
9. Dezember 2024, 15:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Immer wieder hört man, bestimmte Katzenrassen seien hypoallergen. Das heißt, dass sie auch für Allergiker geeignet sein sollen. Allerdings zeigt eine Studie nun, dass dies nicht stimmt. Denn die Gensequenz für Fel d 1, das Protein, auf das viele Allergiker reagieren, kommt bei allen Katzen – wild und domestiziert – vor.
Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Menschen, die von einer Katzenallergie geplagt sind und trotzdem unbedingt ein Tier halten wollen, soll dies ermöglicht werden. Allerdings soll es dafür natürlich eine hypoallergene Rasse sein. Also machen sich Katzenfreunde auf die Suche nach Bengalkatze, Abessinier oder Siam, weil diese oft als für Allergiker geeignet angepriesen werden. Doch meist folgt das böse Erwachen auf dem Fuß. Denn wie eine Studie nun auch anhand einer genauen DNA-Analyse bestätigt, gibt es gar keine hypoallergenen Katzenrassen. Alle – sogar Puma, Serval und Löwe – erzeugen das verantwortliche Protein. Doch die Gier nach Kuscheln ohne Niesen scheint so groß, dass Forscher auch bereits überlegen, die „Genschere“ einzusetzen, um für Allergiker geeignete Katzen zu erzeugen – ohne zu wissen, wofür die Tiere das Fel d 1 überhaupt benötigen.
„Katzenhaarallergie“ – das große Missverständnis
Die noch immer weitverbreitete Annahme, dass Katzen Allergene vor allem über ihre Haare verbreiten, ist so allgegenwärtig, dass viele von einer „Katzenhaarallergie“ sprechen. Entsprechend machen sich Züchter dies durch cleveres Marketing zunutze. Man züchtet also Katzen ohne Fell oder mit wenig Unterwolle und behauptet, diese seien für Allergiker geeignet. Vor allem neue Hybridrassen wie die Bengal- oder Savannah-Katze werden häufig so angepriesen, denn durch die Wildtier-DNA sollen sie angeblich keine Allergene produzieren.
Allerdings sagen Experten schon lange, dass es keine Katze gibt, die wirklich hypoallergen ist. Denn, um zu verstehen, wie bei Menschen eine Allergie gegen Katzen ausgelöst wird, muss man zunächst die Ursache kennen. Und diese ist bereits seit Jahrzehnten bekannt: Die Proteine der Bezeichnung „Fel d“, von denen bislang zehn verschiedene Arten entdeckt wurden. Das Protein, gegen das die meisten Menschen allergisch reagieren, ist auch gleichzeitig das häufigste: Fel d 1. 1, 2
Dieses Protein befindet sich vor allem im Speichel der Tiere, aber auch in ihren Anal-, Tränen- und Talgdrüsen. Auf diesen Wegen gelangt es auf Haut und Fell. Allerdings bleibt es nicht dort, sondern verbreitet sich auch über die Luft in Räumen, in denen Katzen sich aufgehalten haben. Ein Allergiker reagiert also auch auf eine haarlose Sphynx-Katze, wenn diese sich in derselben Wohnung aufhält.
Nicht jede Katze produziert dieselbe Menge Fel d 1
Allerdings ist bekannt, dass Katzen unter bestimmten Umständen weniger Allergene produzieren. Dazu zählen unter anderem folgende Faktoren:
- Alter
- Geschlecht
- kastriert oder unkastriert
- Fellfarbe
- Jahreszeit
- Tageszeit
So konnte bereits nachgewiesen werden, dass Katzen morgens sowie im Sommer weniger Allergene produzieren. Auch scheint die Produktion von Fel d 1 im Alter nachzulassen. Es gibt sogar erste Belege dafür, dass zutrauliche Katzen mehr Fel d 1 produzieren als scheue. 1
Martin D. Chapman und sein Team schreiben in ihrer Studie, dass bis zu 15 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung an einer Allergie gegen Katzen leiden. In ihrer Arbeit, die im Fachjournal „PNAS Nexus“ erschien, wollen die Forscher daher endlich eine Lösung dafür finden. Für ihre Analyse betrachteten sie nicht nur Hauskatzen, sondern auch Wildtiere wie Puma und die kleine Schwarzfußkatze, die als tödlichste Katze der Welt gilt (PETBOOK berichtete).
Produziert die Wissenschaft bald genmanipulierte allergenfreie Katzen?
Bei der Analyse konnte man zwei für Fel d 1 verantwortliche Gene (CH1 und CH2) identifizieren und bestimmten Arten zuordnen. Bislang ist Genetikern nicht klar, was der eigentliche Zweck des allergenen Stoffes bei Katzen ist. Es könnte an der Immunregulation, dem Schutz der Haut oder der chemischen Kommunikation über Duftstoffe beteiligt sein. Entsprechend ist man sich nicht sicher, wie sehr Katzen auf dieses Protein wirklich angewiesen sind, um gesund zu sein oder mit Artgenossen zu kommunizieren.
Doch die nun untersuchten CH1 und CH2 kommen bei allen Katzen vor, also auch bei den für Hybridzüchtungen genutzten Wildtieren. Es konnte ebenfalls festgestellt werden, dass sich das Protein im Laufe der Evolution stärker verändert hat als andere Bereiche der DNA.
Da es so wenig festgeschrieben ist, gehen die Forscher davon aus, dass Fel d 1 keine wesentlichen Funktionen für Katzen hat. Denn wenn sich eine genetische Funktion durchsetzt, verändert sich diese meist nicht mehr. Besonders in der Familie der Katzen gibt es nur sehr wenig genetische Varianz. Dadurch, dass dies bei Fel d 1 nicht der Fall ist, könnte es unterschiedliche Funktionen bei den Arten erfüllen. Oder gar keinem Zweck dienen.

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Die Wissenschaftler haben sogar bereits Stellen in der DNA analysiert, an denen mit der CRISPR-Methode, umgangssprachlich auch „Genschere“ genannt, die Informationen für das Allergen aus der DNA von Hauskatzen herausgetrennt werden könnten. „Obwohl die endgültige biologische Funktion von Fel d 1 experimentell ermittelt werden muss, könnten die Daten die Entfernung der Gensequenzen bei Hauskatzen als Behandlungsansatz für Katzenallergien unterstützen“, schreiben sie in ihrer Studie dazu.
Allerdings raten sie auch an, dass man sich zunächst sicher sein sollte, welche Funktion Fel d 1 bei Hauskatzen wirklich erfüllt, bevor man darüber nachdenkt, genetisch modifizierte Tiere zu erzeugen. Wenn eine „wesentliche biologische Funktion für das Allergen“ tatsächlich fehlen würde, könnte es ein „sinnvolles Ziel für eine Gendeletion“ sein, schreiben die Forscher abschließend. 3
Man sollte sich jedoch die Frage stellen, ob dieses Prozedere wirklich sinnvoll ist. Für Allergiker könnte so der Wunsch nach einer Katze realisierbar sein, doch wird das Verändern von DNA auch von vielen Menschen kritisch gesehen. Außerdem würde dies einen neuen Markt für im Labor gezüchtete Tiere bedeuten. Zudem müsste man sich auch ethisch fragen, ob eine solche Maßnahme mit dem Tierschutz vereinbar wäre. Denn nicht kurative Eingriffe bei Tieren müssen laut dem Tierschutzgesetz einen nachvollziehbaren Nutzen für sie haben.