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Schlechtes Image

Sind Chihuahuas wirklich so aggressiv? Das sagen Experten

Chihuahuas werden in den Medien oft als verhaltensgestörte kleine Monster dargestellt.
Chihuahuas werden in den Medien oft als verhaltensgestörte kleine Monster dargestellt. Doch warum eigentlich? Foto: Getty Images
Dennis Agyemang
Redakteur

28. Januar 2025, 17:31 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Chihuahuas haben oft kein gutes Image. Viele sehen sie als pöbelnde Handtaschenhunde mit gewaltigem Aggressionsproblem. Zahlreiche Influencer und Memes arbeiten genau mit diesem Stereotyp und sorgen damit im Netz für millionenfache Aufrufe und viel Erheiterung. Doch sind Chihuahuas wirklich so aggressiv? PETBOOK sprach mit mehreren Experten über die kleinen Hunde mit großem Ego.

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Viele Hunderassen haben mittlerweile ein recht festgefahrenes Image, das ihnen anhaftet und von dem sie sich nur schwer befreien können. So gelten bestimmte Hunderassen wie beispielsweise der American Staffordshire Terrier, der Bullterrier oder der Cane Corso nicht nur als sogenannte „Kampfhunde“ – und damit als besonders gefährlich –, sondern werden auch vor dem Gesetz teilweise anders behandelt als andere Hunde. Aber nicht nur Listenhunde leiden unter einem fragwürdigen Image, sondern auch Chihuahuas. So fallen in den sozialen Medien und auch im echten Leben oft Sätze wie: „Mein letzter Chihuahua war genauso wie ich: Süß, aber Psycho!“ oder auch: „Puh, die Chihuahuas meiner Mutter sind wirklich zwei kleine bösartige Monster!“ Doch sind Chihuahuas wirklich von Natur aus so aggressiv?

„Süß, aber Psycho!“

Selbst in einer Umfrage, die PETBOOK 2023 unter den Lesern durchführte, wurde der Chihuahua mit Abstand zur nervigsten Hunderasse Deutschlands gewählt. Dabei voteten ihn volle 45 Prozent der Stimmen (11.500 Leserstimmen) auf den ersten Platz. Alles in allem scheinen die kleinen Hunde von vielen als leicht reizbare und nervöse Kläffer wahrgenommen zu werden.

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Unterstrichen werden solche Zuschreibungen unter anderem von Influencern wie Eviatar Ozer. Das israelische Model hat allein bei TikTok über 14 Millionen Follower und bei YouTube noch einmal halb so viele. Doch das ist nicht alles. Eviatar hat fünf Chihuahuas. Darunter eine Chihuahua-Hündin namens Niki, die besonders schlecht gelaunt scheint und vermeintlich immer knurrt, sobald sich Eviatar ihr nähert. In einigen Fällen schnappt sie sogar nach ihm, was er mit lautem, hysterischem Kreischen quittiert. Für seine Fans ein echter Brüller!

Chihuahua-Hündin Niki beißt Halter in viralem Video ins Gesicht

Daher greift der TikToker genau solche Situationen in seinen millionenfach gestreamten Videos auf. In einem Clip ist sogar klar zu sehen, wie Niki ihrem Halter in die Nase beißt, als der sich ihr wieder lautstark nähert und sie bedrängt. Doch kann man hier noch von Spiel und Spaß sprechen oder werden wir hier Zeuge eines übergriffigen Halters, der die Grenzen seines Hundes missachtet? Hundepsychologe Marc Ebersbach hat hierzu eine klare Meinung, wie er im Gespräch mit PETBOOK erklärt.

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„Das ist einfach nur Ausdruck von einem Menschen, der die Persönlichkeit eines Arschlochs hat“

„Das im Video gezeigte Beispiel ist ein gutes Beispiel für die perfide Lust, den Hund provozieren zu wollen.“ Das sei weder lustig noch als ein Spiel vertretbar. „Das ist einfach nur Ausdruck von einem Menschen, der die Persönlichkeit eines Arschlochs hat und dem jegliche Empathie für kleinere und schwächere Lebewesen fehlt.“

Ein Eindruck, den auch Hundetrainerin Katharina Marioth teilt: „Gerade, wenn Hunde in solchen Videos bewusst provoziert werden, um Aggressionsverhalten zu zeigen – das ist für mich schlichtweg Tierquälerei.“ Das Aggressionsverhalten eines Hundes sei in der Regel ein Zeichen für ein emotionales Problem, weiß die Hundeverhaltensexpertin. „Sich darüber lustig zu machen, ist nicht nur respektlos, sondern auch verantwortungslos.“

Sind Chihuahuas aggressiver als andere Hunde?

