autos, Bahn und andere Menschen machen ihnen oft Angst und die wenigsten Hunde sind stubenrein. Als Pflegestelle lässt man sich also auf einen Haufen Arbeit ein, denn man sozialisiert die Hunde in ihrer neuen Heimat und gewöhnt sie an die Umgebung. Gerade das macht die Erfahrung für mich aber auch so spannend und man geht dadurch eine ganz besondere Bindung mit dem Tier ein.
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Meine Erfahrung als Pflegestelle
Ich habe mich für die Hündin Malou entschieden, die ich zur Pflege bei mir aufnehmen möchte. Malou hat ein braunes Gesicht ist etwa kniehoch und erinnert an einen Jack Russell Terrier – zumindest auf den Fotos, die ich von ihr kenne.
Ein Tag vor dem Kennenlernen
Ein Tag, bevor ich Malou an einer Autobahnstation abholen soll, an der der Transporter mit den Hunden aus Spanien hält, bekomme ich einen Plan der Autobahnstationen und die Bitte, rechtzeitig mit Leine dort zu sein. Ich bin ein bisschen aufgeregt. Ich war seit vier Jahren nicht mehr Pflegestelle und auch wenn ich mich freue, habe ich ein bisschen Bammel. Was, wenn mein Hund Rudi sich nicht mit ihr versteht? Was, wenn Malou meine Wohnung zerlegt, bellt oder sehr schwer an der Leine zu führen ist? Schaffe ich es zeitlich, mit beiden Hunden separat zu gehen? Habe ich mir da wieder zu viel aufgehalst? Ein Zurück gibt es nicht mehr, das ist für mich klar, also versuche ich zu entspannen und mich darauf einzulassen.
Den Pflegehund abholen
Am Abholtag checke ich nonstop WhatsApp-Nachrichten von der Tiertransport-Gruppe, in der 16 zukünftige Pflegestellen und Endstationen über den Verlauf der Reise informiert werden. Insgesamt werden 10 Autobahnhaltestellen quer durch Deutschland visiert, an denen uns die Schützlinge übergeben werden. Da mein Heimatort direkt an einer Autobahnausfahrt liegt, an der die Route ohnehin entlang verläuft, wird für mich eine Ausnahme gemacht und ich kann direkt bei mir an der örtlichen Tankstelle warten. Glück gehabt, denn ich fahre nicht besonders gut Auto. Mit der zusätzlichen Aufregung hätte ich mich ungern 40 Kilometer hinter das Steuer gesetzt.
Ich stehe kaum 5 Minuten auf dem Parkplatz, da sehe ich einen weißen Transporter um die Ecke biegen und zielstrebig auf die Tankstelle zufahren. Ich steige mit laut pochendem Herzen aus und gehe auf das Fahrerfenster zu. Doreen, die Fahrerin des Wagens, steigt aus und holt Malou, mein Pflegeschützling, von hinten aus dem Wagen. Ein bisschen unsicher und scheu schnuppert sie an meinem Bein und lässt sich von mir auf die Rückbank meines Autos tragen. Willkommen im neuen Leben!
Zuhause angekommen
Meinen Hund Rudi habe ich zu Hause gelassen, um Malou nicht zu überfordern. Er begrüßt Malou gleich beim Hineinkommen freudig. Als er feststellt, dass Malou länger bleibt, verhält er sich eher distanziert. Mit seinen 12 Jahren ist ihm die fünf Monate alte Malou zu wild.
Nach ein paar Tagen sind die beiden mal mehr, mal weniger, Freunde. Auf unseren gemeinsamen Spaziergängen zeigt Rudi, ganz Musterschüler, wie man an der Leine geht und macht Kommandos wie „Sitz“ und „Platz“ vor. Malou ist anfangs noch sehr aufgeregt, weil sie als Tierschutz-Hund vorher nicht viel kennenlernen durfte. Ich habe das Gefühl, dass ihr Rudi Selbstvertrauen vermittelt und schon nach ein paar Tagen geht Malou wesentlich entspannter an der Leine. Autos und U-Bahn-Geräusche machen ihr keine Angst mehr und sie springt seltener hoch. Sogar shoppen waren wir schon, als wir uns an einem verkaufsoffenen Sonntag spontan von unserer Waldrunde mit einer Freundin ins nahegelegene Kaufhaus verirren.
Wie ist mein Pflegehund?
