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Krallenamputation!

Katzen die Krallen entfernen? Darum ist dieser Eingriff in Deutschland verboten

Das Declawing von Katzen ist in Europa zu Recht verboten. Die Amputation der Krallen schadet dem Tier immens, verursacht Schmerzen und schränkt sein natürliches Verhalten drastisch ein.
Das Declawing von Katzen ist in Europa zu Recht verboten. Die Amputation der Krallen schadet dem Tier immens, verursacht Schmerzen und schränkt sein natürliches Verhalten drastisch ein. Foto: Getty Images
Sonja Jordans

29. Oktober 2024, 17:34 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

In einigen Ländern, wie den USA und Kanada, werden Katzen nicht selten die Krallen gezogen. Die Prozedur ist dort nicht verboten und wird von Tierärzten durchgeführt. Das sogenannte „Declawing“ hört sich harmlos an, verspricht Haltern von Kratzspuren freie Möbel, unverletzte Hände und soll den Tieren laut Befürwortern nicht schaden. In Deutschland gilt der Eingriff, der nichts mit Krallenkürzen zu tun hat, aber als Tierquälerei und ist verboten.

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Es klingt relativ harmlos: Ein kleiner Eingriff, bei dem Katzen unter Betäubung die Krallen an den Vorderpfoten gezogen werden. Und schon werden keine Menschen mehr verletzt, Möbel und Vorhänge bleiben frei von Kratzern und die Tiere lassen sich angeblich besser im Haus halten. Dort benötigen sie ihre Krallen ja ohnehin nicht – so zumindest lauten die Argumente der Befürworter des sogenannten „Declawing“, medizinisch Onychektomie. Damit ist das vollständige Entfernen der Katzenkrallen, meist an den Vorderpfoten gemeint.

In Europa ist das Declawing gesetzlich verboten

Doch so einfach, wie es klingt, ist Declawing nicht – vor allem nicht für das Tier. Denn für die betroffenen Katzen ist das Entfernen der Krallen nicht nur mit dem Risiko des Eingriffs selbst, sondern auch mit Schmerzen verbunden. Hinzu kommen möglicherweise Wundheilungsstörungen, Infektionen sowie ein drastischer Verlust an Lebensqualität. Dennoch ist das Declawing vor allem in den USA keine Seltenheit und wird dort regelmäßig von Tierärzten vorgenommen. In der EU dagegen ist es seit 2006 verboten. Gleiches gilt unter anderen für die Schweiz, Australien, Neuseeland und Brasilien.1

In der gesamten EU und somit auch Deutschland gilt: Katzenkrallen dürfen wenn überhaupt nur bei medizinischer Notwendigkeit entfernt werden. Solche Ausnahmen etwa liegen vor, wenn sich eine Katze an der Kralle verletzt hat, sie bereits größtenteils herausgerissen ist und nicht mehr heilen wird und das Risiko besteht, dass sich die Wunde schwer entzündet. Ansonsten gilt es als Tierquälerei und kann entsprechend bestraft werden, denn Katzen benötigen ihre Krallen ebenso im Alltag wie ihre Schnurrhaare, die ebenfalls nicht entfernt werden dürfen.  

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Allzweck-Werkzeug für jede Lebenslage 

An ihren Hinterpfoten haben Katzen je vier, an den Vorderpfoten fünf Krallen, die stärker gebogen sind als jene hinten und es der Katze beispielsweise ermöglichen, sich beim Klettern besser festzuhalten. Doch nicht nur für das körperliche, sondern auch das seelische Wohlbefinden des Tiers sind Krallen unerlässlich. Sie sind ein nützliches „Allzweck-Werkzeug“. Die Tiere benötigen sie unter anderem zum Klettern, Festhalten, als Balancierhilfe, zur Verteidigung, als Kommunikationsmittel, um sich einen Leckerbissen zu angeln, bei der Jagd und um sich zu kratzen, wenn es juckt. Auch bei der Fellpflege leisten Krallen gute Dienste, unterstützen das Entwirren verknoteter Haarbüschel und helfen, Parasiten aus dem Haarkleid zu befördern.

Katzen verfügen von Geburt an über Krallen, die, wie menschliche Fingernägel, aus Horn bestehen. Und schon in den ersten Wochen eines Katzenlebens erfüllen die noch winzigen Krallen eine wichtige Funktion. Das Neugeborene kann sich damit nicht nur im Fell der Mutter festhalten, sondern regt  mit dem sogenannten Milchtritt auch die Milchproduktion der Mutterkatze an. Auch erwachsene Katzen zeigen mitunter noch den Milchtritt, wie zahlreiche Halter bestätigen können.

