27. Februar 2024, 13:46 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Hunde sind für die meisten Halter nicht nur Haustiere, sondern vollwertige Familienmitglieder, die über mehrere Jahre mit ihnen eng zusammenleben. Daher hinterlässt der Tod des Vierbeiners oft ein tiefes Loch im Leben der Hinterbliebenen. Doch ist es gesund, sich einen Hund zuzulegen, der an den alten erinnert? PETBOOK-Redakteur Dennis Agyemang berichtet von seinen Erfahrungen.
Der Verlust meines Windhundmischlings Splash war für mich ein schwerer Schicksalsschlag. Zum einen war er mein erster Hund und zum anderen standen wir uns sehr nah, da wir viel Zeit zusammen verbracht haben und ich ihn fast überall hin mitgenommen habe. Allerdings war mir immer klar, dass ich mir irgendwann wieder einen Hund holen möchte. Etwa ein Jahr später ergab sich die Möglichkeit, mir mit einem Bekannten den Hund zu teilen. Er wollte sich in einer Art Co-Parenting seine French-Bulldog-Dame Clashy mit mir teilen. Ich ließ mich darauf ein, verglich jedoch beide Hunde immer wieder im Geiste miteinander.
„Warum kannst du nicht einfach wie Splash sein?“
Clashy sollte die eine Hälfte der Woche bei ihm verbringen und die andere bei mir. Die ersten Male bei mir Zuhause verhielt sich die pubertierende Clashy gelinde gesagt wie die Axt im Wald: Sie kaute alles an, blieb beim Gassigehen einfach grundlos stehen und ließ sich nicht weiterbewegen, reagierte bei jedem Geräusch im Treppenhaus mit hysterischen Bellen. Aber das schlimmste: Sie hörte absolut nicht auf mich und meine Kommandos – obwohl sie die eigentlich alle perfekt beherrscht.
Ich erinnere mich noch, wie ich total erschöpft auf der Couch saß, meinen Blick durch das verwüstete Wohnzimmer schweifen ließ und traurig dachte: „Warum kannst du nicht einfach wie Splash sein?“ Oder noch besser: „Warum kannst du nicht tatsächlich Splash sein?“ Denn von diesem ruhigen, verschmusten und humorvollen Windhund hatte dieses aufgedrehte „Pubertier“ absolut gar nichts. Ganz im Gegenteil: Ich fragte mich ernsthaft, ob das mit uns beiden überhaupt was werden könne. Natürlich ist mir sehr bewusst, dass man Lebewesen – ganz egal, ob Menschen oder Hunde – nicht miteinander vergleichen kann und auch nicht sollte.
Ein neuer Hund kann helfen, schneller über die Trauer hinwegzukommen
Doch dass diese Gedanken sich immer mal wieder bei Haltern einschleichen können, ist nichts Ungewöhnliches, sagte mir TV-Hundetrainer André Vogt im Gespräch. In seinem Berufsalltag sehe er häufig Halter, die ihren neuen Hund mit dem alten vergleichen. „Es gibt einmal die Menschen, denen es hilft, über diesen Verlust hinwegzukommen, indem sie sich relativ schnell einen neuen Hund anschaffen. Das finde ich auch in Ordnung.“
Es gebe aber auch die Leute, die dies nicht könnten und jahrelang Probleme hätten oder anfangen, den neuen Hund mit dem alten zu vergleichen. Dadurch könnten in der Beziehung ernsthafte Probleme entstehen, weiß Vogt. Hinter diesem Vergleichen der beiden Tiere stehe oft eine nicht abgeschlossene Trauerbewältigung, erklärt mir auch der Berliner Psychologe Caner Aygün: „Dieses Vergleichen ist oft eine Ersatzhandlung und entspricht dem Wunsch, dass es nicht zum Verlust des Hundes gekommen ist. Dieser Wunsch entspringt einer Seele, die eine Trauerbewältigung nicht geschafft hat, die vielleicht nicht akzeptieren möchte, dass der Hund nicht mehr existiert.“ Es gehe quasi darum, das Loch, welches durch den Verlust des Tieres im Herzen entstanden ist, zu stopfen, erklärt der Experte.
