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International nachgefragt

Freund oder Plage? Wie Katzen in verschiedenen Kulturen gesehen werden 

Welchen Stellenwert Katzen einnehmen und wie sie von uns Menschen behandelt werden, ist auch abhängig von der Kultur des jeweiligen Landes
Welchen Stellenwert Katzen einnehmen und wie sie von uns Menschen behandelt werden, ist auch abhängig von der Kultur des jeweiligen Landes Foto: Getty Images
Anna Engberg mit ihrer Katze
Anna Engberg

16. August 2023, 5:53 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

In Indien gilt sie als Unglücksbringer, in Griechenland oft als Plage und Ärgernis. In Deutschland ist die Katze hingegen inzwischen das beliebteste Haustier – ein Freund und Familienmitglied. Wie kommt es zu dieser kulturellen Diskrepanz? Wie leben Katzen in den einzelnen Ländern? Wo gibt es Handlungsbedarf aufseiten der Regierung und im Mindset der Gesellschaft? PETBOOK hat bei Rettungsstationen für Katzen in Hamburg, Mumbai und auf Kreta nachgefragt.

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In deutschen Haushalten leben 15,2 Mio. Katzen wohlbehütet, so die grobe Schätzung von Statista. Doch auch die Zahl der Straßenkatzen geht hierzulande dem Deutschen Tierschutzbund zufolge weit in die Millionen. In Südeuropa, Nordafrika und Indien sind diese Zahlen jedoch noch drastischer – und der Zustand der Katzen auch. Besitzerlose Katzen leben dort unter Extrembedingungen, oftmals krank und verletzt, auf der Straße. Woran liegt das und wirkt sich die Kultur und damit einhergehende Einstellungen zur Katze möglicherweise auf Ansehen und Umgang aus?

Um das herauszufinden, haben wir uns an einem Querschnittsblick über den nationalen Tellerrand versucht – von Deutschland nach Griechenland, von Westindien bis nach Indonesien. Was sagen Einwohner, was sagen die Betreiber von Tierheimen und Katzenrettungsstellen in Hamburg, Mumbai und auf Kreta?

Katze als Plage und Ärgernis: Erfahrungen von Kreta, Griechenland

Die Sommermonate sind die arbeitsreichsten Monate in Taki‘s Shelter, einer Rettungsstation für Hunde und Katzen an der Südküste Kretas. In Ierapetra führt Gründer Takis, der mit vollem Namen Theoklitos Proestakis heißt, seit mehr als zehn Jahren die Katzenrettungstation, in der aktuell rund 60 Katzen und 500 Hunde untergebracht sind. „Eine herausfordernde, aber sehr lohnende Erfahrung“, findet Takis, den nicht nur Liebe und Mitgefühl für Tiere antreiben, die Rettungsstation zu führen, sondern auch der Wunsch, etwas gegen die Überbevölkerung und das Leiden der heimatlosen Katzen auf Kreta zu tun, der größten und bevölkerungsreichsten Insel Griechenlands. 

Zu den zentralen Herausforderungen gehören laut Takis die Finanzierung, der begrenzte Platz und die Suche nach Adoptivfamilien für die Katzen. „Ebenso schwierig ist es jedoch, die öffentliche Meinung über Katzen zu ändern und einen verantwortungsvollen Umgang mit Katzen zu fördern“, berichtet er. Die öffentliche Meinung über Katzen in Griechenland beschreibt er als sehr unterschiedlich: „Einige Menschen schätzen die Anwesenheit von Katzen. Andere sehen sie als Plage und Ärgernis. Wir arbeiten daran, diese Ansichten zu ändern, indem wir das Bewusstsein für die Bedeutung von Kastrationsprogrammen und einen verantwortungsvollen Umgang mit Katzen schärfen.“

Streunerkatzen leben in Griechenland ein bis zwei Jahre

Das typische Leben einer streunenden Katze in Griechenland ist dementsprechend schwierig und kurz: „Ohne Besitzer, die ihnen Futter und Unterschlupf bieten, kämpfen sie täglich um Essensreste und Verstecke. Viele werden krank oder verletzt, bleiben ohne tierärztliche Versorgung, werden von Autos überfahren oder vergiftet.“ So verwundert es nicht, dass die meisten Streunerkatzen in Griechenland nur ein bis zwei Jahre leben. Zudem gibt es in Griechenland deutlich mehr Straßenkatzen als Hauskatzen, meint Takis, der dies zum Teil auf das Fehlen von Kastrationsprogrammen und die hohe Rate an ausgesetzten und vernachlässigten Katzen zurückführt. 

