
19. März 2025, 17:43 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Was in einer Katze vorgeht, ist für viele Halter häufig nicht leicht zu verstehen. Doch zeigen sie deswegen tatsächlich die klinischen Anzeichen für eine Psychopathie? Eine Studie hat dazu einen Fragebogen entwickelt, den PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler anhand von Kater Remo einmal auf den Prüfstand stellt.
Besitzen manche Katzen wirklich eine Veranlagung zum Psychopathen? Dies scheint zumindest eine Studie zu besagen, die sich bereits 2021 mit diesem Thema beschäftigt hat. Die Forscher haben anhand von 46 Fragen das sogenannte CAT-Tri+-Modell entwickelt – eine Skala zur Bewertung psychopathischer Tendenzen bei Hauskatzen. Aber kann man wirklich davon sprechen, dass Katzen unter denselben psychischen Störungen leiden könnten, die auch Serienmördern wie Jeffrey Dahmer oder Ted Bundy nachgesagt wurden?
Was ist Psychopathie?
Psychopathie ist ein Wort, das aus dem Alt-Griechischen stammt. Es setzt sich aus psychḗ, „Seele“, und páthos, „Leiden“ zusammen. Sie wird auch als antisoziale oder dissoziale Persönlichkeitsstörung verstanden. Allerdings zählt die Psychopathie nicht zu den Klassifikationssystemen für mentale Störungen und Krankheiten, die von Ärzten und Therapeuten genutzt werden. Denn sie tritt häufig eher als Nebeneffekt einer Diagnose mit einer Borderline- oder narzisstischen Persönlichkeitsstörung auf.
Vor allem ist dieses Verhalten geprägt durch Verantwortungslosigkeit, der Missachtung sozialer Normen und Regelungen, sowie vermindertem Schuldbewusstsein und herabgesetzter Empathie für die Belange von anderen. Oft zeigt sich auch eine niedrigere Hemmschwelle für gewalttätiges Verhalten, eine geringe Frustrationstoleranz sowie eine verminderte Fähigkeit, aus dem eigenen Verhalten zu lernen.
Menschen, die unter Psychopathie leiden, haben häufig Schwierigkeiten, sich auf Beziehungen einzulassen, oder andere überhaupt an sich heranzulassen. Betroffene kommen zudem leichter in Konflikt mit dem Gesetz. Allerdings bedeutet diese Störung natürlich nicht zwangsläufig, dass Menschen mit psychopathischen Tendenzen den Tod von anderen zu verantworten haben. Manche sind sogar sehr charmant und wissen, wie sie eine Situation oder eine Beziehung zu ihrem Vorteil gestalten können.
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Können Katzen Psychopathen sein?
Doch wie sollen diese Eigenschaften nun auf Katzen übertragbar sein? Das hat sich ein Forscherteam aus Liverpool gefragt und eine psychologische Skala entwickelt, um diese Eigenschaften bei Katzen zu untersuchen.
Ihr Fragebogen mit 46 Antwortmöglichkeiten basiert auf dem auch für Menschen verwendeten triarchischen Modell der Psychopathie, das für Katzen adaptiert wurde. Daher auch die Bezeichnung CAT-TRI+. Dieser Persönlichkeitstest soll feststellen, wie viel Aggressivität, Fruchtlosigkeit und Impulsivität in Katzen steckt. Ebenfalls abgefragt werden Haustier- und Menschen-Feindlichkeit.
Frühere Forschungen haben verschiedene Modelle zur Kategorisierung von Katzenpersönlichkeiten entwickelt, darunter das „Feline Five“-Modell, das fünf Hauptdimensionen beschreibt: Verträglichkeit, Dominanz, Extraversion, Impulsivität und Neurotizismus. Allerdings ließen sich damit eher positive Verhaltensweisen untersuchen. Mit diesem Modell wollten die Forscher also nun die dunkleren Ecken einer Katzenpsyche beleuchten.
PETBOOK macht den Psychopathie-Test für Katzen
Der Psychopathie-Test für Katzen basiert auf einem Modell mit fünf Faktoren:
- Mut (Boldness): Eine Katze mit hohen Werten in diesem Bereich ist furchtlos, risikobereit und wenig stressanfällig.
- Aggressivität (Meanness): Diese Katzen zeigen gefühlloses Verhalten, sind wenig sozial und reagieren oft mit Aggression.
- Impulsivität (Disinhibition): Charakterisiert durch unkontrolliertes Verhalten, geringe Anpassungsfähigkeit und spontane Reaktionen.
- Haustier-Feindlichkeit: Katzen mit hohen Werten in diesem Bereich zeigen negative Interaktionen mit anderen Haustieren.
