27. September 2024, 16:57 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wenn die Katze auffallend oft ihren Wassernapf aufsucht, vielleicht sogar gierig aus Blumenvasen und Gießkannen trinkt, sollten bei Haltern alle Alarmglocken schrillen. Denn großer Durst und ein vermehrter Harnabsatz können ein Anzeichen für Diabetes sein. Warum Katzen zuckerkrank werden und was ihre Besitzer in diesem Fall tun können.
Diabetes ist nicht nur bei Menschen tückisch, auch für Katzen kann die Stoffwechselkrankheit verheerende Folgen haben. Zudem bleibt sie oft lange Zeit unbemerkt. Denn die Symptome sind wenig offensichtlich: mehr Durst, mehr Hunger und Gewichtsverlust. „Wir haben Studien durchgeführt, danach ist etwa eine von 200 Katzen von Diabetes betroffen“, sagt Prof. Stijn Niessen vom Royal Veterinary College in London, der zu diesem Thema forscht. Betroffen sind oft ältere und übergewichtige Tiere, meist sind es reine Wohnungskatzen.
Übersicht
Welche Formen von Diabetes es bei Katzen gibt
Feliner Diabetes mellitus zählt zu den häufigsten Hormonstörungen bei Katzen – etwa eine von hundert ist betroffen. Entweder produzieren die zuckerkranken Tiere nicht ausreichend des Hormons Insulin, das Glukose in die Zellen bringt (Diabetes mellitus Typ 1), oder die Katzen produzieren ausreichend Insulin, aber der Körper ist nicht mehr in der Lage, den Zucker abzubauen (Diabetes mellitus Typ 2).
In beiden Fällen steigt der Blutzuckerspiegel stark an. Der Körper holt sich die fehlende Energie dann aus dem Fett- und Muskelgewebe. Bleibt der Diabetes lange unerkannt, kann dies zu einer schweren Stoffwechselentgleisung führen – bis hin zu Koma und Tod der Katze.
Der klassische Katzenpatient leidet am Typ 2-Diabetes. Der Körper reagiert nicht mehr ausreichend auf Insulin, die Zellen zeigen eine Resistenz dagegen. Zusätzlich ist die Produktion des Hormons in der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt. Doch natürlich benötigt der Körper funktionierendes Insulin, um Zucker zu verarbeiten. Ohne das Hormon bleibt der Zucker im Blut, es entsteht ein entsprechender Mangel in den Organen.
Auf der Suche nach Ersatz für die entgangene Energiequelle verwertet der Körper notgedrungen andere Stoffe wie Eiweiß oder Fett. Ohne Behandlung schreitet die Krankheit fort, die Tiere können stark abmagern, ins Koma fallen und letztlich auch daran sterben. Bei einer frühzeitigen Behandlung kann Diabetes dagegen etwa bei der Hälfte der Patienten sogar heilbar sein.
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Risikofaktoren für Diabetes mellitus bei Katzen
Betroffen sind oft übergewichtige Katzen, die zu wenig Bewegung erhalten. Aber auch kastrierte Kater und ältere Katzen ab etwa zehn Jahren entwickeln überdurchschnittlich häufig einen Diabetes. Manche Rassen, zum Beispiel Maine Coon und Russisch Blau, scheinen eine besondere Diabetes-Neigung zu haben. Darüber hinaus gibt es gewisse Vorerkrankungen, die die Entwicklung der Zuckerkrankheit begünstigen können, darunter Bauchspeicheldrüsenentzündung und Schilddrüsenüberfunktion.
Mögliche Symptome, die auf Diabetes bei der Katze hindeuten
Wie bereits erwähnt, trinken zuckerkranke Katzen deutlich mehr als gesunde Artgenossen und suchen öfter die Katzentoilette auf. Zu den weiteren Diabetes-Symptomen bei Katzen kann Folgendes gehören:
- Abmagerung trotz vermehrter Futteraufnahme
- Antriebslosigkeit
- stumpfes Fell
- Lähmungserscheinungen an den Hinterbeinen
Sollten Katzenbesitzer derartige Symptome bei ihrem Liebling bemerken, sollten sie möglichst rasch den Tierarzt aufsuchen. Denn je schneller der Diabetes Behandlung starten kann, desto besser sind die Heilungschancen. Zwar ist Diabetes mellitus eine chronische Krankheit, doch bei rechtzeitigem Behandlungsbeginn können sich die Symptome unter Umständen vollständig zurückbilden.
Wie erfolgt die Diagnose?
Besteht der Verdacht auf Diabetes, wird der Tierarzt zunächst eine Blut- und Urinuntersuchung durchführen. Wird dabei eine erhöhte Zuckerkonzentration in Blut und Urin nachgewiesen, kann die Diagnose Diabetes mellitus gestellt werden. Wie beim Menschen muss den erkrankten Katzen Insulin zugeführt werden. Doch da zunächst keiner weiß, wie viel Insulin der Körper noch selbst produziert, ist es aufwendig, die richtige Dosierung zu finden.„Man muss den Verlauf des Blutzuckerspiegels nach der Gabe von Insulin über den Tag hinweg untersuchen“, sagt Tierarzt Michael Frahm von der Kleintierklinik in Wasbek (Schleswig-Holstein).
