1. Juli 2024, 11:09 Uhr | Lesezeit: 14 Minuten
In Deutschland werden bestimmte Hunderassen als Listenhunde bezeichnet. Das beruht auf der Annahme, dass sie verglichen mit anderen Hunden als aggressiver und gefährlicher gelten. Umgangssprachlich werden die Tiere auch „Kampfhunde“ genannt. PETBOOK zeigt eine Übersicht nach Bundesländern und verrät, was Hundetrainer von den Regelungen halten.
Im Jahr 2000 wurde im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ein sechsjähriger Junge von zwei sogenannten „Kampfhunden“ totgebissen, wie der „Spiegel“ damals berichtete. Dieser Vorfall war kein Einzelfall und die deutsche Politik reagierte daraufhin mit strikteren Vorschriften zur Hundehaltung. Daher listet das seit 2001 geltende Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz (HundVerbrEinfG) Hunderassen auf, die als gefährlich eingestuft wurden. An diesem Gesetz orientiert sich der Großteil deutscher Bundesländer und führt eigene Rasselisten. Vier der Bundesländer haben diese mittlerweile jedoch abgeschafft, denn die Thematik ist unter Haltern und Experten umstritten.
Übersicht
- Was genau steckt hinter der Bezeichnung Listenhund?
- Wie wird entschieden, ob eine Rasse als Listenhund gilt?
- Was gilt, wenn man einen Listenhund halten möchte?
- Übersicht der Listenhunde in deutschen Bundesländern
- Sind Listenhunde automatisch gefährlich?
- Tierärztin und Forschung sehen den Halter und nicht die Rasse als Problem für aggressives Verhalten
Was genau steckt hinter der Bezeichnung Listenhund?
Der rechtliche Begriff Listenhund bezieht sich auf die Rasselisten, die es in den meisten deutschen Bundesländern gibt. Umgangssprachlich werden Listenhunde auch als „Kampfhunde“ bezeichnet. Den Tieren wird nachgesagt, sie seien aufgrund ihrer Gene aggressiv und gefährlich. Das liegt auch an den Vorfahren der Hunde, die häufig Bulldoggen und Terrier waren und beispielsweise für Tierkämpfe gegen Bullen oder Bären gezüchtet wurden.
Tierkämpfe haben ihren Ursprung in Großbritannien. Dort ließ man Hunde gegen Bären oder Stiere kämpfen. Im Jahr 1835 kam es zu einem Verbot, sodass Kämpfe zwischen Hunden populärer wurden. Die ersten Einwanderungswellen in die USA brachten auch diese grausame Attraktion mit sich. Dort entstanden aus Nachkommen von Bulldoggen- und Terrier-Kreuzungen die heutigen Rassen American Staffordshire Terrier und American Pitbull Terrier. Diesen beiden Hunderassen stehen auf den Rasselisten aller Bundesländer mit Liste.
Wie wird entschieden, ob eine Rasse als Listenhund gilt?
Einzelne Tiere bestimmter Hunderassen oder aus ihnen hervorgegangene Kreuzungen haben in der Vergangenheit Menschen schwer verletzt. Daher unterliegt die Haltung dieser Hunderassen besonders strengen Auflagen. Welche Hunderassen das primär sind, wurde 2001 in Deutschland mit dem Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz (HundVerbrEinfG) festgelegt. Dieses besagt, dass folgende vier Hunderassen weder nach Deutschland mitgebracht noch eingeführt, gezüchtet oder gehandelt werden dürfen:
- Hunde der Rassen American Pitbull Terrier
- American Staffordshire Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- Bullterrier und deren Kreuzungen
Neben den vier genannten Rassen werden auch andere Hunde als Listenhunde eingestuft. Begründet wird das mit dem kräftigen und muskulösen Körperbau oder mit dem gefährlichen Verhalten, das sie gegenüber Menschen und anderen Tieren zeigen können.
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Was gilt, wenn man einen Listenhund halten möchte?
Wer einen Listenhund halten will, muss mit unterschiedlichen und vielfältigen Auflagen rechnen. Diese sind abhängig vom jeweiligen Bundesland. So muss der Halter dies in den meisten Bundesländern sofort amtlich melden. Auch ein Sachkundenachweis, der sogenannte „Hundeführerschein“, ist in einigen Bundesländern verpflichtend. Ob Mieter einen Listenhund halten dürfen, kann sogar durch den Vermieter entschieden werden.
Weitere mögliche Auflagen sind die Vollendung des 18. Lebensjahres sein oder die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses. Auch die Maulkorb- und Leinenpflicht ist bei Hunden, die älter als sechs Monate sind, vielerorts vorgeschrieben. Ebenso wie der Abschluss einer Hundehaftpflichtversicherung und das Bestehen eines Wesenstests.
