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Hundepsychologin gibt Rat

Trauma beim Hund erkennen und behandeln

Auch Hunde können im Laufe ihres Lebens Traumata erleiden, die im Zweifelsfall das Leben der Tiere in vielen Situationen beeinflussen
Auch Hunde können im Laufe ihres Lebens Traumata erleiden, die im Zweifelsfall das Leben der Tiere in vielen Situationen beeinflussen Foto: Getty Images

13. November 2024, 6:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Auch Hunde können so traumatische Erlebnisse haben, dass diese sie nachhaltig in ihrem Verhalten beeinflussen. Doch woran erkennt man eigentlich ein Trauma beim Hund und wie behandelt man es? PETBOOK fragte bei einer Tierpsychologin nach.

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Hunde sind sehr sensible Tiere. Sie lesen permanent die Stimmung von uns Menschen und reagieren mal freundlich verstärkend, mal indem sie uns aus dem Weg gehen. Eben gerade so, wie sie meinen, uns in der Situation am besten unterstützen zu können. Doch gerade, weil Hunde so feinfühlig sind, können negative Emotionen und belastende Situationen tiefe Spuren bei ihnen hinterlassen.

Trauma beim Hund? Ein Beispiel aus der Praxis

Bekannte von mir haben einen Hund aus dem Tierheim. Der Hund – nennen wir ihn „Charly“ – war zwar noch recht jung, als sie ihn zu sich nahmen; er hatte aber schon ein gewisses Alter und war kein Welpe mehr. Was Charly vor seinem Leben im Tierheim erlebt hat, konnte man meinen Bekannten vorab nicht sagen. Man vermutete, dass Charly aus dem Ausland – vermutlich aus Polen – kam, und mit einem Transport hierher geholt worden war.

Als meine Bekannten ihn zu sich holten, wirkte Charly sehr glücklich. Er verhielt sich zutraulich, war meinen Bekannten und anderen Hunden gegenüber sehr aufgeschlossen und allgemein ein relativ „unkomplizierter“ Hund. Nur eine Sache machte Charly Probleme: Er hatte tierische Angst vor dem Autofahren.

Wenn meine Bekannten das Auto holten und Charly in den Kofferraum heben wollten, fing er ängstlich an zu zittern und machte sich steif wie ein Brett. Meine Bekannten scherzten anfangs, der Hund habe eine „Verladeschwäche“. Erst als Charly sich in den ersten gemeinsamen Fahrten im Auto übergeben musste, wurde deutlich, dass hinter dem Zittern ein größeres Problem steckte. So wie es aussah, hatte Charly sehr negative Erfahrungen beim Autofahren gesammelt.

Wie entsteht ein Trauma beim Hund? 

Genau wie wir Menschen können auch Hunde Traumafolgestörungen entwickeln. Gründe dafür können Unfälle, eine mangelnde Sozialisierung oder auch negative Erfahrungen in einer Hundebox sein. „Traumata können aus ganz plötzlichen Situationen entstehen, wie zum Beispiel durch Beißattacken von Artgenossen“, sagt Tierpsychologin Sarah-Lena Jaudzin aus Horstedt OT Stapel.

Wenn ein Hund über längere Zeit Angst, Stress oder Gewalt ausgesetzt ist, kann dies zu massiven psychischen Belastungen führen, die sich als Verhaltensstörungen oder in schwerwiegenden Fällen sogar als Trauma manifestieren. Oft sind die Ursachen vielfältig und können von Vernachlässigung über körperliche Misshandlungen bis hin zu plötzlichen Schocksituationen reichen. Ein Trauma kann auch entstehen, wenn der Hund in der Vergangenheit stark belastenden Situationen ausgesetzt gewesen ist, ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben wurde, diese angemessen zu verarbeiten.

So können Unfälle, der Verlust eines Besitzers oder eine belastende Situation mit einem Artgenossen ihre Spuren hinterlassen. Traumata wirken tief in das Verhalten des Hundes
hinein und können im Alltag zu erheblichen Problemen führen.

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Wie erkenne ich ein Trauma beim Hund?

