29. Oktober 2024, 11:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Shiba Inus erfreuen sich aktuell weltweit großer Beliebtheit. Allerdings eilt den japanischen Hunden mit der knuffigen Optik der Ruf voraus, besonders schwierig zu sein. So heißt es, Shibas seien besonders stur und würden kaum ein Bezug zu Menschen aufbauen. Hundetrainerin Katharina Marioth hat eine klare Haltung zu diesem Thema.
Shiba Inu bedeutet auf Deutsch übersetzt so viel wie „kleiner Hund“. Allerdings sollte man sich von seinem süßen Aussehen nicht täuschen lassen. Denn der Shiba ist zwar vielleicht klein, aber oho! Und auch wenn er grundsätzlich über ein angenehmes Wesen verfügt, so ist der keineswegs ein Anfängerhund. Ganz im Gegenteil: Der Ruf, der dem Vierbeiner aus Japan vorauseilt, beschreibt Vertreter dieser Rasse oft als stur, unabhängig und schwer zu trainieren.
Einige gehen sogar so weit und sagen, dass diese selbstständige Rasse charakterlich mehr von einer Katze als von einem Hund hat. PETBOOK sprach mit Hundetrainerin Katharina Marioth von der Hundeschule „Stadthundetraining“ in Berlin über Shibas Inus, ihr Image und warum sie oft so missverstanden werden.
„Das Wort ‚Stur‘ lehne ich grundsätzlich ab – bei allen Hunden!“
PETBOOK: Katharina, Shiba Inus gelten als eigen und schwer zu trainieren. Welche Erfahrung hast du als Hundetrainerin mit dieser Rasse gemacht?
Katharina Marioth: „Häufig ist genau das der unausgesprochene Wunsch vieler Halter: Dieser oder jener Hund ist ‚besonders schwer zu trainieren‘. Hier stecken ja bereits zwei Glaubenssätze drin: ‚Ich muss es allen zeigen, dass ich mit so einem Hund zurechtkomme‘ oder ‚Der kann gar nicht hören, weil der Hund so und so ist.‘ Das sind meist zwei Dinge, die mir begegnen.
Jeder Hund kann lernen – das gehört naturgemäß dazu. Der sogenannten ‚Will-to-please‘ ist bei vielen Rassen des sogenannten Urtyps anders ausgeprägt, als etwa bei einem Labrador Retriever. Einen Shiba Inu muss ich etwas anders abholen als einen American Staffordshire Terrier. Aber ein Hund ist ein Hund und die Lerngesetze sind für alle gleich. Das Wort ‚Stur‘ lehne ich übrigens grundsätzlich ab – bei allen Hunden.“
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Den Shiba Inu holt man am schnellsten über intrinsische Motivation ab
Im Internet finden sich viele Stimmen von Besitzern, die darüber klagen, dass ihr Shiba kaum über einen „Will-to-please“ verfügt, dickköpfig ist, kaum Zuneigung zeigt und extrem schwer zu trainieren ist. Was möchtest du solchen Haltern sagen?
„Ich möchte behaupten, dass die wenigstens sich mit dem Ursprung dieser Rasse beschäftigt haben – und da liegt ja häufig das Grundproblem. Ich frage mich dann immer, wieso jemand sich dann für diese Rasse entschieden hat, wenn demjenigen die möglichen genetischen Dispositionen nicht gefallen? Das betrifft übrigens auch viele andere Rassen, vor allem hochspezialisierte, deren Rassebeschreibung schlichtweg nicht gelesen wurde. Der Klassiker: ‚Oh, mein Jack Russell Terrier geht jagen – das wollte ich eigentlich nicht!‘.
Den Shiba Inu holt man am schnellsten über intrinsische Motivation ab. Das heißt Kontrolle durch Freiraum, was wiederum Zeit und Geduld bedeutet. Zudem wird gerne vergessen, dass fast alle Hunde des Urtyps einen Muskel um die Augen weniger haben. Das heißt der typische ‚Welpenblick‘ mit diesen kreisrunden Augen ist eben schlicht nicht möglich, weil dieser spezielle Muskel nicht vorhanden ist. Also muss man sich fragen: Ist das wirklich kein ‚Will-to-please‘ oder vermissen wir schlicht diesen süßen Augenaufschlag?“
„Hier geht es weniger um Sitz, Platz, Fuß!“
Lässt sich denn mit guter Beziehungsarbeit und gutem Training daran arbeiten?
„Ja, aber im Mittelpunkt steht die Bindungsarbeit, also viel körpersprachliche Orientierung und um tiefe, gute und gemeinsame Momente. Hier geht es weniger um Sitz, Platz, Fuß. Einen Shiba Inu in der Dummyarbeit und im Mantrailing zu führen ist gar kein Problem. Im klassischen Obedience wird er meist weniger Spaß haben. Am Ende hat man hier einen selbstbewussten Hippie zu Hause, der Freiheit genießt und auch braucht. Diese Freiheit kann ich aber gut lenken, wenn ich weiß, wie. Das Grundlegendste ist, herauszufinden – und das ist mehr eine Charakterfrage als eine Rassefrage –, was meinen Hund motiviert. Woran hat er Spaß und ich auch? Das setzen wir dann im Training ein.“
Shiba Inus provozieren andere Hunde konstant mit ihrer Körpersprache
Shibas provozieren angeblich andere Hunde unbewusst durch ihre andere Körpersprache. Was sagst du dazu?
„Das Problem haben fast alle Hunde des Urtyps. Die aufgestellte Ringelrute, die etwas höher gestellte Hüfte, der recht kurze Hals kommt bei vielen Hunden als antagonistisches Verhalten oder sogenanntes Imponierverhalten an. Menschlich beschrieben könnte man sehr vereinfacht sagen: ‚Die laufen immer prollig durch die Gegend‘. Deshalb ist es wichtig, dass Hunde gut sozialisiert werden – das meint aber immer Qualität der Hundekontakte vor Quantität.“
Welche Herausforderungen oder Probleme siehst du bei der Shiba-Haltung? Seit Jahren herrscht ja ein regelrechter Boom auf diese Rasse …
„Hunde des Urtyps und ihre kleineren Verwandten werden leider immer mehr in den Städten gehalten. Ich will nicht sagen, dass diese Hunde per se unglücklich sind. Aber viele Shiba Inus sind glücklicher, wenn sie ein Territorium, viel Wald und Fläche um sich herum haben, anstatt in der Großstadt und womöglich noch als Bürohund mit 0,0 hundgerechter Auslastung.
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Moderassen werden meist auf Kosten der Hunde gezüchtet
Bei allen Hunden, die boomen, wird meist auf Kosten der Hunde gezüchtet oder vermehrt. Ich wünsche mir jeden Tag, dass die Menschen sich weniger vom Äußeren leiten lassen, sondern sich stattdessen ganz ehrlich fragen: ‚Was wünsche ich mir wirklich von einem Hund?‘ Sich genau ihre Glaubenssätze anschauen und dann mehr Zeit in die charakterliche Auswahl investieren, als in die äußerliche.
Erst neulich hatten wir einen Abgabefall, weil der Hund nach dem Umzug ‚nicht mehr zur Einrichtung und zum Stil‘ passte. Das ist der absolute Worst Case. Fakt ist: Hunde sind extrem leidensfähig! Ich bin mir sicher, dass viele Hunde ihren Rucksack packen würden, um auszuziehen, wenn es um genetische und artgerechte Auslastung und Lebensumstände in ihrem Zuhause ginge.“