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Was ist ein Wesenstest?
Der Wesenstest ist ein Verhaltenstest, den Tierärzte, das Ordnungs- oder Veterinäramt bei Hunden durchführen. Darin prüfen sie, ob ein Hund auf seinen Halter hört und ob von dem Tier eine hohe Aggressivität ausgeht. Der Wesenstest gilt als ein Beleg dafür, dass von einem Hund keine auffällige Gefahr ausgeht. Auch für Hunde, die keine Listenhunde sind, die aber trotzdem aggressives Verhalten gezeigt haben, kann der Wesenstest verpflichtend werden. Der Wesenstest gilt in diesem Fall sowohl für Rassehunde als auch für Mischlinge.
Wie hoch ist die Hundesteuer für einen Listenhund?
Die Höhe der Hundesteuer, die Hundehalter tragen müssen, ist abhängig von der zuständigen Gemeinde und dem Bundesland. Oft müssen Halter die Steuer für Listenhunde jedoch teurer bezahlen als die anderer Hunderassen.
In München beispielsweise zahlen Halter für den Ersthund 100 Euro Hundesteuer jährlich, während für einen Listenhund 800 Euro anfallen. Ähnlich ist es Rheinland-Pfalz, dort kosten Listenhunde sogar 1000 Euro jährlich. Daher haben Halter von Listenhunden bereits mehrmals versucht, gegen die hohen Beträge zu klagen – bisher ohne Erfolg. Ein vermeintlich zu hoher Steuersatz wurde gerichtlich bisher zurückgewiesen, zum Beispiel durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Dort wurde entschieden, dass Kosten von 1.000 Euro dem Haltungskostenaufwand eines Listenhundes entsprechen. Zudem liege der Betrag im Rahmen des bundesdurchschnittlichen Vergleichs, wie das Gericht in Rheinland-Pfalz urteilte.
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Übersicht der Listenhunde in deutschen Bundesländern
Bundesweit herrscht ein gewisser Konsens, was die Haltung von Listenhunden betrifft. So gelten die beiden Hunderassen American Staffordshire-Terrier und American Pitbull-Terrier in jedem listeführenden Land als gefährliche Hunde. Fünf der deutschen Bundesländer unterscheiden bei Listenhunden zusätzlich zwei Kategorien: Dabei sind Hunderassen der Kategorie I gefährlicher als die der Kategorie II. Bundesländer, die diese zweigeteilten Listen führen, sind: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen.
PETBOOK zeigt eine Übersicht der Listenhunde in den deutschen Bundesländern in alphabetischer Reihenfolge.
Baden-Württemberg
In der Kampfhundeverordnung von Baden-Württemberg werden drei Rassen als Listenhunde der Kategorie I geführt. Sie gelten grundsätzlich als aggressiv und gefährlich:
- American Staffordshire Terrier
- Bullterrier
- Pitbull Terrier
Wer diese Hunderassen halten möchte, muss die amtliche Erlaubnis dafür bei der örtlichen Polizeibehörde einholen. Mit einer amtlichen Feststellung kann die Kampfhundeeigenschaft widerlegt werden. Neun weitere Hunderassen gelten aufgrund gesteigerter Aggressivität und Gefahr gegenüber Menschen als „Kampfhunde“. Das wird durch die Ortspolizeibehörde geprüft und festgestellt.
Diese Hunderassen werden in Baden-Württemberg als Kampfhunde der Kategorie II geführt:
- Bullmastiff
- American Staffordshire Bullterrier
- Dogo Argentino
- Bordeaux Dogge
- Fila Brasileiro
- Mastin Espanol
- Mastino Napoletano
- Mastiff
- Tosa Inu
Bayern
Nach bayrischer Verordnung gelten folgende Hunderassen als gefährlich und als Kampfhunde der Kategorie I:
- American Pitbull Terrier
- American Staffordshire Terrier
- Staffordshire Terrier
- Bandog
- Tosa Inu
Für Listenhunde wird in Bayern eine Genehmigung der Behörden benötigt. Auch gilt für diese Hunde die Leinen- sowie die Maulkorbpflicht in großen Städten. Neben den gefährlichen Hunderassen der Kategorie I werden zusätzlich 14 Hunderassen als Kampfhunde der Kategorie II in Bayern gelistet. Die Aggressivität dieser Hunderassen kann durch ein Gutachten widerlegt werden.
