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Verhalten erklärt

Warum Katzen Futter am Napf-Rand liegen lassen

Eine Katze steht neben ihrem Napf, in dem am Rand noch Futter ist
Hungrig gucken, obwohl am Rand des Napfes noch Futter ist? Das ist bei manchen Katzen schon fast eine Kunstform – oder steckt vielleicht ein erlerntes Verhalten dahinter? Foto: Getty Images / Mary Swift
Louisa Stoeffler
Redakteurin

12. August 2023, 16:10 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Viele Katzenhalter kennen das Phänomen: Das Tier sitzt vor dem Napf und miaut uns hungrig an, obwohl am Rand noch viel Futter liegt. Manche Katzen zeigen dieses Verhalten bereits, sobald sie den Boden des Napfes sehen können. Aber woran liegt das?

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Wenige Themen beschäftigen Katzenhalter so sehr, wie die Ernährung ihrer Tiere. Manche Katzen verhalten sich bei jeder Mahlzeit, als hätten sie tagelang nichts bekommen. Andere starren anklagend in leere Näpfe. Ein weiteres Phänomen ist der für die Katze vermeintlich leere Napf, obwohl noch viel Futter am Rand liegt. Für dieses Verhalten gibt es jedoch plausible Gründe.

„Ich sehe den Boden vom Napf. Du willst mich verhungern lassen!“

Das Fressverhalten von Katzen ist je nach Individuum unterschiedlich. Manche schlingen ihr Futter direkt nach der Befüllung des Napfes herunter, sodass kein Krümelchen mehr übrig bleibt. Andere teilen sich ihre Portionen gut über den gesamten Tag ein. Doch viele Katzen legen ein Verhalten an den Tag, dass dazu geführt hat, dass es im Internet unzählige Memes über scheinbar leere Näpfe gibt, bei denen das Futter an den Rand des Napfes geschoben wurde. Manche davon vergleichen einen vollen Napf mit einem, bei dem Futter am Rand liegt. Dieser sei aus Katzensicht natürlich komplett leer.

Eine Theorie besagt, dass Katzen das Futter am Rand vom Napf auf die kurze Entfernung nicht gut sehen können und es deswegen nicht anrühren. Auf eine Entfernung von 30 Zentimetern können Katzen tatsächlich nicht besonders gut gucken, allerdings berücksichtigt diese Theorie nicht, dass die Tiere sich auch viel mithilfe anderer Sinne, wie dem Tastsinn ihrer Schnurrhaare und ihrer Zunge im Napf orientieren. Die Schnurrhaare sind tatsächlich das passende Stichwort, um dem seltsam anmutenden Verhalten auf den Grund zu gehen.

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„Schnurrhaar-Stress“ bewirkt, dass Katzen Futter am Rand des Napfes lassen

Bei jeder Katze, aber gerade bei Exemplaren, die lange Schnurrhaare haben und zu kleine Näpfe nutzen, kann sogenannter „Schnurrhaar-Stress“ entstehen. Dieser Begriff leitet sich von den englischen Bezeichnungen „Whisker stress“ oder „Whisker fatigue“ ab. Der Stress oder auch die Erschöpfung, die Katzen empfinden, wenn ihre Schnurrhaare überreizt sind, kann eine Erklärung dafür sein, dass sie Futter am Rand des Napfes zurücklassen.

Die auch Vibrissen genannten Tasthaare erlauben es den Tieren, sich gut im Raum zu orientieren, da sie Reize direkt ans Gehirn weiterleiten. Stoßen die Katzen also beim Fressen permanent mit den Schnurrhaaren an den Rand des Napfes, können ihre Synapsen ganz leicht durch die anhaltende Stimulation überreizen. Bei andauernder Überlastung des Nervensystems schalten sich auch die Schmerzrezeptoren an. Das Tier lässt das Futter also liegen, weil es Schmerzen empfindet.

