5. Juli 2023, 15:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Huskys sind Memmen und Pitbulls kennen keinen Schmerz? Dass Hunde, abhängig von ihrer Rasse, ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Schmerzempfinden haben, bestätigen nun erstmals US-amerikanische Forscher. Dabei stellen sie fest, dass die dazu vorhandene Einordnung von Tierärzten zum Teil von ihren Ergebnissen abweicht. PETBOOK erklärt die Hintergründe.
Hunde sind individuell – auch in ihrem Schmerzempfinden. So läuft der eine noch Kilometer weiter, obwohl ein Dorn in der Pfote steckt. Ein anderer bleibt wie versteinert stehen und bewegt sich nicht vom Fleck, weil sich ein Blatt im Fell verheddert hat. Nun hat ein Forschungsteam der US-amerikanischen, staatlichen Universität von North Carolina erstmals wissenschaftlich belegen können, dass das Schmerzempfinden bei Hunden von der Rasse abhängt. Das Team um Erstautorin Rachel Caddiell untersuchte in der vorliegenden Studie 149 gesunde, erwachsene Hunde verschiedener Rassen.
Dabei gingen sie zum einen der Frage nach, ob verschiedene Hunderassen Schmerzen unterschiedlich stark wahrnehmen. Zum anderen wollten sie wissen, inwieweit dies mit der von Tierärzten und der breiten Öffentlichkeit geäußerten Einschätzungen übereinstimmt. Die Erkenntnisse dieser Studie sind erstaunlich, da sie den geäußerten Vermutungen von Experten zum Teil widersprechen. Zudem stellen die Forscher fest, dass auch das Temperament eines Hundes die Einschätzung seines Schmerzempfindens durch Menschen beeinflussen kann.
Übersicht
Schmerzempfinden von Hunden beruht auf Einschätzungen von Tierärzten
Hunde verschiedener Rassen unterscheiden sich in ihrem Schmerzempfinden. Darüber gibt es einen allgemeinen Konsens, der auf subjektiven Vermutungen von Tierärzten und der allgemeinen Öffentlichkeit beruht. Darauf verweist eine Studie aus dem Jahr 2020. In der in diesem Jahr im Wissenschaftsjournal „Frontiers in Pain Research“ veröffentlichten Studie gingen die Wissenschaftler einen Schritt weiter. Sie untersuchten, was an den geäußerten Vermutungen tatsächlich dran ist.
Margaret Gruen ist Co-Autorin und außerordentliche Professorin für Verhaltensmedizin an der staatlichen Universität von North Carolina. Sie erklärt dazu in einer Mitteilung der Universität: „Tierärzte sind sich in ihren Einschätzungen der Schmerzempfindlichkeit von Hunden verschiedener Rassen ziemlich einig, und diese Einschätzungen stehen oft im Widerspruch zu den Einschätzungen der Öffentlichkeit.“ Um zu neuen Erkenntnissen über das Schmerzempfinden bei Hunden zu gelangen, testete das Team zehn verschiedene Rassen. Zusätzlich gingen sie der Frage nach, ob die Einordnung der Hunderassen ein Ergebnis des Zusammentreffens zwischen Tierärzten und Hunden sein könnte. Sie untersuchten außerdem, ob das Verhalten des Hundes bei der Interaktion mit einem Tierarzt auf dessen Temperament zurückzuführen sein könnte.
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Druck- und Temperaturempfindlichkeit der Hunde im Test
Um das Schmerzempfinden bei Hunden verschiedener Rassen zu untersuchen, nutzte das Team Methoden der klinischen Humanmedizin. „Die Reaktivität auf äußere Reize ist ein Maß, das in der Neurologie und in Schmerzkliniken für Menschen häufig verwendet wird“, erklärt Co-Autor Duncan Lascelles in der Mitteilung der Universität zur Studie. Um die Messungen verwenden zu können, passte das Team diese für die zu untersuchenden Haushunde an. Basierend auf der subjektiven Einstufung des Schmerzempfindens von Hunden durch Tierärzte wählten sie zehn verschiedene Hunderassen zur Teilnahme aus. Chihuahua, Deutscher Schäferhund, Malteser und Sibirischer Husky als Hunde mit vermeintlich ausgeprägtem Schmerzempfinden. Ein durchschnittliches Schmerzempfinden wurde Border Collie, Boston Terrier und Jack Russel Terrier nachgesagt. Als gering schmerzempfindlich galten Golden Retriever, Labrador Retriever und Pitbull.