Für die Untersuchung können die Katzen beim Tierarzt bleiben, dort wird alle zwei Stunden der Blutzuckerspiegel gemessen. Wer es sich zutraut, kann diese Untersuchungen selbst zu Hause durchführen – vorausgesetzt, es ist ein braves Tier. Denn der Katze wird hierfür ins Ohr gepikst, dann wird der entsprechende Wert mit einem Handmessgerät abgelesen.
Alternativ kann wie bei an Diabetes erkrankten Menschen vorübergehend ein Sensor auf der Katzenhaut angebracht werden, der kontinuierlich den Zuckergehalt misst. „Vielen Katzen macht das gar nichts aus“, sagt Stijn Niessen. Der Tierarzt kann dann auf seinem Computer nachschauen, wie sich der Blutzuckerspiegel im Laufe des Tages entwickelt hat und die Medikation entsprechend einstellen.
Behandlung zuckerkranker Katzen
Auch bei der Behandlung braucht man einen langen Atem. Die Ernährung sollte auf ein kohlenhydratarmes und proteinreiches Futter umgestellt werden. Bei übergewichtigen Katzen sollte man zudem versuchen, eine Gewichtsreduktion zu erzielen. Im Handel und bei den Tierärzten wird entsprechende Katzennahrung angeboten. Auf das Wort „Diät“ auf der Futterpackung sollte man sich allerdings nicht blind verlassen. Ein genauer Blick auf die Inhaltsstoffe und ein Gespräch mit dem Tierarzt können helfen. Ob die Katze von dem Diätfutter begeistert sein wird, ist zudem fraglich, die Tiere haben auch beim Futter meist ihre eigenen Vorstellungen.
Die Therapie erfolgt in der Regel auf zwei Ebenen: Zum einen wird das fehlende Insulin mithilfe von Spritzen oder Pens verabreicht. Hierfür müssen die Besitzer lernen, den Blutzucker am Ohr der Katze zu messen und das Insulin unter die Haut zu injizieren. Das erfordert ein wenig Übung, ist aber nach einer ausführlichen Einweisung durch den Tierarzt meist gut machbar. In enger Zusammenarbeit mit dem Veterinär wird die benötigte Insulindosis ermittelt, die die Katze fortan in der Regel zweimal täglich erhält.
Ist der Zuckerhaushalt eingestellt, kommen Diabetiker-Katzen mit ihrer Erkrankung gut zurecht und können oft noch viele glückliche Jahre verleben. Allerdings sollten ihre Besitzer auf etwaige Begleiterscheinungen wie Nervenschäden und Nierenleiden achten, die in Zusammenhang mit Diabetes auftreten können.
Sirup statt Spritze? Neues Medikament auf dem Markt
Zweimal am Tag möglichst jeweils zur gleichen Uhrzeit Insulin zu spritzen, um den Blutzuckerspiegel möglichst konstant zu halten, ist ein ziemlicher Mehraufwand. „Das ist für viele Katzenbesitzer eine große Herausforderung“, sagt Frahm. „Sie trauen sich das Spritzen nicht zu.“ Zudem ist man zeitlich sehr angebunden. Wenn man im Urlaub ist, muss man jemanden finden, der dem Tier regelmäßig die Spritze gibt.
Seit Beginn 2024 wird eine angeblich deutlich einfachere Therapiemöglichkeit auf dem Markt angeboten, und zwar eine orale Gabe. Dabei handelt es sich um sogenannte SGLT-2-Inhibitoren, die auch für die Behandlung von zuckerkranken Menschen genutzt werden. Die Flüssigkeit wird den Tieren einmal am Tag ins Futter gemischt. Alternativ kann es den Tieren direkt ins Maul gespritzt werden.
Im Gegensatz zu der Behandlung mit Insulinspritzen bestehe bei dem neuen Medikament nicht das Risiko einer Überzuckerung. Es sind weniger Kontrolluntersuchungen nötig: Überschüssige Glukose wird einfach über den Harn ausgeschieden. Allerdings ist dieses neue Medikament nicht für alle Tiere die erste Wahl. Denn Katzen benötigen in ihrer Ernährung keinen Zucker, können ihn weder schmecken noch verstoffwechseln. Ist die Krankheit bereits zu fortgeschritten, sollte es nicht eingesetzt werden, denkt auch Frahm.
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Mehr Bewegung für Wohnungskatzen
Die Ursachen für Diabetes bei Katzen sind bisher nicht erforscht. „Man geht wie beim Menschen von einer genetischen Disposition in Verbindung mit einem entsprechenden Lebenswandel aus“, sagt Tierarzt Frahm. Tierhalter sollten dafür sorgen, dass ihre Katze nicht zu dick wird. Dies ist vor allem bei reinen Wohnungskatzen ein Thema, die sich meist deutlich weniger bewegen als Freigänger. Mit Spielen oder dem Verstecken von Leckerlis kann für mehr Schwung im Leben der Katze gesorgt werden.
Mit Material der dpa