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PETBOOK-Interview

Sozialpädagogin: »Ein Assistenzhund kann oft mehr erreichen als ein Mensch

Tatjana Kreidler ist Diplom-Sozialpädagogin und 1. Vorsitzende bei „Vita Assistenzhunde“, einem gemeinnützigen Verein, der sich auf die Ausbildung und Vermittlung von Assistenz- und Therapiehunden spezialisiert hat.
Tatjana Kreidler ist Diplom-Sozialpädagogin und 1. Vorsitzende bei „Vita Assistenzhunde“, einem gemeinnützigen Verein, der sich auf die Ausbildung und Vermittlung von Assistenz- und Therapiehunden spezialisiert hat Foto: Bjoern Kindler / VITA
Dennis Agyemang
Redakteur

12. August 2024, 11:42 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Assistenzhunde sollen Menschen mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen im Alltag unterstützen. Um ihre Ausbildung und Vermittlung kümmern sich meist Vereine. Einer davon ist Vita Assistenzhunde e. V. PETBOOK sprach mit der ersten Vorsitzenden Tatjana Kreidler über die Arbeit mit den Tieren und die Herausforderungen, die diese mit sich bringt.

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Bei Assistenzhunden denkt man als Erstes an Vierbeiner, die Menschen mit körperlichen Einschränkungen helfen, indem sie ihnen etwa die Tür öffnen oder Gegenstände reichen. Doch die Arbeit dieser Vierbeiner ist extrem vielfältig. Sie werden in Pflegeeinrichtungen und verschiedenen sozialen Projekten eingesetzt. Dort unterstützen die Tiere nicht nur Menschen mit Behinderungen, Depressionen oder Demenzerkrankungen und fördern die Interaktion sowie das Wohlbefinden der Betroffenen.

Aber worin liegt der große Erfolg der Hunde? Und was müssen diese mitbringen, um die vielen wichtigen Aufgaben zu erfüllen? PETBOOK sprach mit Tatjana Kreidler, der 1. Vorsitzenden bei „Vita Assistenzhunde e. V. Im Interview erklärt die Sozialpädagogin, was die Arbeit mit den Tieren so wertvoll macht.

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»Hunde öffnen Herzen und bringen Leichtigkeit in schwierige Situationen

Frau Kreidler, Sie bilden seit knapp 25 Jahren bei Vita Assistenzhunde e. V. vierbeinige Helfer für Menschen mit seelischer oder körperlicher Beeinträchtigung aus. Wie sieht der Alltag der Assistenzhunde bei ihnen aus?
„Unserer Hunde besuchen verschiedene Einrichtungen. Dabei füttern die Bewohner die Hunde etwa mit Leckerlis, geben Ihnen Wasser oder streicheln sie einfach nur. Das kann die motorischen Tätigkeiten fördern und macht die meisten auch sehr glücklich. Immer wieder können wir beobachten, dass sich Menschen, die sonst schwer erreichbar sind, gegenüber den Hunden öffnen und für einen Moment wieder an der Umwelt teilhaben. Die Beziehung zwischen Mensch und Hund, basierend auf Vertrauen und Geduld, spielt dabei eine wichtige Rolle. Zudem geben sind regelmäßigen Besuche der Hunde den Bewohnern etwas, worauf sie sich freuen können, und verleihen ihrem Alltag wieder einen kleinen Sinn.“

Bei Ihrer Arbeit gibt es sicherlich viele emotionale Momente. Welches Erlebnis ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
„Da fallen mir wirklich unzählige ein. Wenn wir uns auf die von uns ausgebildeten Hunde für tiergestützte Intervention beschränken, denke ich sofort an den Golden Retriever Valentin. Er ‚arbeitete‘ in einer Seniorenresidenz und besuchte eine Bewohnerin, die im Sterben lag. Sie wollte Valentin unbedingt noch einmal sehen.

Der Hund ging ins Zimmer, schnüffelte erst, schaute dann auf das Bett und stupste seine Schnauze unter die Hand und die Frau lächelte. Mit einem Satz sprang er hoch aufs Bett und die Bewohnerin streichelte ihn sanft und sagte: ‚Das ist nochmal einer meiner schönsten Momente und jetzt kann ich gehen.‘ Für mich war dieser Moment ein richtiger Gänsehautmoment und sehr emotional.“

„Ein Hund kann oft mehr erreichen als ein Mensch“

Kostet Sie die Arbeit nicht sehr viel Kraft?
„Tatsächlich ist es emotional sehr herausfordernd, aber auch sehr erfüllend. Es gibt viele Momente, in denen der Hund Menschen Trost spendet und Freude bringt. Aber auch immer mal wieder Situationen, die selbst für mich herausfordernd sind. Doch ich weiß, wie viel den Menschen das Zusammensein mit unseren Hunden bedeutet.