- Alano
- American Bulldog
- Bullmastiff
- Bullterrier
- Cane Corso
- Dog Argentino
- Dogue de Bordeaux
- Fila Brasileiro
- Mastiff
- Mastin Espanol
- Mastino Napoletano
- Perro de Presa Canario (Dogo Canario)
- Perro de Presa Mallorquin
- Rottweiler
Berlin
Die Berliner Rasseliste ist gegenüber der von Bayern deutlich kürzer. Seit 2016 werden anstatt der ehemals zehn Hunderassen nur drei Hunderassen aufgeführt. Für die Haltung von Listenhunden ist im Land Berlin unter anderem eine Haftpflichtversicherung mit einer maximalen Selbstbeteiligung von 500 Euro pro Versicherungsjahr verpflichtend. Zudem müssen ein Führungszeugnis und ein bestandener „Hundeführerschein“ vorgelegt werden. Auch die Durchführung eines Wesenstests ist verpflichtend.
Diese drei Hunderassen gelten in Berlin als gefährlich:
- Pitbull Terrier
- Bullterrier
- American Staffordshire Terrier
Brandenburg
Das Land Brandenburg führte bis zum 1.Juli 2024 fünf Listenhunde, die als unwiderleglich gefährlich galten. Für die Haltung dieser Hunderassen wurde ein Führungszeugnis benötigt. Der bestandene Wesenstest und vorliegender „Hundeführerschein“ waren ebenfalls Pflicht. Ebenso das Chippen des Tieres und eine abgeschlossene Hundehaftpflichtversicherung. Die Entscheidung zur Ausstellung eines Negativattests traf die örtliche Ordnungsbehörde. Zu den Listenhunden der Kategorie I gehörten in Brandenburg folgende Rassen:
- American Pitbull Terrier
- American Staffordshire Terrier
- Bullterrier
- Staffordshire Bullterrier
- Tosa Inu
Neben den Hunderassen der Kategorie I wurden weitere Hunderassen der Kategorie II als widerlegbar gefährlich gelistet. Den Besitzern dieser Rassen kann mithilfe eines Gutachtens bestätigt werden, dass keine gesteigerte Aggressivität oder Gefahr von ihrem Hund ausgeht.
- Alano
- Bullmastiff
- Cane Corso
- Dobermann
- Dogo Argentino
- Dogue de Bordeaux
- Fila Brasileiro
- Mastiff
- Mastin Español
- Mastino Napoletano
- Perro de Presa Canario
- Perro de Presa Mallorquin
- Rottweiler
Ab dem 1. Juli 2024 ist die Rasseliste für Brandenburg nun komplett abgeschafft worden. Darauf einigten sich die Landesregierung und Tierschützer auf einer Beratung am 22. Mai (PETBOOK berichtete).
Bremen
Im Bundesland Bremen listet das Gesetz zur Kampfhundehaltung vier Hunderassen, die als gefährlich gelten. Halter dieser Rassen müssen ihr Tier mit einem Mikrochip ausstatten und eine Hundehaftpflichtversicherung abschließen. Ebenso sind das Ablegen eines Wesenstests, Leinenzwang und bei erwiesener Bissigkeit ein Maulkorb Pflicht. Eine Neuanschaffung der genannten Hunderassen ist grundsätzlich verboten.
- American Pitbull Terrier
- Bullterrier
- American Staffordshire Terrier
- Staffordshire Bullterrier
Hamburg
In Hamburg gelten im Rahmen des Hundegesetzes ebenfalls besondere Vorschriften für gefährliche Hunde. Neben einigen Verordnungen, die für alle Hundehalter in Hamburg gelten – etwa die Kennzeichnung durch einen Mikrochip oder die allgemeine Leinenpflicht – muss ein Wesenstest bestanden werden und eine ordnungsgemäße Anmeldung erfolgen.
Diese fünf Hunderassen der Kategorie I gelten in Hamburg als gefährlich:
- American Pitbull Terrier
- American Staffordshire Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- Bullterrier
Auch in Hamburg gibt es die Hunderassen der Kategorie II, deren Gefährlichkeit widerlegt werden kann. Folgende Rassen gelten ohne bestandenen Wesenstest als gefährlich:
- Bullmastiff
- Dogo Argentino
- Dogue de Bordeaux
- Fila Brasileiro
- Kangal
- Kaukasischer Owtscharka
- Mastiff
- Mastin Español
- Mastino Napoletano
- Rottweiler
- Tosa Inu
Hessen
Die hessische Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden führt neun Rassen als Listenhunde. Um gefährliche Hunde in Hessen halten zu können, muss neben der Volljährigkeit des Halters eine abgeschlossene Hundehaftpflichtversicherung und eine Sachkundeprüfung vorliegen. Dazu kommt ein bestandener Wesenstest und die Markierung mittels Chip.