Auch die Kultur und damit einhergehende Einstellungen zur Katze, mangelndes Bewusstsein für die Vorteile von Kastrationsprogrammen und wirtschaftlich-soziale Gründe macht er für den Status quo verantwortlich und steht mit dieser Ansicht nicht alleine da. 

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Die Katze als Unglücksbringer: Ein Blick nach Mumbai in Südindien

In Mumbai betreibt Sib Khushi seit sieben Jahren die Katzenrettungsstation Sib’s Catty Tales. Die Inderin kümmert sich dort zurzeit um 54 Katzen – viele davon schwer verletzt oder chronisch krank. Was motiviert sie und wie fing alles an? 

„Ich fand eines Nachts ein unterernährtes Kätzchen mitten auf der Straße. Obwohl ich bei verschiedenen Nichtregierungsorganisationen um Hilfe bat und Aufrufe im Internet postete, erhielt ich keine Antwort“, blickt Sib Khushi zurück. Ähnlich wie in Griechenland ist es auch im Westen Indiens ein großes Problem, genügend Geldmittel für den monatlichen Betrieb der Rettungsstelle zu beschaffen. Sib Khushi verlässt sich vor allem auf Spenden – meist aus dem Ausland, wo ein anderes Mindset herrscht als in ihrem Heimatland. 

Denn die Katze gilt Sib Khushi zufolge in den meisten Teilen Indiens als Unglücksbringer: „Eine Katze, die einem über den Weg läuft, gilt in der Kultur als schlechtes Omen. Selbst in kosmopolitischen Städten wie Mumbai werden schwarze Katzen weiterhin für dunkle Magie und okkulte Praktiken verwendet.“ Zudem ist ein Großteil Indiens Vegetarier: „Viele indische Kasten und Unterschichten wollen deshalb keine fleischfressenden Tiere wie Katzen als Haustiere haben“, erklärt Sib Khushi weiter. So verwundert es nicht, dass die Zahl der Adoptionen indischer Straßenkatzen extrem niedrig ist. Ein weiterer Grund: „Die meisten Menschen bevorzugen exotische Rassen wie Perser und Himalajas als Haustiere.“  

Pandemie und Wirtschaftskrise: Katzen werden ausgesetzt

Anders als in Deutschland, wo viele Haushalte während der Coronakrise neue Haustiere anschafften, war im Westen Indiens die Zahl der abgegebenen Tiere während der Pandemie am höchsten, berichtet die Leiterin der Katzenrettungsstelle. Seit der Wirtschaftskrise nach Corona beobachtet sie immer wieder, dass Menschen selbst gesunde Haustiere aussetzen und sie heimlich vor ihrem Haus zurücklassen. Aktuell hat Sib’s Catty Tales die Aufnahme neuer Katzen sogar gestoppt, da 2023 noch keine einzige Adoption verzeichnet wurde.  
 
Insgesamt gehe es Katzen in Indien selten gut, so Sib Khushi. Es gebe im gesamten Land weder Katzenspezialisten noch eine reine Katzenklinik. Im Gegensatz zu Hunden, die überaus beliebt seien und für die es auch häufig öffentliche Fördergelder gebe, würden Katzen selten als Haustier betrachtet oder gehalten. Da die Regierung die Sterilisation von Katzen nicht so aktiv betreibe wie bei Hunden, sei die Zahl der Straßenkatzen extrem hoch und ehrenamtliche Katzenpfleger der Gemeinde oft die einzige Hoffnung für Straßenkatzen in Indien: „Diese Community Caretaker bemühen sich, so viele Katzenkolonien wie möglich im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten zu füttern, zu sterilisieren und zu versorgen.“  

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Tierheim Hamburg: das beliebteste Haustier Deutschlands?