Ein Hund kann oft mehr erreichen als ein Mensch. Er öffnet Herzen und bringt Leichtigkeit in schwierige Situationen. Wenn ich sehe, wie viel Freude und Glück unsere Assistenz- und Therapiehunde den Menschen über viele Jahre hinweg schenken, dann weiß ich, dass es sich lohnt, so viel Energie in diese wahnsinnig wertvolle Arbeit zu stecken.“

„Mensch und Tier verständigen sich auf einer tiefen emotionalen Ebene, die von der Krankheit nicht betroffen ist“

Therapiehunde werden oft bei Menschen mit demenziellen Erkrankungen eingesetzt. Was genau können die Tiere bei ihnen bewirken?
„Ein Hund für tiergestützte Intervention ist ein großartiger Mittler, wenn sich demenziell erkrankte Menschen in ihre eigene Welt zurückziehen, zu der Pflegekräfte und Angehörige kaum noch Zugang finden. Hunde äußern ihre Zuneigung ganz direkt – durch Schwanzwedeln, Anstupsen oder Anschmiegen. Sie reagieren auf Berührungen, Gesten, Augenkontakt und andere nonverbale Signale und erfassen Stimmungen und Gefühle intuitiv. Mensch und Tier verständigen sich auf einer tiefen emotionalen Ebene, die von der Krankheit nicht betroffen ist.“

Haben sie dafür ein Beispiel?
„Den Hund stört es nicht, wenn ein Mensch immer wieder dieselben Dinge erzählt, wenn Worte unverständlich sind oder keinen Sinn ergeben. Seine Zuneigung ist unvoreingenommen, ehrlich und bedingungslos. Damit erfüllt er die ganz ursprüngliche Sehnsucht nach Nähe, Wärme, Trost, Zärtlichkeit, Bestätigung und Anerkennung.

Oftmals löst der vierbeinige Therapeut bei demenziell Erkrankten den Wunsch nach Fürsorge und Pflege aus, einem Bedürfnis, das tief im Gedächtnis verankert ist. Die Erfahrung, gebraucht zu werden, wichtig zu sein und eine sinnvolle Aufgabe zu haben, stärkt das Selbstwertgefühl der Betroffenen und ermuntert sie zur Aktivität. Durch ihr offenkundiges und unbefangenes Einfordern von Bedürfnissen sorgt ein Hund im Alltag für Struktur und Orientierung.“

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Bildet ihr Verein ausschließlich Labradore und Golden Retriever aus?
„Ja, denn beide Rassen eignen sich durch ihre natürlichen Anlagen hervorragend für die Arbeit mit Menschen, die seelisch oder körperlich beeinträchtigt sind. Es ist ihre Leichtführigkeit und ihr berühmter ‚Will to Please‘ – also ihr Bestreben, ihrem Menschen zu gefallen–, der dazu beiträgt, dass sich Golden und Labrador Retriever so gut für die Ausbildung zum Assistenz- und Therapiehund eignen.

Durch ihr ausgeglichenes Temperament passen sie sich schnell unterschiedlichsten Situationen an. Sie sind weder aggressiv noch nervös oder ängstlich, sondern fröhlich und lebhaft und nehmen mit viel Gelassenheit und Sanftmut am Leben ihrer zweibeinigen Partner teil.“

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„Die Teams, die ich ausbilde, bleiben meist ein Hundeleben lang zusammen“

Wie lange arbeiten die Hunde in diesem Bereich? Bis zu welchem Alter?
„Das hängt natürlich vom Hund ab. Ein Hund wie Valentin war auch mit zwölf Jahren noch aktiv, wenn seine Einsätze auch weniger wurden. Er besuchte Leute in der Seniorenresidenz, die er mochte, holte sich ein Leckerli oder ausgiebige Kuscheleinheiten ab.

Es ist wichtig, denn Hund genau zu beobachten und zu erkennen, wie viel Freude er am Zusammensein mit den Menschen empfindet und welche Aufgaben er noch mit Spaß bewältigt. Die Teams, die ich ausbilde, bleiben meist ein Hundeleben lang zusammen. Wenn der Hund älter wird, kümmern sich die Menschen weiter um ihn, denn er ist ja Teil der Familie.“

Wie wichtig ist die Unterstützung von Sponsoren wie Fressnapf?
„Unser Verein finanziert sich ausschließlich durch Sponsoren, Spenden und Dauerspender und erhält weder öffentliche Förderungen noch Zuschüsse von Krankenkassen. Daher ist die Zusammenarbeit mit Fressnapf für uns sehr wichtig. Seit über zehn Jahren ist das Unternehmen einer unserer wichtigsten Sponsoren und Partner. Ohne Fressnapf könnten wir weit weniger Menschen mit einem Vita-Assistenz- bzw. Therapiehund unterstützen und ihnen so zu mehr Selbstständigkeit und Lebensqualität verhelfen.“

Themen #AmazonPets Interview
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