3. April 2024, 10:43 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Ob im Spiel mit anderen Hunden oder unerwarteterweise auf einer Familienwiese, bei einer Begegnung mit unbekannten Menschen: Wenn Hunde schnappen, ist das für viele oft ein großer Schreck. Wie ist das Schnappen zu verstehen, wie geht man damit um und wie gewöhnt man dem Hund das Schnappen wieder ab? PETBOOK sprach darüber mit den Hundetrainern André Vogt und Steve Kaye.
Wenn ein Hund schnappt, kann das auf manche sehr dramatisch wirken. Als ich klein war, hatte meine Tante einen Hütehund, Bosse, den sie zu sämtlichen Familienfeiern, Geburtstagen und Weihnachten regelmäßig mitnahm. Eines der Weihnachtsfeste sollte das letzte sein, bei dem der Hund mitfeiern durfte. Grund war mein kleiner Cousin, das Kind des Bruders meiner Tante, der gerade angefangen hatte, selbst zu gehen und plötzlich losjaulte: „Mama, Mama, Bosse hat mich gebissen.“
Mein Cousin hatte gnadenlos übertrieben, denn Bosse, der Hund meiner Tante, hatte ihn weder gebissen noch sonst in irgendeiner Weise verletzt. Was aber stimmte, war, dass Bosse in die Luft geschnappt und meinem Cousin so einen Riesenschrecken eingejagt hatte. Man mag nun darüber fachsimpeln, ob es übertrieben oder gemein ist, dass Bosse von da an Weihnachten allein zu Hause bleiben musste. Meine Familie hatte sein Warnsignal sehr ernst genommen.
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Was ist schnappen?
Wenn ein Hund schnappt, fasst er die Zähne beziehungsweise das Maul in einer raschen Bewegung zusammen. Dabei bekommt der Hund nicht immer etwas zu fassen – oft wird nur nach der Luft geschnappt – was auch so beabsichtigt ist. Beim Zuschnappen fasst der Hund mit offenem Mund nach seinem Gegenüber. Die Zähne werden dabei nicht gezielt eingesetzt.
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Schnappen erkennen
Bevor es zum Schnappen kommt, zeigt der Hund vorher an, dass er sich unwohl fühlt. Das kann der Hund zum Beispiel durch Knurren oder die Körpersprache zeigen. Die Körpersprache wirkt vorher angespannt und die Ohren sind dabei oft angelegt. Manche Hunde versetzen einem vorher auch einen Schnauzenstoß: Dabei stößt der Hund mit geschlossenem Maul sein Gegenüber an. Wird dann nicht reagiert, kommt es zum sogenannten Abschnappen.
Beim Abschnappen schnappt der Hund in die Richtung seines Gegenübers, allerdings knapp daran vorbei. Diese Warnung ist die letzte Warnung. Erfolgt dann keine Reaktion, schnappt der Hund zu. Beim Schnappen sind die Zähne unbeteiligt; diese kommen erst beim „Zwicken“ ins Spiel. Werden die Beschwichtigungssignale am Anfang nicht erkannt, oder wird nicht rechtzeitig darauf reagiert, kann es passieren, dass sich beim Schnappen für den Hund ein Erfolgserlebnis einstellt: Schnappt der Hund, wird er in Ruhe gelassen und hat so erreicht, was er wollte. Wenn das passiert, greift der Hund in der Folge noch schneller zum Mittel des Schnappens, um sich Gehör zu verschaffen. Für den Hundehalter ist dies dann mit einer Menge Arbeit verbunden, die nötig ist, um ihm das falsche Verhalten abzugewöhnen.
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Wieso schnappen Hunde?
„Zuerst sollte man verstehen: Wenn ein Hund schnappt, ist das kein Fehlverhalten, sondern Kommunikation“, sagt Hundetrainer Steve Kaye. Das Verhalten sei nicht pauschal ein Problemverhalten. „Aggression ist immer auch Kommunikation“ erklärt Steve Kaye. „Man muss sich fragen: Was ist passiert, dass der Hund diese Sprache spricht?“
Hunde schnappen, um zu zeigen, dass sie Abstand wollen und ihnen etwas zu viel ist. Das kann das Verhalten von Menschen sein, der Hund will möglicherweise seine Ressourcen verteidigen oder Ruhe.
„Nehmen wir mal als Beispiel, man hat übergriffige Kinder, die dem Hund ständig hinterherlaufen, ihn anfassen und einfach zu viel von ihm wollen. Dann muss ich das abstellen“, sagt Steve Kaye. Jeder Hund habe eine eigene Individualdistanz und ein Recht auf Ruhe. Schnappen sei ein komplexes Thema und verlange sowohl Verständnis als auch professionelle Hilfe. Im Falle von letzterem helfe ein Hundetrainer dabei herauszufinden, was der Grund in der Situation war, erklärt TV-Hundetrainer André Vogt gegenüber PETBOOK.