Doch zurück zur Ursprungsfrage: Warum werden Chihuahuas eigentlich als aggressiv wahrgenommen? Warum haben sie so ein schlechtes Image? „Meiner Meinung nach ist der Chihuahua eine total unterschätzte Hunderasse“, erklärt Marioth. Sie ist Hundetrainerin und Verhaltensgutachterin für gefährliche Hunde des Landes Berlin. Ihrer Meinung nach gebe es keine Hunderassen, die grundsätzlich aggressiver seien als andere.

„Es gibt genug Belege, dass Aggressionsverhalten nicht genetisch bedingt ist, sondern von anderen Faktoren abhängt – wie Erziehung, Sozialisierung, Erregungspotenzial und dem Umfeld, in dem der Hund aufwächst.“ Das Problem sei hier eher, dass Chihuahuas von allen unterschätzt würden. „Es ist eine hochintelligente Hunderasse. Ein Problem ist allerdings die Überzüchtung: Manche Chihuahuas werden immer kleiner gezüchtet, was auch Auswirkungen auf ihr Verhalten haben kann.“

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Chihuahuas werden oft einfach herumgetragen

Gleichzeitig investieren viele Halter zu wenig in die Erziehung und Beschäftigung kleiner Hunde, weil sie glauben, dass ein drei Kilogramm schwerer Hund weniger Ansprüche stellt als ein großer. „Das ist aber falsch“, stellt Katharina Marioth klar. „Jeder Hund hat Grundbedürfnisse wie körperliche und geistige Auslastung, Training und Bindung.“ Hinzu kommt, dass Chihuahuas aufgrund ihrer geringen Größe von vielen Besitzern oft wie ein Accessoire in der Tasche herumgetragen werden. It-Girl Paris Hilton hat es lange vorgemacht.

Doch genau hier liegt das Problem, meint Hundetrainer Jochen Bendel im Gespräch mit PETBOOK. Durch das ständige Hochheben und Herumtragen seien die Hunde total gestresst. „Dieses ständige Hochheben ohne Vorwarnung ist wahnsinnig anstrengend für die Tiere.“ Chihuahuas würden oft von ihren Besitzern, aber auch von den Menschen in ihrer Umgebung gestresst, stimmt auch Marc Ebersbach zu.

Übergriffiges und unvorhersehbares Verhalten stresst die Hunde

„Man muss sich einmal vorstellen, ein körperlich weit überlegener Mensch würde ständig auf einen zukommen, einen schubsen, mal eine kleine Ohrfeige geben, ein Bein stellen, bedrohlich wirken, und das immer völlig unerwartet.“ Gerade das Unvorhergesehene sei für Hunde oft unberechenbar und sorge für großen Stress, mit dem sie ständig leben müssten. Das führe bei Chihuahuas „zu einem hohen Cortisolspiegel im Blut, einem Stresshormon, das den Hund auf vielen Ebenen psychisch und physisch belasten kann“.

So verhielten sich Menschen oft nicht nur übergriffig gegenüber Chihuahuas – und anderen kleinen Hunden –, sondern oft auch rücksichtslos. Die zierlichen Tiere müssen oft Menschen ausweichen, um nicht aus Versehen getreten zu werden. Daher seien Chihuahuas „wirklich krass“ im Management, sagt Jochen Bendel. „Das sind die Hunde, die im Biergarten unterm Tisch hervorschießen, wenn einer vorbeikommt, um sich alles auf Distanz zu halten. Damit sagen sie praktisch: ‚Hau bloß ab, ich hab’ keinen Bock auf dich! Die Alte da oben daddelt den ganzen Tag am Handy rum, ich bin schon von zwei Hunden angefallen worden und dann ist fast ein Typ auf mich draufgetreten.‘“

Chihuahuas sind Meister der Selbstverteidigung

Daher seien Chihuahuas Meister der Selbstverteidigung, fasst Bendel zusammen. „So ein kleiner Chihuahua geht jeden Abend ins Bett, macht drei Kreuze und sagt: ‚Danke, lieber Gott, dass ich diesen Tag überlebt habe. Ich musste hart dafür kämpfen, kläffen und bellen, damit mir alle vom Hals bleiben. Hoffentlich schaffe ich das auch morgen.‘“ Daher sind sich alle drei Experten über eine Sache einig: Halter, aber auch die Menschen im Allgemeinen, sollten mehr Rücksicht und Respekt gegenüber Chihuahuas aufbringen.