Und wie sieht die Situation in Deutschland aus? 190 Katzen betreut derzeit allein das Tierheim Hamburg (Stand: August 2023). Etwa 50 Katzen werden pro Monat erfolgreich vermittelt. Diese Quote führt die Pressestelle des Tierheims auf den hohen Stellenwert zurück, den die Katze in der deutschen Kultur genießt: „Die Katze ist weiterhin ein sehr beliebtes Haustier – laut dem Deutschen Tierschutzbund sogar das beliebteste“, betont Dagmar Lüdke-Bonnet, Redakteurin bei der Öffentlichkeitsarbeit des Hamburger Tierschutzvereins (HTV). 

Natürlich ist auch in Deutschland nicht alles eitel Sonnenschein und es leben auch hierzulande viele Katzen auf der Straße, weiß Lüdtke-Bonnet. Allein in Hamburg werde die Zahl der Straßenkatzen auf 10.000 bis 40.000 Streuner geschätzt. Verbesserungsbedarf sieht der HTV in Deutschland vor allem mit Blick auf eine mögliche Kastrationspflicht für alle Freigängerkatzen: „Wir fordern seit Jahren eine Katzenschutzverordnung (KVO), dies das umsetzt, um das Leid der Streunerkatzen in Hamburg zu beenden“, berichtet sie und merkt an: „Hamburg ist das traurige Schlusslicht, denn alle anderen Bundesländer verfügen bereits über derartige Regelungen.“  

Durch eine Katzenschutzverordnung reduziert sich in Gemeinden die Zahl der Streuner erfahrungsgemäß deutlich. Zusätzlich sorgt eine Chip- und Registrierungspflicht für leichtere Rückführungen von Fundtieren – und erschwert das Aussetzen von Hauskatzen, so der HTV: „Unkastrierte, fortpflanzungsfähige Hauskatzen sind für das Streunerelend in erheblichem Maße verantwortlich:  Sie laufen hormongesteuert kilometerweit, um sich zu paaren – verunfallen triebgesteuert leichter und finden oftmals nicht mehr nach Hause.“ Täglich sei das Hamburger Katzenrettungsteam unterwegs, um hungernde, kranke und frierende Tiere einzufangen, zu versorgen und zu kastrieren. „In Spitzenzeiten können wir nur noch jedem dritten Hinweis nachgehen“, so Lüdtke-Bonnet. 

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Bali in Indonesien: „Es ist nicht nötig, dass wir Tiere besitzen“

Ganz anders stellt sich die Situation dagegen auf Bali in Indonesien dar: Frei lebende Katzen gibt es dort überall – wie ich bei einem Urlaub selbst feststellen konnte. Eine deutsche Bekannte, die seit Jahren dort lebt, beobachtet ein komplett gegenteiliges Mindset bei den Einwohnern: „Auf Bali ist es nicht nötig, ein Tier zu besitzen. Die Tiere kommen und gehen“, schildert sie und führt aus: „Sehr häufig tauchen Hunde auf, setzen sich zum Sonnenaufgang zu dir an den Strand oder begleiten dich auf deinem Spaziergang. Alles ist frei, wir kümmern uns umeinander. So ist es gedacht.“ 

So stellt sich weitergehend die Frage, ob es global nicht ein neues Bewusstsein für Katzen alias „Haustiere“ allgemein braucht. Halten wir zu sehr an alten Glaubenssätzen fest? „Ja“, sagt Sib Khushi in Mumbai dazu: Für Indien sieht sie mehrere Lösungsansätze, um das Leben der Katzen vor Ort zum Besseren zu wenden: zum einen zweckgebundene Mitteln der Regierung für die Rettung von Katzen und für Massensterilisationen durch sogenannte TNR-Programme („Trap-Neuter-Return“). Zum anderen brauche es Berichterstattung in den Nachrichten und sozialen Medien über Katzenrettungen, Aufklärungskampagnen, gerade unter Kindern und Werbekampagnen mit prominenten Persönlichkeiten, die Katzen als Haustiere halten: „Nur so können wir die öffentliche Wahrnehmung von Katzen als großartige Haustiere fördern.“  

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