2. Juli 2024, 17:56 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die meisten Katzenbisse passieren im Affekt. Umso größer ist der Schreck für Halter und Tier. PETBOOK-Redakteurin und Expertin für Katzenverhalten Saskia Schneider wurde bereits drei Mal gebissen und erklärt, was zu tun ist. Denn viele vergessen bei dem ganzen Trubel, sich um den Biss an sich zu kümmern – mit fatalen Folgen.
„Sie hätten den ganzen Arm verlieren können!“ Diesen Satz durfte ich mir mehrfach von Ärzten anhören, nachdem mich meine Katze Kimmie gebissen hatte. Wie viele Katzenbesitzer war ich nicht sofort in die Praxis oder Rettungsstelle gefahren. „Ist doch nur ein kleiner Biss – das heilt schon wieder“, dachte ich. Erst als ich mich nachts vor Schmerzen fast übergeben musste, ließ ich mich in die Notfallpraxis fahren.
Dort gab es eine Spritze gegen Tetanus und Antibiotika. Der Finger, der fast auf das Doppelte seiner eigentlichen Dicke angeschwollen war, wurde mit Jod getränkt und einbandagiert. Ich sah aus, als hätte ich mir die Hand gebrochen – und das alles nur wegen eines kleinen Bisses.
Katzenbisse passieren oft im Affekt
Hat die Katze gebissen, geschah das wahrscheinlich im Affekt. Die schlimmsten Bissverletzungen entstehen meiner Erfahrung nach dann, wenn die Tiere in Panik sind und große Angst haben. Bei Kimmie etwa war es ein Auto, dass in dem Moment die Straße herunterfuhr, als wir die Katzen ins Haus der Schwiegereltern bringen wollten.
Kimmie war es gewohnt, am Geschirr zu laufen und durfte mit mir den Garten erkunden, während der Rest der Familie die Koffer auslud. Da sie dabei die Straße blockierten, hupte das Auto direkt neben uns. Das versetzte Kimmie in Panik. Meine erste Reaktion war, sie auf den Arm nehmen zu wollen, um sie zu beruhigen. Dabei biss mich meine Katze zweimal in den Finger.
Solche Situationen passieren oft, wenn wir unsere Katzen eigentlich helfen wollen, weil sie sich eingeklemmt haben oder in Panik sind. Die Tiere können in dem Moment aber nicht verstehen, dass es gerade ihr Mensch ist, der nach ihnen greift. Sie empfinden in dem Moment Todesangst und beißen dann in Panik um sich.
Katzenbiss ist immer ein medizinischer Notfall
Oft unterschätzen wir die Gefahr, wenn uns die Katze gebissen hat. Viele kümmern sich als Erstes um ihr Tier und vergessen dabei, dass man eigentlich selbst so schnell wie möglich einen Arzt aufsuchen sollte. Denn durch die spitzen Zähne der Katze entstehen tiefe Punktionen, die insbesondere an der Hand kritisch werden können.
Dabei werden Staphylokokken und Streptokokken übertragen. Bakterien, die zu schweren Infektionen führen können. Besonders gefährlich sind anaerobe Keime wie Pasteurella multocida. Sie können sich auch ohne Sauerstoff vermehren und unter der Haut überleben. Schließt sich die Wunde, können sich die Bakterien an den Sehnen und an Sehnenscheiden entlang in den Körper ausbreiten. Schlimmstenfalls führt das zu einer Sepsis (Blutvergiftung) oder sogar zur Amputation der betroffenen Gliedmaßen.1
Katzenbisse werden immer noch unterschätzt
Leider unterschätzen sogar einige Mediziner die Gefahr, die durch einen Katzenbiss ausgeht. So musste ich mich bei meinem letzten Biss am Telefon rechtfertigen, was mir denn einfalle, wegen solch einer Lappalie um drei Uhr nachts den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu rufen. Schließlich könne ich ja am nächsten Tag in die Praxis gehen. Der Herr am anderen Ende der Leitung bezweifelte auch, dass ein Arzt mir deswegen Antibiotika verschreiben würde.
„Tatsache ist, dass kleinere Verletzungen von Patienten und Ärzten unterschätzt werden, da gerade die punktförmigen Läsionen der Haut das Ausmaß der Verletzungstiefe kaschieren“, heißt es dazu im Deutschen Ärzteblatt „Tier- und Menschenbissverletzungen“.