„Zunächst sollte man jeden Hund, egal welcher Größe, ernst nehmen“, fordert Katharina Marioth. „Der größte Fehler liege darin, dass viele Halter ihren Chihuahua als niedliches Spielzeug sehen und das Kindchenschema in ihm fokussieren“, erklärt Hundepsychologe Marc Ebersbach. Allerdings würden diese Halter ihr Haustier nicht als vollwertigen Hund sehen und mit der entsprechenden Verantwortung disziplinieren. „Denn diese Disziplin müsste von Menschen erbracht werden, der Hund würde sie lediglich spiegeln.“

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Viele Fehler in der Erziehung

Der Hund lerne in den ersten Monaten beim Menschen zwar viele Kunststückchen, wie „Gib Pfötchen“ oder „Mach mal Röllchen“, aber der Fokus liege nicht auf dem Training von Strukturen, situativen Abläufen, gegenseitigem Respekt oder Grenzsetzung. „Das ufert häufig auf beiden Seiten aus: Zum einen kommt der Hund erst mal als Welpe in die Familie und weil er so süß ist, darf er alles“, erklärt Ebersbach.

„Wenn er dann erwachsen ist, versteht er gar nicht, dass er nun gewisse Dinge nicht mehr darf und wird als übergriffig wahrgenommen.“ Aber auch viele Halter verhielten sich völlig übergriffig dem Hund gegenüber, weiß der Experte. „Sie heben ihn ohne Vorwarnung und ohne seine Körpersprache abzuwarten hoch oder stecken ihn unverhofft in die Tasche oder schubsen ihn einfach wortlos vom Sofa, was in dieser Form ohne vorherige Kommunikation einen hohen Stress bei diesen Hunden auslöst.“

Viele ärgern gerne kleine Hunde und provozieren sie

Hinzu käme dann oft auch noch die Lust vieler Menschen, solche kleinen Hunde ärgern zu wollen. „Also das aggressive Verhalten geradezu provozieren zu wollen“, erklärt der Hundepsychologe. Das liege in der ambivalenten Wahrnehmung der Hunde, die einerseits etwas Niedliches an sich haben, andererseits aber auch eine schon fast diabolische Ausstrahlung haben können, wenn sie denn mal wirklich aggressiv reagieren.

„Dieser Kontrast scheint viele Menschen auf eine perfide Art und Weise zu reizen. Gleichzeitig sind sie sich bewusst, dass die Gefahr, die dann am Ende tatsächlich von dem Hund ausgeht, relativ gering ist. Für viele Menschen ist diese Kombination fast schon eine Form von Entertainment, zum Leid der Hunde, die unter purem Stress stehen.“ So – sehr wahrscheinlich auch Niki – die Chihuahua-Hündin von Influencer Eviatar Ozer, die durch solche Videos traurige Bekanntheit erlangte. Solche Videos sollten Hundefreunde unbedingt vermeiden, sagt Katharina Marioth. Allein schon aus Tierschutzgründen.

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„Blockiert solche Creator und unterstützt das nicht!”

„Solche Inhalte generieren Reichweite, weil sie entweder lustig wirken oder polarisieren. Ich rate immer: Blockiert solche Creator und unterstützt das nicht.“ Wenn man in solchen Videos klar sehe, dass der Hund Stresssignale zeige, habe das nichts mehr mit Spiel zu tun, so die Hundeverhaltensexpertin. Dazu gehörten geweitete Augen oder auch sogenannte „Walfischaugen“, zählt Marioth auf. „Wenn vorher ein Freeze zu erkennen ist, hat das nichts mit Spiel zu tun. Egal, ob Chihuahua oder Rottweiler: Ein Hund, der Menschen schnappt, zeigt ein Verhalten, das nicht normal ist – auch nicht im Spiel!“

Chihuahuas seien eine unglaublich schlaue Rasse, fasst die Expertin zusammen. „Sie hatten früher eine Aufgabe – wie das Fangen von Ratten und Mäusen – und brauchen auch heute eine Beschäftigung, um glücklich zu sein. Es wäre ein guter Vorsatz, den Hunden die Möglichkeit zu geben, mit ihren Menschen zu arbeiten und nicht als bloße Begleiter oder Statussymbole behandelt zu werden.“

Themen #AmazonPets Hundeverhalten
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