Folgende Listenhunde gelten in Hessen als gefährlich:
- American Staffordshire Terrier
- American Pitbull Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- Bullterrier
- American Bulldog
- Dogo Argentino
- Kangal (Karabash)
- Kaukasischer Owtscharka
- Rottweiler
Mecklenburg-Vorpommern
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit der neuen Hundehalterverordnung vom 11. Juni 2022 die vormals als gefährlich befundenen Listenhunde gestrichen. Im Rahmen der Verordnung gelten weiterhin bestimmte Hunde als gefährlich, die durch aggressives Verhalten amtlich aufgefallen sind.
Niedersachsen
Auch in Niedersachsen enthält das Hundegesetz keine Rasseliste. Auffällig gefährliche Hunde werden unabhängig von ihrer Rasse reglementiert und ihre Haltung unterliegt strengen Auflagen. Die im Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz (HundVerbrEinfG) gelisteten Hunderassen sind in Niedersachsen weiterhin untersagt.
Nordrhein-Westfalen
Das Hundegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen schreibt für gefährliche Hunde die Maulkorb- und Leinenpflicht vor. Bei der abzuschließenden Hundehaftpflichtversicherung muss die Mindestversicherungssumme 500.000 Euro für Personenschäden und 250.000 Euro für sonstige Schäden abdecken. Ebenso wird unter anderem ein Sachkundenachweis für die Haltung gefährlicher Hunde verlangt.
Diese vier Hunderassen zählen in Nordrhein-Westfalen zu den gefährlichen Hunderassen:
- American Staffordshire Terrier
- American Pitbull Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- Bullterrier
Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz brauchen Halter von als gefährlich eingestuften Hunderassen eine Genehmigung. Das besagt das Landesgesetz über gefährliche Hunde. Wie in einigen anderen Bundesländern auch müssen diese Hunde einen Maulkorb tragen und angeleint sein. Drei Hunderassen gelten in diesem Bundesland als gefährlich. Das sind drei der vier Hunderassen, die auch im Hundeverbringungs- und einfuhrbeschränkungsgesetz genannt werden.
- American Staffordshire Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- American Pitbull Terrier
Saarland
Die Polizeiverordnung des Saarlandes ist mit der des Nachbarlandes Rheinland-Pfalz identisch. Die als gefährlich eingestuften Hunderassen können durch einen Wesenstest von besonderen Auflagen, wie etwa eine Erlaubnis zur Haltung, befreit werden. Ausnahmen bestehen in diesem Bundesland für Dienst- und Jagdhunde sowie für Herdengebrauchs- und Begleithunde.
- American Staffordshire Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- American Pitbull Terrier
Sachsen
Auch in Sachsen besteht ein Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden. Halter gefährlicher Hunderassen müssen unter anderem volljährig sein, einen Sachkundenachweis und eine Haftpflichtversicherung nachweisen. Um die Aggressivität eines Listenhundes zu widerlegen, kann ein bestandener Wesenstest vorgelegt werden.
- American Staffordshire Terrier
- American Pitbull Terrier
- Bullterrier
Sachsen-Anhalt
Das Hundegesetz in Sachsen-Anhalt schreibt ebenfalls einiges für die Halter gefährlicher Hunde vor: eine abgeschlossene Haftpflichtversicherung, die Durchführung eines Wesenstests und das Erbringen eines Sachkundenachweises sind Teil der Vorgaben. Eine ehemals geltende Leinen- und Maulkorbpflicht für gefährliche Hunde wurde mit der Neufassung des Gesetzes aus dem Jahr 2016 abgeschafft.
Folgende Hunderassen gelten in Sachsen-Anhalt als gefährlich:
- American Staffordshire Terrier
- American Pitbull Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- Bullterrier
Schleswig-Holstein
Im Bundesland Schleswig-Holstein gibt es seit 2016 keine Rassenliste mehr. Stattdessen gelten allgemeine Pflichten für Hundehalter. Hunde, die einen Menschen gebissen oder anderweitig aggressives Verhalten gezeigt haben, können trotzdem als gefährlich eingestuft und ihre Haltung mit Auflagen eingeschränkt werden. Nach zwei Jahren können sogenannte gefährliche Hunde mit einem bestandenen Test und der Bestätigung eines Veterinärs von den Auflagen befreit und „resozialisiert“ werden.
