25. November 2024, 18:02 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Lea Lichtner aus Hamburg wurde beim diesjährigen Petfluencer Award für ihren Account „croatiancatcrew“ sowie ihren Einsatz für Streunerkatzen in der Kategorie „Purpose“ ausgezeichnet. PETBOOK sprach mit der Tierschützerin über ihr Engagement das wachsende Streunerproblem in Deutschland zu lösen.
In Hamburg leben mehr als 10.000 streunende Katzen unter meist schlimmen Bedingungen. Unkastrierte Freigänger tragen zur wachsenden Population bei. Ein Thema, über das Petfluencerin und Tierschützerin Lea Lichtner bereits in den sozialen Medien aufklärt und dafür beim diesjährigen German Petfluencer Award in der Kategorie „Purpose“ ausgezeichnet wurde. PETBOOK sprach mit der Tierschutzaktivistin über ihren Instagram-Kanal „croatiancatcrew“ und das deutschlandweite Streunerproblem.
»Alle Katzenhalter stehen nicht nur für ihre eigenen Katzen in der Verantwortung, sondern auch für deren Nachkommen
PETBOOK: Deutschland hat ein Streunerproblem. Allein in Hamburg leben schätzungsweise mehr als 10.000 Streunerkatzen. Warum sieht man die kaum und wie konnte es zu so einer großen Population kommen?
Lea Lichtner: „In Hamburg – und ich denke, dass man das auf ganz Deutschland beziehen kann – leben die Streunerkatzen anders als in Ländern wie etwa Kroatien und Griechenland, in denen man den Streunern als Urlauber überall begegnet, gut versteckt. Oft leben die Katzen in der Stadt in Industriegebieten oder Schrebergärten, wo sie viele Möglichkeiten haben, sich am Tage zu verstecken.
Zu so einer großen Population kam es durch unkastrierte Freigänger, also Katzen, die ein Zuhause haben und zusätzlich nach draußen gehen dürfen. Wenn diese nicht kastriert sind, vermehren sie sich leider ziemlich schnell. Eine Katze kann bis zu drei Mal im Jahr trächtig werden. Wenn diese Kitten auf der Straße geboren und nicht kastriert werden und dann ebenfalls Kitten bekommen, summiert es sich sehr schnell.“
»Kastrationen können für viele Tiere auch Vorteile haben
Darum rufst du Halter von Freigängerkatzen dazu auf, ihre Tiere kastrieren?
„Wenn man Tierschutzorganisationen auf Social-Media-Kanälen folgt, sieht man sehr schnell das Leid der Straßenkatzen. Ich an meiner Futterstelle habe Glück, dass die meisten der Tiere (was man von außen beurteilen kann) gesund sind. Es gibt so unglaublich viele Katzen, in Tierheimen, Tierschutzvereinen oder auf der Straße, die kein warmes Plätzchen, keine medizinische Versorgung und angemessene Fütterung haben.
Da sollte jeder Mensch meiner Meinung nach die Verantwortung tragen und nicht noch mehr Leid verursachen. Alle Katzenhalter, die unkastrierte Freigänger halten, stehen meiner Meinung nach nicht nur für ihre eigenen Katzen in der Verantwortung, sondern auch für die Nachkommen, die von ihren Katzen gezeugt werden. Außerdem sind Kastrationen auch für die eigenen Tiere gut: Kastrierte Kater haben tendenziell kleinere Reviere, weniger Kämpfe mit anderen Katern und kastrierte Kätzinnen erleiden seltener Gesäuge-Tumore. Also insgesamt bringt eine Kastration für die eigenen Tiere weniger Stress und einige Vorteile mit sich.“
»Mir liegen die Streunis am Herzen, weil ich es unfair finde, wie sie leben müssen, nur weil Menschen ihre Katzen nicht haben kastrieren lassen
Du setzt dich unter anderem mit einer Futterstelle für diese Katzen ein. Wie genau sieht deine Arbeit aus und warum liegen dir diese Katzen so am Herzen?