Mittels eines Druckwerkzeugs und einer Wärmesonde, die sie an die Hinterpfote jedes Hundes hielten, testeten die Wissenschaftler die Druck- und Temperaturempfindlichkeit jedes Hundes. Sobald die Tiere ihre Pfote bewegten, entfernten die Forscher die Gegenstände. Dieses Vorgehen führten sie fünfmal durch. Anschließend verglich das Team die vorliegenden Erkenntnisse zur Untersuchung des Schmerzempfindens der Hunde mit Fragebögen, auf denen Tierärzte und Personen der Allgemeinheit Angaben dazu gemacht hatten.
Temperament der Hunde unter Stress beobachtet
Um das Verhalten der Hunde besser einzuordnen, untersuchten die Forscher ihr Verhalten zudem unter Stress, der etwa bei einem Tierarztbesuch vorliegen kann. Zwei Tests der emotionalen Reaktivität sollten das Verhalten der Hunde bei der Konfrontation unbekannter Dinge oder „verärgerter“ Personen abbilden. Ein ausgestopfter, sich bewegender und Geräusche machender Affe diente dabei als neues Objekt. Die Hunde machten ebenfalls eine Erfahrung mit einem „verärgerten Fremden“, der in der Versuchssituation zunächst laut telefonierte, bevor der Hund bemerkt und herbeigerufen wurde.
Tierärzte ordnen Schmerzempfinden der Hunde zum Teil abweichend ein
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Hunde, wie vermutet, tatsächlich unterschiedliches Schmerzempfinden aufweisen. Es liegen somit zwar rassespezifische Unterschiede vor, diese entsprechen jedoch nicht immer der Einordnung von Tierärzten. So stimmen diese etwa im Hinblick auf eine kleine Hunderasse wie dem Malteser überein. Malteser neigen im Studienrahmen zu hoher Schmerzempfindlichkeit bei niedriger Schmerztoleranz. Demnach reagieren die Hunde schnell auf Druck- und Temperaturreize. Bei einer anderen Hunderasse, dem Sibirischen Husky, weichen die Ergebnisse dagegen von der Einschätzung der Tierärzte ab. So ordnen die Mediziner Tiere als hochempfindlich ein. Nach den Studienergebnissen ordnen die Forscher den Husky mit durchschnittlich bis hoher Schmerztoleranz jedoch eher dem Mittelfeld zu.
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Ergebnisse hilfreich für verbesserte tierärztliche Behandlungen
Neben den teils unstimmigen Einordnungen des Schmerzempfindens der Hunde kommen die Wissenschaftler zu einem weiteren Ergebnis. Sie stellen fest, dass Hunde, die sich im Test weniger auf das fremde Objekt in Form des Affen und den „verärgerten Fremden“ einließen, zum Teil eine geringere Schmerztoleranz aufweisen. Co-Autor Duncan Lascelles erklärt diesbezüglich in der Mitteilung der Universität: „Diese Verhaltensunterschiede könnten die unterschiedlichen Bewertungen der Tierärzte erklären, nicht aber die tatsächliche Schmerztoleranz der verschiedenen Rassen.“ Die Art und Weise, wie Hunde Fremde bzw. Tierärzte begrüßen, könnte ein Faktor dafür sein, wie ihr Schmerzempfinden eingeschätzt wird.
Lancelles weist außerdem darauf hin, dass die vorliegenden biologischen Unterschiede der Schmerzempfindlichkeit zwischen Hunderassen Grundlage weiterer Forschung sein sollten. Er ergänzt: „Jetzt können wir damit beginnen, nach möglichen biologischen Ursachen für diese Unterschiede zu suchen, was es uns ermöglichen wird, einzelne Rassen wirksamer zu behandeln.“ Künftige tierärztliche Behandlung von Hunden könnte sich mithilfe neuer Erkenntnisse nicht nur verändern, sondern auch verbessern lassen. Ebenso sollten nicht nur mögliche Schmerzen der Hunde bei ihrer Behandlung beachtet werden, sondern auch „die Angst des Hundes“ beachtet werden, erklärt auch Co-Autorin Margaret Gruen. Falsche Vorstellungen über das Schmerzempfinden der Hunde seien bedenklich, dass sie die Behandlung der Tiere auf Grundlage ihrer Rasse beeinflussen könnten.