Hiervon sollte man sich auf keinen Fall entmutigen lassen und die bundesweite Durchwahl 116 117 wählen. Selbst wenn der Biss scheinbar oberflächlich ist. Bei 30 bis 50 Prozent der Bissverletzungen kommt es zu Infektionen. Wie gut der Biss verheilt, hängt von der Erstversorgung ab. Je schneller die Wunde gereinigt und desinfiziert wird, desto geringer ist das Risiko, dass die Entzündung so massiv wird, dass später ein Chirurg die Wunde öffnen muss, um die Infektion zu behandeln.
Auch Kratzer können gefährlich sein
Auch Katzenkratzer werden gern unterschätzt. Hierbei sind gar nicht mal die Verletzungen, die besonders schlimm aussehen oder stark bluten, das Problem. Es sind eher die punktförmigen Wunden, bei denen die Kralle der Katze ins Fleisch sticht. Wie beim Biss werden so Bakterien tief ins Gewebe getragen. Daher sollte man auch solche Wunden aufmerksam beobachten und im Zweifelsfall einen Arzt aufsuchen.
Folgende Symptome weisen darauf hin, dass sich die Wunde entzündet hat und sich die Infektion ausbreitet:
- betroffene Stellen schwellen stark an
- Bereich um die Wunde schmerzt stark und pulsiert
- betroffene Stellen sind heiß
- aus der Wunde kommt Eiter
Sollten Sie sich nach dem Biss oder dem Kratzer krank fühlen, Übelkeit haben oder Fieber bekommen, begeben Sie sich sofort in die Notaufnahme. Es könnte sich um eine Blutvergiftung handeln.
Auch interessant: Warum Katzen manchmal aus Liebe beißen
Wie verhalte ich mich, nachdem mich die Katze gebissen hat?
Die meisten Katzenbisse passieren – wie eingangs gesagt – ohne Absicht der Katze, also im Affekt. Eher seltener kommt es dazu, dass ein Tier direkt angreift. Auch Bisse im Spiel oder als Warnung, etwa weil die Katze etwas nicht möchte, sind selten so massiv, dass sie große Schäden anrichten.
Gehen wir jedoch davon aus, dass die Katze aus Angst bzw. Panik gebissen hat, ist das Wichtigste: Ruhe bewahren. Schimpfen Sie auf keinen Fall laut mit der Katze oder schlagen Sie gar nach dem Tier. Das kann die Situation nur noch verschärfen und das Verhältnis zur Katze nachhaltig schädigen.
Der Kontext, in dem die Katze gebissen hat, ist entscheidend dafür, wie man sich im Anschluss verhält. Beißt die Katze beispielsweise im Spiel, sollte man dies nicht einfach hinnehmen, sondern die Interaktion sofort beenden. Vor allem junge Katzen beim Spielen gerne mal zu, um sich auszuprobieren. Um dies zu vermeiden, sollte das Spielen mit den Händen generell ein Tabu sein.
Für Harmonie sorgen
Beißt die Katze aus Panik oder Angst, stehen viele Tiere auch noch Stunden nach dem Vorfall unter Strom. So passiert es nicht selten, dass Tiere, die eine fremde Katze im Garten sehen, so in Rage geraten, dass sie auf ihre Menschen losgehen, wenn diese sich zufällig in der Nähe aufhalten. In der Verhaltensbiologie spricht man auch vom „umgerichteter Aggression“.
Hier ist es wichtig, wieder schnellstmöglich für Harmonie zu sorgen, denn die Aggression kann sich nicht nur gegen Menschen, sondern auch andere im Haushalt lebende Katzen richten und langfristig das Verhältnis der Tiere belasten. Am besten gibt man der verängstigten Katze eine kleine Auszeit in einem ruhigen Zimmer, bis sie sich wieder beruhigt hat.
Expertin erklärt Diese heimischen Schlangen können für Hunde gefährlich werden
Angst vor Krankheiten Ich bin schwanger – was muss ich bei der Katzenhaltung beachten?
Risiko für das Tier Darum sollten Hunde nicht aus Pfützen trinken
Nicht nachtragend sein
Für uns Menschen ist es oft ein Schock, wenn einen die eigene Katze gebissen hat. Manche haben danach sogar Angst vor ihrem Tier. Hierbei ist jedoch wichtig, nicht nachtragend zu sein. Denn unsere Katzen leben im Hier und Jetzt und verstehen nicht, warum ihr Mensch plötzlich so abweisend ist.
Da ein solcher Vorfall nicht nur uns Halter, sondern auch die Katze stark verunsichern kann, ist es wichtig, Rituale wie Spiel und Kuscheln beizubehalten. Das signalisiert der Katze: Alles ist in Ordnung und kann helfen, dass sich die Tiere schneller wieder sicher fühlen.