- Menschen-Feindlichkeit: Diese Katzen meiden den Kontakt mit Menschen oder reagieren aggressiv auf Annäherung.
Diese Kategorien kann man anhand des Fragebogens mit 1 bis 5 bewerten, wenn sie nicht anwendbar sind, wird die Frage gestrichen und geht nicht in die Endwertung ein.
In der Kategorie „Mut“ gibt es 12 Fragen zu beantworten, bei denen vier nicht auf Redaktionskater Remo zutreffen, da er eine Wohnungskatze ist. Die restlichen acht Fragen ergaben für ihn einen „Mut“-Wert von 2,625. Seinen höchsten Wert fuhr Remo in der Kategorie „Impulsivität“ ein, da viele Fragen mit der vollen Punktzahl von 5 bewertet wurden. Insgesamt erhält er in diesem Bereich einen Wert von 4,58.
Die anderen drei Kategorien waren um einiges niedriger bewertet. Er erhielt nur bei der Frage, ob er aus Erfahrungen nicht lernt eine Wertung von 5, doch die restlichen Faktoren trafen auf ihn nicht zu, sodass er in der Kategorie „Aggressivität“ insgesamt eine Wertung von 1,55 erhält. Eine Menschen-Feindlichkeit (Wert von 1) kann man bei ihm überhaupt nicht feststellen und auch eine Unverträglichkeit mit anderen Haustieren ist eher niedrig (Wert von 1,85).
Warum die Auswertung schwierig ist
Dieser Wert ist am bemerkenswertesten, denn eigentlich wurde Remo als unverträglich mit anderen Haustieren, insbesondere Katern eingestuft. Im Tierheim hatte er sich vorab stets mit anderen Katzen gestritten und musste teils sogar komplett im Käfig gehalten werden. Im Alltag zeigt sich dieses Verhalten nun nicht mehr. Er genießt zwar seine Freiheiten und weist andere Haustiere, die zu Besuch sind, in ihre Schranken, greift aber keines tätlich an.
Doch was ergibt sich nun aus diesen verschiedenen Werten? Der klassische triarchische Psychopathie-Test würde an dieser Stelle die Schnittmengen der drei Verhaltensweisen Mut, Aggressivität und Impulsivität zusammenrechnen. Gibt es hohe Werte bei Aggressivität und Impulsivität spricht dies für einen schwierigen Charakter. Gibt es jedoch hohe Werte in den Bereichen Mut und Aggressivität, spricht dies für ein geringes Angstempfinden, auch Autoritätspersonen gegenüber.
Treffen alle drei Aspekte in hohem Maße zu, spricht man auch von der dunklen Triade, die Wahrscheinlichkeit für Psychopathie ist hier also sehr hoch. Allerdings lässt der CAT-TRI+ diese Zusammenhänge gar nicht zu, weil man im letzten Schritt nur einen Mittelwert aus allen Bereichen ermittelt.
Interpretation von Remos „Psychopathie-Test“
Man addiert also am Ende alle Werte und teilt sie durch die Anzahl der beantworteten Fragen. Remo kommt bei 42 beantworteten Fragen zusammen auf einen Wert von 2,61 – also ein klassischer Mittelwert auf der Skala von 1 bis 5. Bedeutet das nun, dass die Katze ein Psychopath ist? Nein, natürlich nicht! Denn der Durchschnittswert hat ohne weitere Interpretation keine Bedeutung. Da Remos Gesamtergebnis Rückschlüsse dieser Art nicht zulässt, muss man seine Werte genauer analysieren:
- Mut (Boldness) – 2,625 (moderat)
→ Die Katze ist weder extrem ängstlich noch besonders risikofreudig. Sie zeigt eine gewisse Neugier, erkundet neue Orte und meistert Herausforderungen, aber ohne übermäßige Furchtlosigkeit. - Impulsivität (Disinhibition) – 4,58 (hoch)
→ Die Katze handelt oft spontan und ohne viel Selbstkontrolle. Sie könnte unberechenbare Verhaltensweisen zeigen, z. B. plötzlich angreifen, übermäßig verspielt oder ungestüm sein oder Regeln ignorieren. - Aggressivität (Meanness) – 1,58 (niedrig)
→ Die Katze zeigt kaum aggressives Verhalten. Sie ist wahrscheinlich eher sozial, freundlich und nicht besonders dominant oder gefühllos. - Haustier-Feindlichkeit (Pet-Unfriendliness) – 1,85 (niedrig bis moderat)
→ Die Katze verträgt sich mit anderen Haustieren im Haushalt relativ gut, könnte aber gelegentlich Grenzen setzen oder eine leichte Abneigung zeigen. - Menschen-Feindlichkeit (Human-Unfriendliness) – 1,00 (sehr niedrig)
→ Die Katze mag Menschen und zeigt keine Abneigung oder Aggressivität. Sie akzeptiert vermutlich Streicheleinheiten und hat eine enge Bindung zu ihrem Halter.
