9. September 2024, 17:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Katzen spielen gerne mal die beleidigte Leberwurst. Nicht nur, weil wir die Frechheit besaßen, ohne sie in den Urlaub zu fahren, sondern auch schon, wenn die falsche Futtersorte im Napf landet. Aber können Katzen wirklich beleidigt sein? PETBOOK-Redakteurin und Expertin für Katzenverhalten Saskia Schneider ist dieser Frage einmal nachgegangen.
Meine Katze Alva war stets zutiefst beleidigt, wenn ich wieder mal fünf Wochen in den Semesterferien in Hessen bei meinem Freund verbrachte. Zumindest hatte ich den Eindruck. Die sonst enge Bindung, die wir hatten – abends im Bett zusammen kuscheln, gemeinsam in die Küche gehen, um zu Snacken – lag mindestens für ein paar Tage auf Eis. Irgendwann kam die Katze gar nicht mehr zu mir ins Zimmer – ich wohnte damals noch mit meinen Eltern zusammen. Doch lag es wirklich daran, dass Alva beleidigt war, weil ich öfter im Jahr für längere Zeit weg war?
Diese Frage lässt sich gar nicht so leicht beantworten, denn es kommt auch darauf an, wie man „beleidigt sein“ definiert.
Was bedeutet es „beleidigt zu sein“?
Beleidigt zu sein bedeutet, in seinen Gefühlen oder in seiner Ehre verletzt zu sein. Dies kann durch Worte oder Handlungen geschehen. Jemanden zu beleidigen heißt also, ihn in seiner Ehre, seinem Recht oder seinem Denken und Fühlen durch verächtliches Betragen, abfällige Reden, einen falschen Verdacht, durch Geringschätzung oder durch herausforderndes Verhalten zu verletzen.1
Laut Definition setzt das Beleidigtsein also ein Rechtsverständnis bzw. Moralvorstellungen voraus. Bei beidem handelt es sich jedoch um menschengemachte Konstrukte, die bei Tieren nicht vorhanden sind. Katzen können also nicht in dem Sinn beleidigt sein, dass sie sich in ihrer Ehre verletzt oder ungerecht behandelt fühlen.
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Katzen können verärgert oder empört sein
Umgangssprachlich meinen wir aber auch, dass jemand beleidigt ist, wenn er einem ein Verhalten krumm nimmt – also „eingeschnappt“ ist. So gibt es etwa den Ausdruck der „beleidigten Leberwurst“. Dies trifft auf Katzen schon eher zu.
Katzen lieben einen Alltag mit festen Ritualen und Zeit mit ihren Menschen. Ein geregelter Tagesablauf gibt den Tieren Sicherheit. Kommen wir nach langer Zeit von einer Urlaubsreise wieder, bedeutet das für die Katze eine große Veränderung in ihrem Alltag, der vielleicht drei Wochen aus Katzensitter bestand. Plötzlich sind da so viele neue Gerüche, Koffer, Hektik beim Auspacken.
All dies verunsichert Katzen. Wer weiß, ob wir nicht gleich wieder fahren? Viele Tiere sind zunächst skeptisch, ziehen sich daher zurück. Auf uns wirkt das dann, als wäre die Katze beleidigt.
Unsicherheit als Auslöser des Verhaltens
Dasselbe gilt übrigens für die Abreise. Viele haben den Eindruck, ihre Katze sei schon beleidigt, wenn die Koffer gepackt werden. Manche Tiere ziehen sich zurück, wollen nicht mehr kuscheln oder setzen sich aus „Protest“ auf den Koffer.
Doch die Katze hat hier nicht den Gedanken: „Mein Mensch fährt in den Urlaub – wie unerhört! Ich zeig’ ihm mal, was ich davon halte.“ Vielmehr sind die Tiere verunsichert, denn vor einem Urlaub herrscht meist Hektik. Es wird geräumt, geplant und im Vorfeld ändert sich bereits der Alltag unserer Haustiere. Wichtige Rituale fallen weg, weil andere Dinge zu tun sind.
Das spüren Katzen und weil ihnen so viel an Ritualen und gleichen Abläufen liegt, entsteht eine große Unsicherheit. Die Tiere ziehen sich zurück und wollen plötzlich nicht mehr mit uns spielen oder kuscheln, was wir dann als „beleidigt sein“ missinterpretieren.
Manche Tiere werden sogar unsauber, was gerne als „Protestpinkeln“ bezeichnet wird. Doch keine Katze uriniert aus Protest. Auch hier ist die Unsicherheit Auslöser für das Verhalten. Anders sieht es übrigens beim „Protestsitzen“ auf dem Koffer aus. Hier sind die meisten Katzen einfach neugierig und nutzen den Koffer als Versteck, Kuschelhöhle oder neuen Sitzplatz – ähnlich wie bei leeren Kartons.
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Was kann ich tun, wenn meine Katze „beleidigt“ ist?
Haben Sie das Gefühl, Ihre Katze nimmt Ihnen etwas übel und zieht sich zurück oder zeigt Ihnen die kalte Schulter, sollten Sie dem Tier zunächst Zeit geben. Versuchen Sie nicht gleich, auf die Katze zuzugehen oder sie zu bedrängen, in der Hoffnung, sie würde kuscheln kommen. Wir Menschen fühlen uns oft schlecht und wollen unser Tier am liebsten sofort in den Arm nehmen und trösten oder uns entschuldigen. Mit solch einem Verhalten können Katzen aber nichts anfangen.
Die größte Freude machen Sie Ihrer Katze tatsächlich mit einem geregelten Tagesablauf. Beginnen Sie, Rituale wie Futter- oder Spielzeiten wieder aufzunehmen – oder führen Sie diese ein, falls noch nicht geschehen. Dies gibt Katzen Sicherheit und Gewissheit: Alles ist wieder beim Alten – vor allem nach einem langen Urlaub. Geben Sie Ihrem Tier Zeit, selbst auf Sie zuzukommen und Kuscheleinheiten einzufordern. Je nach Katze und Gemüt kann dies einige Tage dauern.
Selten ist es der Fall, dass die Tiere so sehr verunsichert oder „verletzt“ sind, dass sie den Kontakt zu ihrem Menschen langfristig meiden oder gar abbrechen, wie es bei Alva der Fall war. Am Ende kam die Katze gar nicht mehr in mein Zimmer, um zu spielen oder zu kuscheln – selbst dann nicht, wenn meine Eltern längere Zeit im Urlaub waren. Lediglich Futter forderte sie noch ein. Dieses Verhalten sollte man aber nur dann hinnehmen, wenn es im Leben der Katze noch andere enge Sozialkontakte gibt. Etwa andere Personen im Haushalt oder eine Mitkatze.