„Wenn ich an die Futterstelle komme, fange ich meist direkt damit an, das Futter für die Katzen vorzubereiten. Sie haben schließlich immer Hunger, und ich will sie nicht warten lassen. (lacht) An der Futterstelle gibt es keinen Strom, deswegen muss kochendes Wasser in der Thermoskanne reichen, um die Näpfe auszuspülen. Dann gibt es neues Futter, was ich meist von mir entfernt hinstelle damit auch die scheuen Katzen essen können.
In der Zeit fülle ich die Wassernäpfe auf, säubere den Futterunterstand (ein alter Kaninchenstall) und entferne jetzt im Herbst/Winter Blätter und Schnee von den Schlafhütten. Wenn alles sauber ist, kommen die Näpfe in den Unterstand und ich gehe über das Gelände, um zu schauen, welche Streunis ich in den Büschen versteckt sehen kann. Dabei kommen die zutraulichen Katzen meist und holen sich Streicheleinheiten von mir ab. Wenn das Wetter gut ist, bleibe ich etwa zwei Stunden vor Ort, rede mit den scheuen Katzen, damit sie zutraulicher werden und kuschle die bereits zutraulichen Katzen.
„Ich sehe es als meine Verantwortung, mich für die Tiere einzusetzen, die keine Stimme haben“
Mir liegen die Streunis so am Herzen, weil ich es als so unfair empfinde, dass sie dort ohne regelmäßige medizinische Kontrollen und ohne warmen Schlafplatz leben müssen, nur weil Menschen ihre Katzen vielleicht nicht kastrieren lassen haben. Diese Katzen haben ebenso ein Recht darauf, umsorgt zu werden, wie Katzen, die geplant waren und in sicherer Umgebung geboren wurden. Ich sehe es als meine Verantwortung, mich für diejenigen Tiere einzusetzen, die keine Stimme haben. Und ich bin einfach eine totale Katzenliebhaberin und liebe es meine Zeit mit ihnen zu verbringen.“
Wie sind die Reaktionen darauf? Stößt du da manchmal auf Unverständnis?
„Auf Instagram stoße ich überwiegend auf Verständnis und Mitgefühl. Es kommt aber auch vor, dass Menschen kein Verständnis dafür haben, dass Streuner auch wichtig sind und sich gekümmert werden muss. So sind einige Freigänger-Halter davon genervt, dass Streuner zum Kastrieren eingefangen werden, weil manchmal aus Versehen auch Freigänger in den Fallen landen und dann von den Haltern im Tierheim abgeholt werden müssen. Andere sind der Meinung, dass eine Kastration nicht gut für eine Katze ist und besonders weibliche Katzen vor der Kastration einmal schwanger werden sollten. An solchen Aussagen merke ich immer wieder, dass noch viel Unwissenheit über das Katzenleid und allgemein das Thema Kastration herrscht.“
So begann für Lea Lichtner und ihre Crotiancatcrew die Petfluencer-Karriere
Wie bist du eigentlich dazu gekommen, Social Media zu machen?
„Ich habe den Account 2022 nach der Adoption meiner drei kroatischen Tierschutzkatzen angelegt. Wie die meisten Petfluencer-Accounts sollte auch mein Account eigentlich als persönliches „Tagebuch“ dienen, um die ganzen Momente festzuhalten. Ich habe allerdings schnell richtig Spaß am Erstellen von Reels gefunden und es hat mich richtig gefreut, der Welt von mir und meinen Katzen zu berichten. Als ich meinen Account dann von anfangs englischer Sprache auf komplett deutsch umgestellt habe, hatte ich eine ganz andere Möglichkeit, mit den Menschen zu kommunizieren und ab da wurden auch Themen wie beispielsweise Streunerkatzen oder das Leben mit einer Handicap-Katze präsenter.“
Bei Insta rufst du dazu auf, dass die Leute vor jeder Autofahrt auf die Haube ihres Autos schlagen sollen. Warum?
„Besonders zwischen Herbst und Frühling nutzen Streunerkatzen, aber auch Freigänger, Autos gerne als Versteck- und Schlafmöglichkeit. Wenn die Autos stehen, aber der Motor noch warm ist, krabbeln sie gerne in den Motorraum. Es gibt tatsächlich einige Fälle, in denen sich Katzen immer noch im Motorraum befunden haben, obwohl das Auto losfuhr. Dies führt dann meist zu schweren Verletzungen oder sogar dem Tod.