Das Tier beginnt, auf der Stelle zu „treten“ und fährt dabei die Krallen ein- und wieder aus – oft begleitet von intensivem Schnurren. Gerne zeigen die Tiere dieses Verhalten, wenn sie mit ihren Menschen zeigen möchten, dass sie sich gerade besonders wohlfühlen.  

Trittsicherheit dank Krallenpfoten 

Wer schon mal erlebt hat, wie Katzen sich streiten, weiß: Krallen dienen auch der Verteidigung. Besonders bei Revierkämpfen unter Freigängern werden sie eingesetzt, sodass es mitunter sogar zu Verletzungen beim Gegner kommen kann. Auch gegenüber Hunden oder Menschen setzen Katzen ihre Krallen mitunter ein, wenn aufdringliche Vier- oder Zweibeiner die zuvor ausgesandten, warnenden Signale der genervten Katze nicht verstehen wollten. Daher erfüllen die Krallen auch eine wichtige Funktion im Sozialleben der Katze.

Mit dem Kratzen an Bäumen oder Holztüren markieren Katzen außerdem ihr Revier. Beim Kratzen bringt die Katze nämlich zugleich Duftspuren aus ihren Pfotenballen an, die anderen Artgenossen signalisieren, dass dieses Revier bereits besetzt ist und wer dort das Sagen hat. Das gilt übrigens auch für Wohnungskatzen, deren Instinkte und Interaktionen mit der Umgebung nicht ausgeschaltet werden, nur weil sie nicht in freier Wildbahn leben. Daher kratzen auch Hauskatzen weiterhin an Kratzbäumen oder, wenn ihnen diese Möglichkeit fehlt, an geeigneten Möbeln.

Wohnungskatzen haben nach wie einen Jagdtrieb

Auch ihrem Jagdtrieb gehen die Tiere weiterhin nach, obgleich sie regelmäßig gefüttert werden. Katzenhalter wissen: Spielen, Krallen wetzen und anschleichen gehören zum täglichen „Fitnessprogramm“ des Vierbeiners – und auch dazu nutzt die Katze ihre Krallen. Katzen ohne Krallen fänden dabei allerdings keinen Halt. Klettern, auf den Kratzbaum oder eine Mauer springen, balancieren: Ohne Krallen ist das kaum noch möglich.

Selbst normales Laufen fällt einer Katze nach dem Declawing schwer, denn die Krallen stabilisieren die Pfoten der Tiere. Katzen sind sogenannte Zehengänger, die – wie das Wort schon sagt – auf den Zehenspitzen laufen statt der ganzen Pfote. Der Mensch dagegen nutzt den ganzen Fuß. Als Zehengänger jedoch ist ein ausgeprägter Gleichgewichtssinn ebenso wichtig wie stabile Pfoten. Ohne Krallen würde eine Katze daher eher unsicher auf ihren Beinen sein.  

Was passiert beim Declawing? 

Dennoch werden Katzen vor allem in den USA immer noch die Krallen gezogen. Und auch hierzulande zeigt ein Blick in Katzenforen, dass immer wieder Halter nach einer solchen Möglichkeit fragen, wenn ihr Tier seine Krallen nicht von den Möbeln fernhält. Die Prozedur des Declawing hat jedoch nichts mit einem eventuell notwendigen Kürzen von Katzenkrallen zu tun. Ebensowenig ist sie mit dem Schneiden menschlicher Fuß- oder Fingernägel vergleichbar, sondern vielmehr grausame Tierquälerei.

Wie die Seite wir-sind-Tieraerzte.de berichtet, handelt es sich beim Krallenziehen in Wahrheit „um eine Amputation, da nicht nur die Kralle, sondern auch die Phalanx distalis des Os Metacarpale entfernt wird“. Das heißt, dass den Tieren nicht nur die Kralle, sondern jeweils das gesamte vordere Knochenglied entfernt wird, aus dem die Kralle herauswächst. Meist werden diese Amputationen ausschließlich an den Vorderbeinen durchgeführt, was sie jedoch nicht weniger grausam für die Tiere macht. Wie wir-sind-Tieraerzte.de weiter berichten, werden „an sämtlichen Knochen einer Pfote zeitgleich Haut, Sehnen, Nerven und Knochen verletzt. Bei einem Menschen entspräche dies dem Abschneiden des jeweils letzten Fingergliedes“.