Auch interessant: Was man über die Schnurrhaare bei Katzen wissen sollte

Wie der Napf einer Katze aussehen sollte, damit sie auch am Rand frisst

Viele Tiere fressen – meist aus Unkenntnis der Halter – aus für sie nicht geeigneten Näpfen. Den richtigen für das Tier zu finden, ist auch gar nicht so einfach und man muss auf einige Dinge achten. Viele Näpfe sind für Katzen nicht geeignet, da sie eine bestimmte Größe und Form brauchen, damit die Tiere daraus gut fressen und trinken können.

Die Schnurrhaare einer Katze sind bis zu 15 Zentimeter lang, bei Maine-Coon-Katzen sogar bis zu 20 Zentimeter. Ein zu enger Napf wirkt daher einengend auf die Tiere und drückt auf die empfindlichen Schnurrhaare. Daher wird ein Durchmesser von 15 bis 20 cm für Katzennäpfe empfohlen, da die feinen Tasthaare an den Enden weniger empfindlich sind und die Gefahr des Überreizens in größeren Näpfen geringer ist.

Auch die Tiefe des Napfes spielt für die Tiere eine Rolle. Ein großer Wassernapf mit tiefem Rand klingt nach einer guten Idee, damit immer ausreichend frisches Wasser zur Verfügung steht. Allerdings besteht auch dann die Gefahr, dass die Schnurrhaare an den hohen Rand stoßen und überreizen. Daher sollten Näpfe für Katzen nicht höher als vier Zentimeter sein und höchstens 250 Milliliter Fassungsvermögen haben. Viele Näpfe, die speziell für Katzen hergestellt sind, sind aus diesem Grund nicht rund, sondern oval, um genug Platz für die Schnurrhaare zu bieten.

Auch interessant: Woran man erkennt, dass eine Katze Schmerzen hat

Wie man erkennen kann, ob die Katze wirklich Schnurrhaar-Stress beim Fressen hat

Um festzustellen, ob die Katze wirklich Schnurrhaar-Stress beim Fressen empfindet, muss man zunächst andere Gründe ausschließen, aus denen Katzen manchmal Futter am Rand des Napfes liegenlassen. Mögliche Gründe, die nicht auf Schnurrhaar-Stress schließen lassen, sind:

Altes Futter oder Reste am Napfrand

Katzen haben feine Nasen, der ihnen in der Wildform geholfen haben, gute von schlechter Beute zu unterscheiden. Ähnlich ist es auch bei domestizierten Tieren. Befindet sich noch altes Trockenfutter am Rand und man hat nur Neues darauf gegeben, riechen die Tiere das sofort und lassen das weniger aromatische liegen. Will man übrig gebliebenes Futter nicht wegwerfen, empfiehlt es sich, es mit neuem zu mischen, damit es appetitlich bleibt. Übriges Nassfutter sollte jedoch aus dem Napf entfernt werden, damit er hygienisch bleibt. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in diesem Artikel: So oft sollten Sie die Wasser- und Futternäpfe Ihrer Haustiere reinigen.

Üble Gerüche

Auch weitere Gerüche in der Nähe des Futterplatzes können dazu führen, dass Katzen Futter am Rand vom Napf liegen lassen. Steht der Mülleimer in unmittelbarer Nähe, stillen manche Tiere nur den gröbsten Hunger, andere fressen gar nicht. Zudem sind Näpfe, die aus Plastik bestehen, für Katzen weniger gut geeignet. Auch wenn sie schadstofffrei sind, haben sie einen Eigengeruch, der den Tieren im schlimmsten Fall das Futter verleidet. Dieser ist am Rand des Napfes natürlich am stärksten. Daher empfehlen sich für Katzen eher geruchsneutrale Näpfe aus Metall oder Keramik.

Futter für später übriglassen

Gerade Katzen, die sich ihr Futter gut einteilen, fressen zuerst aus der Mitte, wo es am bequemsten zu erreichen ist. Dann kommen sie später nochmal wieder und genehmigen sich die nächste Portion, die in der Regel eher am Rand des Napfes liegt. Dies ist ebenfalls eine Verhaltensweise, die evolutionär bedingt sein könnte. Auch wenn unsere verwöhnten Hauskatzen heute nicht mehr fürchten müssen, dass die nächste Beute ausbleibt, war es eine Überlebensstrategie, die ihnen lange Vorteile verschafft hatte. Wurde nur die halbe Maus nach einem erfolgreichen Beutezug verspeist und anschließend verbuddelt, hatte man einen Vorrat, falls die nächste Jagd weniger erfolgreich war. Die natürliche Ernährungsweise von Katzen verteilt sich daher auf bis zu 20 winzige Portionen am Tag.