Malou ist anfangs etwas schüchtern. Nach der ersten Nacht mit herzerweichendem Gewinsel besorge ich ihr einen Kennel, in dem sie ihr Futter und Streicheleinheiten bekommt. So hat sie einen Rückzugsort. In der kleinen Hündin steckt ein Terrier, weshalb sie beeindruckend hochspringen kann – gern auch gegen helle Kleidung und Strumpfhosen. Offen gestanden ist es schon nicht ohne, sich um einen kleinen Hund zu kümmern und ihn hier einzugewöhnen. Aber sie ist dafür so dankbar und herzzerreißend süß, dass ich es nicht eine Sekunde bereue, ihr das Leben zu zeigen.
Sie macht sich wirklich gut und hat weder Angst vor Autos, noch vor Kindern oder Katzen und geht freudig in meinem Alltag mit. Wie ich erfahren habe, kommt Malou aus einer Familie, die es schlichtweg versäumt hat, ihre Hündin zu kastrieren. Leider ist es in Spanien immer noch so, dass die Hunde nicht sterilisiert werden und sich dadurch ungeplant vermehren.
Was sind die Bedingungen als Pflegestelle?
Als Pflegestelle kümmert man sich temporär um den Hund und gibt ihm ein vorübergehendes Zuhause, das heißt, man geht mit ihm spazieren, füttert ihn und lernt ihn kennen. Gerade Letzteres ist wichtig, damit der Hund auch langfristig ein passendes Zuhause findet. Kommt das Tier mit Katzen klar? Wie sieht es mit Kindern aus? Ist es stubenrein? All das findet man als Pflegestelle über den Hund heraus und schickt alle Infos zusammen mit Fotos an die Tierschutzorganisation.
An der einen oder anderen Stelle leistet man auch schon mal Erziehungsarbeit; ich hatte zum Beispiel vor vier Jahren schon mal eine Pflegehündin, die einen extremen Jagdtrieb hatte. Mit ihr ging ich zum Leinentraining, weil sie anders einfach zu sehr zog. Das ist natürlich kein Muss! An Kosten kommt sonst nur Futter hinzu und man braucht einen Korb und eine Leine. Ein Geschirr bringen die Hunde bereits mit. Grundsätzlich sind die Tiere über den Verein haftpflichtversichert und höhere Tierarztkosten werden nach Absprache übernommen. Auch die Vermittlung wird vom Verein übernommen.
Was muss man als Pflegestelle mitbringen?
Als Pflegestelle braucht man vor allem Zeit. Man hat immerhin mit einem Lebewesen zu tun, für das man mehrere Wochen oder sogar Monate verantwortlich ist, bis es ein Zuhause für immer gefunden haben. Vorab weiß man nie genau, wie lange die Vermittlung dauert. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass es meistens eher schnell geht, vor allem, wenn die Tiere noch recht jung sind.
Abgesehen davon braucht man als Pflegestelle auch Geduld, man sollte natürlich tierlieb sein und keine Angst vor Hunden haben. Nicht alle Hunde sind unkompliziert und stubenrein, man braucht also auch einiges an Verständnis und ein starkes Nervengerüst.
Fazit
Einen Hund zu sich zur Pflege zu nehmen ist definitiv eine Herausforderung, über die man sich klar sein muss. So sehr ich Hunde liebe und so viel Freude es auch bereitet, einem kleinen Hund die Welt zu zeigen, so anstrengend ist der Alltag als Pflegestelle mitunter auch, weil die Hunde oft noch nicht stubenrein sind, nicht allein bleiben können und vieles noch nicht kennen.
Mit Geduld und Hingabe kann man die Hunde aber sozialisieren und an das Leben in einem Haushalt gewöhnen. Es ist unglaublich zu sehen, wie ein Tier nach und nach Vertrauen gewinnt und Freude an seinem neuen Leben findet. Diese Erfahrung finde ich unglaublich wertvoll und ich habe bisher bei jedem Pflegehund etwas über mich lernen dürfen: mich nicht aufzuregen, wenn etwas nicht klappt, ruhig zu bleiben, freudig auf neue Dinge zuzugehen.
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Will jemand Malou ein Zuhause schenken?
Malou sucht aktuell immer noch nach einem langfristigen Zuhause. Bei Interesse, Kontakt bitte über 0163 605 36 22 und info@petangel.de.