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Verfechter des Declawings argumentieren mit Selbstschutz

Der Eingriff kann nur unter Vollnarkose durchgeführt werden, was ebenfalls  Risiken für das Tier birgt. Zudem benötigen die Wunden rund zwei Wochen, um zu verheilen. Mindestens während dieser Zeit leiden die Tiere Schmerzen und können mitunter kaum laufen. Befürworter der Praxis vor allem in den USA jedoch argumentieren, dass die Tiere nach der Amputation keine Gefahr mehr für gesundheitlich beeinträchtigte Menschen darstellen, die auf Katzenkratzer unter Umständen mit schweren Wundinfektionen reagieren könnten.

Die Amputation schütze Katzen zudem davor, im Tierheim zu landen, denn Tiere, die Möbel zerkratzen oder ihre Halter verletzen, würden rasch wieder abgegeben. Vor allem dieses Argument spreche demnach für eine Amputation. Zudem werden Katzen in den Vereinigten Staaten oft im Haus gehalten, wo sie ihre Krallen nach Ansicht der Amputations-Befürworter ohnehin nicht benötigten. 

Arthritis, Schmerzen, Aggressivität 

Die Folgen einer Amputation sind für die Tiere jedoch weitaus drastischer, als sich deren Halter einreden. Dass Katzen zumindest direkt nach dem Eingriff Schmerzen verspüren, ist unbestritten. Wie lange die Tiere nach einer Krallenamputation wirklich leiden und ob sie vielleicht sogar chronische Schmerzen spüren, lässt sich dagegen kaum mit Sicherheit feststellen. Da Katzen jedoch wahre Meister darin sind, Schmerzen und Unwohlsein vor anderen – auch ihren Haltern – zu verbergen, leiden sie mitunter womöglich jahrelang stumm und unbemerkt.

Auch Spätfolgen wie Arthritis sind nicht ausgeschlossen, da Katzen, denen die Krallen amputiert wurden, typisches Katzenverhalten wie Kratzen, Dehnen und Klettern nicht mehr so intensiv zeigen können wie vor der Amputation. Dadurch kann es zu muskulären Problemen kommen, die wiederum Arthritis und ähnliche Erkrankungen begünstigen. Auch die Körperhaltung einer Katze verändert sich oft nach dem Declawing, da die Tiere nicht mehr so trittsicher sind wie früher und womöglich unter Schmerzen beim Laufen leiden. Daher verändern sie ihre Körperhaltung und versuchen, ihr Körpergewicht anders als zuvor zu verteilen. Dadurch müssen plötzlich Knochen, Muskeln und Bänder das Gewicht bei Sprüngen oder auch normalen Bewegungsabläufen abfangen, die ohne Amputation nicht oder nicht in diesem Maß belastet worden wären.

Zudem weisen Untersuchungen darauf hin, dass Katzen, denen die Krallen entfernt wurden, häufiger Stresssymptome zeigen und daher ängstlicher oder auch aggressiver gegenüber „ihren“ Menschen reagieren. Eine krallenamputierte Katze neigt ferner dazu, häufiger zu beißen, vermutlich, da ihre Krallen als „Waffe“ nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch die Benutzung der Katzentoilette fällt Tieren nach einer Krallenamputation schwer. Das Scharren und Kratzen im Sand unterbleibt oft selbst dann, wenn weiche Streu verwendet wird. Die Folge können Kot- und Urinspuren an anderen Stellen im Haus sein, da die Katze ihre Toilette nicht mehr verwenden kann und möchte.  

Kunststoffkapseln als Alternative 

Inzwischen werden nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande kleine Kunststoffkappen als Alternative zur Krallenamputation angeboten. Diese werden ähnlich einem Fingerhut über jede einzelne Kralle gesteckt und sollen verhindern, dass die Katze ihre scharfen Krallen in Möbel oder Menschenarme schlägt. Beispielsweise Schauspielerin Kate Beckinsale soll ihren Katzen die kleinen, bunten Plastikkappen über die Krallen gezogenen haben.

Wie Prof. Dr. Ralf S. Müller, Fachtierarzt für Kleintierdermatologie am Zentrum für klinische Tiermedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Gespräch mit rtl.de erläuterte, komme es auf die Lebenssituation der Katze an, ob diese Kappen sinnvoll sind. Bei Wohnungskatzen sei ein Krallenschutz seiner Ansicht nach kein Problem. Freigängerkatzen sollten diese Kappen aber nicht tragen.Der Grund: Das Tier müsse unter Umständen auf einen Baum flüchten oder sich wehren können, was mit einem Krallenschutz nicht möglich ist.