„Die Empfehlung ist, auf keinen Fall zu sagen: ‚Hol dir keinen Hund!‘“
Es sei aber nicht grundsätzlich schlecht, sich einen neuen Hund zu holen, erklärt Caner Aygün.
„Die Empfehlung ist da auf keinen Fall zu sagen: ‚Hol dir keinen Hund‘, sondern erst adäquat eine Trauerbewältigung stattfinden zu lassen, indem man sich wirklich die Zeit zum Trauern nimmt.“ Denn oft spielten hier auch unterbewusste Schuldgefühle eine tragende Rolle. „Das sind versteckte Schuldgefühle: Hätte ich ein besserer Hundehalter sein können? Hätte ich den Tod verhindern können? Habe ich die Entscheidung zu früh oder zu spät getroffen? Etc.“
Es sei wichtig, sich vor Augen zu führen, dass man nach besten Wissen und Gewissen gehandelt habe. „Man sollte sich auch sagen: ‚Ich habe diesem Tier ein wunderschönes Leben ermöglicht. Diese Zeit ist nun mal begrenzt und das habe ich zu akzeptieren.‘“
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Ein neuer Lebensabschnitt mit einem neuen Hund
Sollte man sich wieder bereit dazu fühlen, einen neuen Hund in sein Leben und somit auch in sein Herz zu lassen, dann sei ein bewusster Neustart wichtig, erklärt Aygün weiter. „Also nachdem ich einen Hund verloren habe und die Trauer bewältigt habe und mir jetzt einen neuen Hund hole. Dies ist ein neuer Lebensabschnitt mit einem neuen Tier, aber auch mit einem neuen Selbst. Denn auch ich habe mich durch die Trauer weiterentwickelt.“
Das kann auch André Vogt mit seiner Expertise als Hundetrainer unterschreiben: „Manche Leute brauchen einfach Zeit und die sollte man sich auch geben. Wenn ich einfach merke: ‚Ich bin auch noch nicht so weit‘, dann ist so ein Schnellschuss oft auch nicht ratsam.“
Stattdessen empfiehlt der Experte verwitweten Haltern eher zu warten, bis es ihnen besser geht. „Dann lieber warten, bis es einem wieder gut geht, man vom Kopf her klar ist und sagen kann: ‚Das sind zwei völlig verschiedene Individuen.‘“ Jeder Hund sei anders – so, wie es auch Menschen sind und das müsse man auch verinnerlichen. „Jeder hat seinen eigenen Charakter, seine eigenen Bedürfnisse. Und dementsprechend muss ich das auch im Kopf trennen. Und dann klappt das, glaube ich, ganz gut“, so Vogt.
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Darf der neue Hund dem alten optisch ähneln?
Daher sein Tipp an hinterbliebene Hundehalter mit Hundewunsch: „Ich würde darauf achten, dass ich den neuen Hund nicht danach aussuche, ob er dem alten Hund ähnlich ist – also Rasse, Aussehen oder andere Eigenschaften. Sondern man sollte versuchen, einen ganz anderen Hund zu nehmen und sich auch im Kopf frei zu machen.“
Diese Ansicht teilt Psychologe Caner Aygün aber nur bedingt. „Wenn der Hund, der von mir gegangen ist, z. B. ein Windhund war, dann kann man nicht davon ausgehen, dass, wenn ich mir jetzt einen neuen Windhund hole, das zwangsläufig bedeutet, dass ich mit dem alten nicht abgeschlossen habe.“
Daher dürfe keine Vorverurteilung stattfinden, mahnt der Psychologe. Immerhin müsse auch bedacht werden, dass es Menschen gebe, die besonders gut mit bestimmten Rassen klarkämen oder ein bestimmtes Aussehen schätzen. Wichtig fände er hingegen, dass die Betroffenen ihre Trauer bewältigt hätten und bereit seien, mit dem neuen Hund in einen neuen gemeinsamen Lebensabschnitt zu starten.