Warum es bei dem Test nie um Psychopathie bei Katzen ging
Remo ist also alles andere als ein „Psychopath“. Vielmehr ist er tatsächlich freundlich zu Menschen und anderen Tieren, denen aber manchmal zeigt, dass er hier der Chef ist. Allerdings ist er nicht aggressiv oder „gefühlskalt“. Er ist sehr impulsiv und zeigt teils unkontrolliertes Spielverhalten oder plötzliche Bewegungen. Er hat eine moderate Abenteuerlust aber kein übermäßiges Risikoverhalten. Mein Kater ist also eher verspielt, energiegeladen und manchmal ungestüm.
Mit dem CAT-Tri+ Fragebogen haben die Wissenschaftler also eine Skala entwickelt, um psychopathische Tendenzen bei Katzen zu erfassen – mehr auch nicht. Die Studie zeigt aber vor allem, dass Eigenschaften wie Mut, Aggressivität und Impulsivität die Mensch-Katze-Beziehung maßgeblich beeinflussen können – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Während furchtlose und aggressive Katzen eine schlechtere Beziehung zu ihren Besitzern hatten, schien Impulsivität sogar die Bindung zu stärken, wie sie selbst in ihrer Untersuchung schreiben. 1
Denn Psychopathie bei Menschen ist letztendlich mit komplexen sozialen Manipulationsstrategien verbunden. Katzen dagegen sind evolutionär nicht auf soziale Interaktionen angewiesen und daher eigentlich unfähig zum Psychopathen im klassischen Sinne zu werden. Daher stellt sich die Frage, inwiefern diese Psychopathie-Modelle tatsächlich auf Katzen übertragbar sind.
Tiere mit problematischen Verhaltensweisen mit CAT-TRI+ besser verstehen
Auch Hauptautorin Rebecca Evans schränkt die Bedeutung des Wortes Psychopath im Bezug auf Katzen in ihrer Untersuchung deutlich ein. Sie sagte zu „Metro“ nach der Veröffentlichung der Studie: „Wir glauben, dass sich die Psychopathie wie jedes andere Persönlichkeitsmerkmal auf einem Kontinuum befindet, bei dem einige Katzen höhere Werte aufweisen als andere.“ Es sei wahrscheinlich, dass alle Katzen ein Element der Psychopathie aufweisen, da dies für ihre Vorfahren einst hilfreich war, um Ressourcen wie Nahrung, Territorium und Paarungsmöglichkeiten zu erwerben.
„Eine Katze mit einer hohen Punktzahl auf der ‚Mut‘-Skala könnte beispielsweise von großen Kratzbäumen und hohen Kratzbäumen profitieren, da die CAT-TRI+-Elemente darauf hindeuten, dass eine kühne Katze gerne erkundet und klettert“, fügt Evans hinzu.
Das Team hofft also nicht, dass wir alle entdecken, dass unsere Katzen Psychopathen sind, sondern vielmehr, dass der Fragebogen dazu beiträgt, die Beziehung zwischen Katze und Besitzer zu verbessern und so die Zahl der Haustiere, die in Tierheimen abgegeben oder eingeschläfert werden, zu verringern. Der Test könne auch von Besitzern oder Tierärzten genutzt werden kann, um unerwünschte Verhaltensweisen aufzuzeigen und die Umgebung einer Katze zu verbessern, damit sie ihrem Charakter entspricht.

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Katzen spielen nicht aus Sadismus mit Beute
Also dreht es sich bei den Charaktereigenschaften der Tiere nicht um die klinische Definition der menschlichen Psychopathie, sondern eher um Durchsetzungsvermögen, einer kräftigen Portion Selbsterhaltungstrieb und der Fähigkeit, aus vielen Situationen das Beste zu machen. Wenn also Katzen wie Remo bei zwei verschiedenen Menschen nach Leckerli betteln, heißt das nicht, dass sie Meister der Manipulation sind. Sie sind schlicht auf ihren eigenen Vorteil bedacht.
Und wenn Remo mit einer Fliege spielt, bevor er sie verspeist, bedeutet das eigentlich nur ein Zusammentreffen von zwei Faktoren: seine angeborenen Instinkte treffen auf Domestizierung und das Wissen, dass er diese Beute eigentlich nicht braucht. Den Sadismus dahinter vermuten nur wir Menschen – doch so „denken“ Katzen einfach nicht.