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Die Gründe können hinter Kratzlust und Aggressionen stecken

Aber auch bei gesundheitlichen Problemen können Krallenkappen laut Müller hilfreich sein. Leiden Wohnungskatzen etwa an schwerem Juckreiz und kratzen sich daher unablässig bis zur Verletzung der Haut, kann ein Krallenschutz verhindern, dass sich die Katze blutig kratzt und so Behandlung und Heilung erleichtern. Allerdings dürften es sich nicht alle Katzen gefallen lassen, mit einem Krallenschutz ausgestattet zu werden. Halter müssen ihr Tier daher vermutlich erst daran gewöhnen.

Um zu verhindern, dass Katzen Möbel oder Menschen kratzen, kann außerdem auch eine Verhaltenstherapie herangezogen werden. Womöglich hat die Katze Schmerzen, sodass sie ihre Menschen attackiert. Möglicherweise ist ihr einfach langweilig, wenn sie sich immer wieder an den Möbeln vergreift. Ein Gang zum Tierarzt kann Aufklärung bringen. Und wer seinem Tier genug Abwechslung und eine katzengerechte Umgebung verschafft, kann das Kratzen an Möbeln vielleicht schon damit verhindern.  

Krallenschneiden bei Notwendigkeit 

Auch wenn das Ziehen der Katzenkrallen zu Recht in Europa verboten ist, kann es mitunter notwendig sein, den Tieren die Krallen zu schneiden. Doch das hat nichts mit dem grausamen Declawing zu tun, sonden ist für das Tier – richtig durchgeführt – schmerzfrei. Zwar nutzen sich bei gesunden, aktiven Tieren die Krallen von selbst ab, sodass ein Kürzen in der Regel nicht nötig ist.2

Besonders aber ältere Katzen, die sich nicht mehr selbst um die Krallenpflege kümmern können, kranke oder geschwächte Tiere benötigen unter Umständen Unterstützung bei der Pflege. Denn zu lange Krallen stellen ein Verletzungsrisiko dar, Katzen können damit hängenbleiben und sich verletzen.

Kratzt sich die Katze, kann sie sich mit zu langen und ungepflegten Krallen außerdem selbst verletzen. Sind die Krallen zu lang, hilft mitunter also nur der Griff zur Schere. Dabei sollten Halter aber sehr vorsichtig vorgehen, denn die Krallen sind von Nerven und Blutgefäßen durchzogen. Die dürfen nicht verletzt werden. Daher darf man nicht zu weit oben abschneiden. Ebenfalls tabu ist, für die Aktion zu einer handelsüblichen Nagelschere oder gar einem Nagelknipser für Menschen zu greifen. Katzenhalter sollten daher unbedingt spezielle Krallenscheren nutzen – oder gleich zum Tierarzt oder in einen auf Katzenpflege spezialisierten Tiersalon gehen.3

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Zudem ist es ratsam, die Katze vor dem ersten Einsatz langsam an die Prozedur zu gewöhnen. Wehrt sich das Tier, kann es ansonsten zu Verletzungen führen, wenn der Mensch daraufhin versehentlich zu tief in die Kralle oder gar daneben schneidet. Am besten üben Katze und Halter schon frühzeitig den Umgang mit Krallenschere und Pfotenbehandlung. Im Internet gibt es zahlreiche Tipps und Ratgeber, wie sich Katzen am besten auf eine solche Behandlung vorbereiten lassen.  

Fazit: Das Declawing bei Katzen ist in Europa zu recht verboten. Denn die Krallenamputation schadet dem Tier immens, verursacht Schmerzen und schränkt das natürliche Verhalten des Tiers drastisch ein. Die Prozedur dient letztlich nur dem Menschen. Wer jedoch Sorge hat, eine Katze könnte an Möbeln und Wänden kratzen oder beim Spielen die Hände der Halter verletzen, sollte ganz auf das Tier verzichten, statt es sich nach eigenen Vorstellungen zurechtoperieren zu lassen. 

Themen Katzenverhalten

Quellen

  1. mefics.org, „Cat Declawing: Pro, Contra und sichere Alternativen“, (aufgerufen am 29.10.2024) ↩︎
  2. mdpi.com, „The Effects of Onychectomy (Declawing) on Antebrachial Myology across the Full Body Size Range of Exotic Species of Felidae“, (aufgerufen am 29.10.2024) ↩︎
  3. tiergesund.de, „Krallen schneiden bei Katzen: Tipps zur Pflege“, (aufgerufen am 29.10.2024) ↩︎
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