Thüringen
Das letzte Bundesland dieser Aufzählung, Thüringen, führt ebenfalls keine Rassenliste. Stattdessen schreibt das Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren vor, wie mit gefährlichen Hunden umgegangen wird. Hunde, die den Wesenstest nicht bestanden haben und gewalttätig aufgefallen sind, gelten als gefährlich in diesem Bundesland.
Sind Listenhunde automatisch gefährlich?
Die pauschale Annahme, alle Listenhunde seien gefährlich, ist umstritten. Mit Rasselisten möchte die Politik die Haltung gefährlicher Hunde einschränken, um die Bevölkerung zu schützen. Kritiker dieser Annahme bestreiten dagegen, dass die Gene eines Hundes für aggressives Verhalten verantwortlich sind. Sie lehnen die allgemeine Vorverurteilung bestimmter Hunderassen ab.
Das sagen Hundetrainer über aggressives Verhalten bei Hunden
Im Gespräch mit PETBOOK äußerten sich verschiedene Hundetrainer kritisch über die Führung von Rasselisten. „Es gibt ganz klar keine Rasse, die aufgrund ihrer Genetik als aggressiv beschrieben werden kann“, so Sven Sandau der „Martin Rütter DOGS“. Aggressives Verhalten sieht auch Barbara Nehring nicht mit der Rasse begründet, sondern mit der Umgebung eines Hundes: „Jeder Hund kann, wenn er falsch behandelt wird, keinen anderen Ausweg sehen als zu beißen. Ich halte es für haltlos, Hunde einer bestimmten Rasse pauschal als gefährlich einzustufen“ sagt die Hundetrainerin. Den vorangegangene Aussagen schließt sich auch Hundetrainer Stefan Thal an. Seiner Einschätzung nach sind „Fehler in der Haltung des Hundes oder das bewusste ‚Wecken‘ aggressiver Verhaltensmuster durch bestimmte Hundehalter“ verantwortlich.
Tierärztin und Forschung sehen den Halter und nicht die Rasse als Problem für aggressives Verhalten
Auch die Wissenschaft kommt zu dem Schluss, dass Hunderassen nicht pauschal gefährlich sind. Das zeigt etwa eine Untersuchung der „Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover“. Hierin verglichen Forscher 2004 das Verhalten von Golden Retrievern mit dem Verhalten von (durch das Land Niedersachsen) als gefährlich eingestuften Hunden. Zudem führten sie bei allen Hunden einen Wesenstest durch. Von den als besonders familienfreundlich geltenden Golden Retrievern reagierten 98,6 Prozent angemessen. Bei den vermeintlich gefährlichen Hunderassen waren es 95 Prozent. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeige sich somit kein signifikanter, also statistisch belegbarer, Unterschied. Veterinärin und Studienleiterin Tina Johann spricht sich daher auch gegen die „Diskriminierung“ bestimmter Hunderassen deutlich aus.
Die Verhaltensforscherin Dr. Dorit Feddersen-Petersen der Universität Kiel begründet aggressives Verhalten von Hunden mit bestimmten Mensch-Hund-Beziehungen. So sei es ihrer Forschung nach auch der Mensch und das soziale Umfeld eines Hundes, die das Tier gefährlich werden lassen. Das bestätigt auch die Hundebissstatistik 2020 des Landes Berlin: laut den Zahlen greifen gefährliche Hunde deutlich seltener Menschen an als „normale“ Hunde. Zwei gefährliche Hunde verletzten im Jahr 2020 Menschen schwer, 26 gefährliche Hunde verursachten leichte Verletzungen. Dagegen wurden in 65 Fällen schwere und in 426 Fällen leichte Verletzungen durch „normale“ Hunde verursacht.
Ein Hund kann demnach unabhängig von der Rasse gefährlich sein. Die Hundetrainerin Barbara Nehring empfindet es deswegen als sinnvoller, anstatt Rassenlisten bundesweit einheitliche Hundeführerscheine anzubieten. Diese sollten dann für alle Hundehalter obligatorisch sind. Auch die Verpflichtung zum Abschließen einer Hundehaftpflichtversicherung und die Vorgaben zum Sachkundenachweis von Hundehaltern sollten laut dem Tierschutzbund überarbeitet werden, wie die Dachorganisation der Tierschutzverbände dem „Norddeutschen Rundfunk“ mitteilte.
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Ab 1. Juli Nächstes Bundesland schafft Listenhunde-Verbot ab! Expertin: „Längst überfällig“
Für bestimmte Rassen Pflicht Was passiert bei einem Wesenstest für Hunde?
Quellen
- Diehundezeitung.com, „Hundekämpfe: Die blutige Geschichte der Kampfhunde” (aufgerufen am 19.10.2022)