„Traumatisierte Hunde zeigen oft Meideverhalten in Bezug auf Artgenossen oder entwickeln starke Ängste oder Aggressionen nur beim Erblicken eines Hundes“, sagt Sarah-Lena Jaudzin, „manchmal kann man genau beobachten, dass im Kontakt mit dem fremden Hund und dem traumatisierten Hund vorerst alles gut ist. Aber schon eine einzige Bewegung, Geste oder ein Geräusch vom Fremdhund oder Hundehalter, können das Trauma wieder auslösen.“

Hunde, die ein Trauma erlitten haben, stehen ihrer Umgebung oft eher ängstlich und misstrauisch gegenüber. Das Trauma selbst zeigt sich dann in bestimmten Situationen; im Fall von Charly, dem Hund meiner Bekannten, beispielsweise beim Autofahren. Die Symptome waren hier recht deutlich zu erkennen: ein starrer Körper, ausgeprägtes Zittern. Symptome eines Traumas können aber auch anders aussehen. Weitere mögliche Symptome sind unkontrollierbares Bellen, Aggression, übermäßiges Hecheln oder auch das zwanghafte Knabbern an den Pfoten.

Manche Hunde wirken apathisch oder ziehen sich stark zurück. Dieses Verhalten ist ein Schutzmechanismus, um nicht erneut mit den traumatischen Erlebnissen konfrontiert zu werden. Jedes Trauma ist individuell und so können auch die Reaktionen von Hund zu Hund unterschiedlich ausfallen.

Wie behandelt man ein Trauma beim Hund?

„Ein Trauma behandele ich häufig mit der Hilfe souveräner Artgenossen und mit einer sehr schonenden Desensibilisierung am Reiz, mit anschließender Gegenkonditionierung – sprich die traumatische Situation wird quasi im Gehirn neu programmiert, abgespeichert und als nicht schlimm oder sogar positiv empfunden“, sagt Hundepsychologin Sarah-Lena Jaudzin.
Ganz wichtig dabei sei, dass die Halter des traumatisierten Hundes selbstsicher sind. „Sie müssen der sichere Hafen des Hundes sein“, sagt Sarah-Lena Jaudzin.

In ihrer Arbeit als ganzheitliche Hundepsychologin legt Sarah-Lena Jaudzin bei der Arbeit mit Verhaltensstörungen und Trauma zudem einen großen Wert auf die Ernährung. „Wenn ich dem Darm und dem Gehirn ‚gutes Futter‘ gebe, um besser auf Reize reagieren und sie verarbeiten zu können, kann man ganzheitlich sehr viel und vor allem schneller beim traumatisierten Hund erreichen“, sagt Sarah-Lena Jaudzin.

Eine Traumabehandlung erfordert viel Geduld und Fingerspitzengefühl

Die Behandlung eines Traumas bei Hunden erfordert viel Geduld, Einfühlungsvermögen und vor allem Zeit. Jeder Hund verarbeitet traumatische Erlebnisse auf seine eigene Weise und in seinem eigenen Tempo. Während manche Hunde schneller Fortschritte machen, benötigen andere möglicherweise mehr Unterstützung. Der erste Schritt in der Behandlung besteht darin, den Hund in stressfreien Umgebungen zu stabilisieren und ihm Sicherheit zu geben. Es ist wichtig, dass der Hund sich geschützt fühlt und keine zusätzlichen Ängste entwickelt.

In schweren Fällen oder bei besonders tief sitzenden Traumata ist es ratsam, einen professionellen Hundetrainer oder Verhaltensspezialisten hinzuzuziehen. Diese Experten können gezielte Techniken anwenden, um den Hund behutsam an die angstauslösenden Situationen heranzuführen. Eine dieser Methoden ist das sogenannte Desensibilisierungstraining, bei dem der Hund in kleinen, kontrollierten Schritten mit dem Trauma-Auslöser konfrontiert wird, ohne jedoch dabei überfordert zu werden. Ein weiteres bewährtes Verfahren ist die Gegenkonditionierung, die auch von Sarah-Lena Jaudzin angewendet wird.

Zusätzlich zur professionellen Unterstützung können auch natürliche Mittel wie Bachblüten oder beruhigende Kräuterpräparate hilfreich sein, um dem Hund Stress und Angst zu nehmen. Es ist jedoch immer wichtig, dies mit einem Tierarzt abzusprechen, um sicherzustellen, dass die Mittel gut vertragen werden und keine negativen Auswirkungen haben.

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Fazit

Hunde können, genau wie wir Menschen, Traumata aufgrund von belastenden Situationen entwickeln. Dabei können die Symptome sehr unterschiedlich sein. Manche Hunde wirken sehr aufgeregt, zittern und versuchen die belastende Situation unbedingt zu vermeiden. Andere Hunde sind apathisch und ziehen sich zurück. Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Hund an einem Trauma leiden könnte, seien Sie geduldig und nehmen Sie Rücksicht. Am Trauma können Sie zusammen mit einem Hundetrainer oder -psychologen arbeiten.

Themen #platinum Hundeverhalten
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