Hygiene

Viele Katzen fressen nicht gern, wenn Futter- und Wassernapf zu nahe beieinander stehen. Dies ist ebenfalls eine Überlebenstaktik, die auch Wildkatzen an den Tag legen. Die Gefahr, durch Beutetiere ihren Fressplatz oder die Wasserquelle zu verunreinigen, ist den sauberkeitsliebenden Tieren stets bewusst. Daher sollten Futter- und Wassernapf am besten getrennt voneinander aufgestellt werden.

Erlerntes Verhalten

Lässt die Katze Futter am Napf zurück, neigt man als Halter dazu, ihr etwas anderes anzubieten, damit sie auch satt wird. Für viele Katzen lohnt es sich also, hungrig zu gucken, wenn der Napf halb leer ist, weil sie dann mit einem besonderen Leckerbissen rechnen können. Dieses Verhalten ist somit erlernt und bringt Vorteile. Was viele als wählerisch oder verwöhnt bezeichnen, ist daher meistens etwas, was man als Halter selbst verursacht hat. Daher sollte nie direkt neues Futter in den Napf füllen, sondern erst abwarten, ob es nicht doch noch angenommen wird. Man sollte in der Regel zwei Stunden abwarten, ob das Tier wirklich gar nicht frisst.

Was man tun kann, wenn die Katze wegen Schnurrhaar-Stress Futter am Rand des Napfes liegenlässt

Konnte man alle anderen Gründe, weshalb Katzen ihr Futter manchmal am Rand des Napfes liegen lassen, ausschließen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie tatsächlich unter „Whisker stress“ leiden. Dies kann man zusätzlich überprüfen, wenn man den Tieren ihr Futter auf einem flachen Teller anbietet. Frisst die Katze nun ohne Beeinträchtigungen, waren die Näpfe zuvor für sie nicht geeignet und sie war beim Fressen überreizt.

Allerdings kann sich auch bei einer dauerhaften Fütterung von zu flachen Tellern das Verhalten bei den Tieren einschleichen, ihr Futter herauszuangeln und an einem anderen Ort zu verspeisen. Um Sauereien auf teuren Teppichen zu vermeiden, empfiehlt sich für Katzen mit Schnurrhaar-Stress ein breiter Napf mit steilem, geraden Rand, der mindestens 3 cm hoch ist oder randloser, tiefer Teller.

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Wenn die Katze plötzlich Futter am Rand des Napfes ignoriert

Wie bei vielen plötzlichen Veränderungen im Verhalten von Katzen kann es aber auch ein Warnzeichen sein, wenn Futter am Napfrand liegenbleibt. Dies kann ein Zeichen von mangelndem Appetit, Zahnschmerzen oder Verletzungen im oder am Maul sein. Der Verlust des Hungergefühls kann verschiedene körperliche Ursachen haben und Symptom der verschiedensten Krankheiten sein. In diesen Fällen empfiehlt es sich auf jeden Fall, das Tier einem Tierarzt vorzustellen.

Dr. Saskia Schneider, Verhaltensbiologin

Meine Erfahrungen mit Futter am Rand

„Meiner Erfahrung nach handelt es sich bei dem Großteil der Katzen, die Futter am Rand vom Napf liegen lassen, um erlerntes Verhalten. Wir Menschen geben den Blicken der Katze meist viel zu schnell nach. Aber viele füttern ihre Tiere auch schlicht falsch. Denn Katzen benötigen im Gegensatz zu Hunden eher viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt. Teilt man die Futtergaben auf, erscheint uns das zwar anfangs winzig, was dann im Napf landet, führt aber meist dazu, dass die Katze alles auffrisst. Mehr geben geht immer.“Dr. Saskia Schneider, Verhaltensbiologin
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Quellen

Themen Katzenverhalten
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