Wenn die Katzen Glück haben, überleben sie, befinden sich dann aber nach langen Fahrten an einem für sie fremden Ort, an dem sie nicht mehr nach Hause finden. Wenn jeder vor der Fahrt zwei bis drei Mal auf die Motorhaube hauen würden, könnten solche Fälle verhindert werden. Die Katzen bekommen die Chance vor dem Lärm zu fliehen und nach unten, raus aus dem Auto zu klettern.“
»Aufklärung ist wichtig, um eine landesweite Kastrationspflicht und Katzenschutzverordnung durchsetzen zu können
Was kann jeder Einzelne tun, um Streunerkatzen zu helfen? Hast du hier vielleicht drei Tipps, für Leute, wie sie sich für Streuner in ihrer Gegend einsetzen wollen?
„Als Erstes würde ich Menschen, die sich einsetzen wollen, raten, in ihrem örtlichen Tierheim oder Tierschutzverein nachzufragen, ob es Futterstellen gibt, bei denen unterstützt werden kann. So kam ich auch zu meiner Futterstelle. Da solche Einrichtungen oft nicht genügend Ressourcen haben, kann man auch selbst aktiv werden und Streuner einfangen. Da gibt es meist die Möglichkeit gegen ein Pfand eine Lebendfalle auszuleihen, womit man die Katzen dann eigenständig fangen und zum Kastrieren abgeben kann.
Außerdem ist Aufklärung ein weiterer Punkt. Ich denke, jeder kann in seinem Freundes- oder Familienkreis oder bei Arbeitskollegen darüber aufklären, warum Kastrationen wichtig sind. Wenn viele Menschen das verstehen, ist es am Ende einfacher eine landesweite Kastrationspflicht und Katzenschutzverordnung durchsetzen zu können.“
„Ich bin sehr stolz darauf, in meiner Lieblings-Award-Kategorie gewonnen zu haben“
Du hast den diesjährigen Petfluencer Award in der Kategorie „Purpose“ gewonnen. Was bedeutet dir dieser Preis?
„Unglaublich viel. Ich bin sehr stolz darauf, in meiner Lieblings-Award-Kategorie gewonnen zu haben. Ich bin schon vorher sehr stolz darauf gewesen, was ich mit meiner Futterstelle und meinem Instagram-Account erreicht habe, doch dieser Award ist eine große Wertschätzung für das, was ich mache und mit meiner Community teile. Der Gewinn des Purpose Award bestärkt mich darin, weiterzumachen und zeigt mir, dass neben vielen lustigen Accounts auch ernstere Themen einen Platz haben.“
Was hat sich seit dem Gewinn für dich verändert?
„Der Gewinn des Purpose Awards hat mir eine neue Sichtbarkeit verschafft. Es ist schön zu sehen, dass mein Engagement für Streunerkatzen und Tierschutz so positiv wahrgenommen wird. Außerdem hat mir der Gewinn unglaublich viel Motivation gegeben. Es fühlt sich an, als würde meine Arbeit jetzt von noch mehr Menschen anerkannt, was mir zusätzlich Antrieb gibt, mich noch stärker für den Tierschutz einzusetzen.“
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Vor dem Winter gibt es für Lea Lichtner auf ihrer Futterstelle alle Hände voll zu tun
Was steht bei dir in den nächsten Wochen an?
„Nachdem ich fast zeitgleich mit den Award-Verleihungen mit meinem Studium fertig geworden bin, habe ich wieder mehr Zeit für kreative Projekte rund um Social Media. Ich möchte in nächster Zeit auch auf anderen Plattformen präsenter werden, um noch mehr Menschen mit meinen Anliegen erreichen zu können. Bei den Streunern muss ich jetzt, bevor der Winter so richtig da ist, einmal alle Schlafhütten abgehen und kontrollieren, ob diese dicht sind und sie mit neuem Stroh befüllen. Ansonsten werde ich den Winter mit meinen drei Katzis zu Hause genießen.“