„So ein Vorfall heißt übrigens nicht, dass das jetzt immer wieder passieren wird, sondern man kann das in der Regel auch ganz gut in den Griff bekommen. Man muss sich nur die Frage stellen, warum ist das passiert?“ Dabei müsse auch das eigene Verhalten hinterfragt werden. Wirklich problematisch werde es nur, „wenn der Hund merkt, dass er mit diesem Verhalten Erfolg hat“, so Vogt weiter.
„Angenommen, der Hund liegt auf der Couch. Du möchtest dich dazu setzen, aber er beansprucht die Couch und schnappt nach dir, weil du dich da auch hinsetzen willst. Du gehst weg, wirst unsicher, weil du denkst: ‚Was ist denn mit dem Hund los? Das habe ich noch nie erlebt. Ich will nicht gebissen werden.“ Das sei ein „Riesenerfolg“ für diesen Hund, erklärt Vogt. „Er wird diese Taktik wahrscheinlich auch in anderen Situationen anwenden. Man muss aber auch sagen: Schnappen ist nicht gleich schnappen!“
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Mögliche Gründe für das Schnappen
Schnappen sowie Zwicken sind Abwehrhandlungen und dienen der Verteidigung. Hunde schnappen also dann, wenn sie sich bedroht oder unsicher fühlen und sie sich nicht in der Lage sehen, der Situation auf friedliche Art und Weise zu entkommen.
- Viele Hunde schnappen, wenn sie ihre Ressourcen bedroht sehen, etwa aus Futterneid, oder wenn ihnen ein Spielzeug weggenommen wird.
- Auch Schmerzen und Erkrankungen können der Grund für ein unvorhergesehenes Schnappen sein. Hier versucht der Hund, seine Grenzen zu verteidigen.
- Allgemein versuchen Hunde durch Schnappen ihre Grenzen aufzuzeigen. Das Schnappen ist ein Warnsignal, mit dem Ihr Hund seine Grenzen zu verteidigen versucht.
- Damit Ihr Hund nicht schnappt, sollten Sie ihn keinen belastenden Situationen aussetzen.
- Hat Ihr Hund nach einem anderen Hund geschnappt, sollten Sie hier zukünftig Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Bitten Sie andere Hundehalter, Hunde an der Leine fernzuhalten. Mit Hundetraining können Sie das Problem in den Griff bekommen.
Schnappen sollte als Warnsignal ernst genommen werden. Sie tun Ihrem Hund so einen Gefallen, denn letztlich versucht er mit dem Schnappen nur zu kommunizieren, dass er sich – aus welchen Gründen auch immer – überfordert fühlt.
Sollte es zu einem Schnappen oder sogar einem Biss gekommen sein, empfiehlt André Vogt betroffenen Haltern zu professioneller Hilfe und möchte Mut machen: „Man hört ja immer: Wenn ein Hund einmal beißt, dann kriegt man das nie wieder weg, dann macht er das immer wieder. Da kann ich aus Erfahrung sagen, das ist nicht so.“
Fazit: Wenn ein Hund schnappt, versucht Ihr Hund damit, seine Grenzen zu verteidigen. Das Schnappen ist für ihn ein Mittel, um zu zeigen, dass er sich bedroht fühlt und der Situation entkommen will – Sie sollten ihn deshalb nicht bestrafen, sondern zunächst versuchen, zu verstehen, was Ihr Hund mit seinem Verhalten erreichen will. Damit das Schnappen nicht zur Gewohnheit wird, sollten Sie Ihren Hund gut beobachten und bedrohliche Situationen rechtzeitig deeskalieren. Hat Ihr Hund dennoch geschnappt, sollten Sie sich am besten in einem Hundetraining Hilfe holen.
Meine Erfahrungen
„Aktuell bin ich dabei einen Hund kennenzulernen, den ich mir eventuell in einer Art Dog-Sharing mit einer weiteren Person teile. Als dieser Hund, eine französische Bulldogge, die gerade mitten in der Pubertät steckt, das erste Mal alleine mit mir Zuhause war, kam es zu einem Schnapp-Vorfall. Als ein Paketbote an meiner Tür klingelte, zeigte Clashy nicht nur laut bellend den ‚Eindringling‘ an, sondern stürmte auch sofort zur Tür. Um zu verhindern, dass sie, sobald ich die Tür öffne, ins Treppenhaus rennt, habe ich versucht sie in die Küche zu bewegen. Doch da sie nicht auf mich hörte und auch keinerlei Anstalten machte von der Tür wegzugehen, schnappte sie nach mir als ich versuchte sie hochzuheben. Für mich ein großer Schock, da ich diese Reaktion nicht habe kommen sehen. Es ging alles sehr schnell und wir beide kannten uns auch noch kaum. Nun arbeiten wir mit einem Hundetrainer daran, damit sich sowas nicht noch einmal wiederholt.“– Dennis Agyemang, Redakteur bei PETBOOK