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Nervenerkrankung?

Was über das unheilbare Rolling-Skin-Syndrom bei Katzen bekannt ist

Bei Kater Remo stellt sich das Fell am Rücken auf wie beim Rolling-Skin-Syndrom
Beim Rolling-Skin-Syndrom stellen sich vor allem am Rücken von Katzen die Haare auf und es kommt zu einem unkontrollierten Zucken Foto: PETBOOK / Louisa Stoeffler
Louisa Stoeffler
Redakteurin

17. Januar 2024, 17:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Das Rolling-Skin-Syndrom ist eine Erkrankung bei Katzen, über die noch sehr wenig bekannt ist. Diese auch Feline Hyperästhesie genannte Krankheit zeigt sich über verschiedene, teils unklare Symptome. Auch der Kater von PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler erhielt diese Diagnose. Wie sie als Betroffene damit umgeht und wie Tierärzte das Nervenleiden beurteilen.

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Die wilden fünf Minuten bei Katzen kennen wohl viele Halter. Das Tier muss dringend einmal seine Energie ablassen und rennt wie wild durch Wohnung oder Haus. Doch was ist, wenn diese wilden fünf Minuten quasi „chronisch“ werden und die Katze dabei noch wie wild zuckt, faucht oder sich sogar selbst verletzt? Diese Erkrankung ist als das Rolling-Skin-Syndrom bei Katzen oder auch Felines Hyperästhesie-Syndrom bekannt. Allerdings hört da der Konsens auch schon auf, denn eine einheitliche Diagnose oder Behandlung gibt es dafür bislang nicht. PETBOOK sprach mit zwei Tierärzten über das rätselhafte Symptom und legt dar, was man über das Leiden weiß und was nicht.

Rolling-Skin-Syndrom – wenn die Katze plötzlich wie wild zuckt

Bei meinem Kater Remo wurde 2023 die Diagnose Rolling-Skin-Syndrom gestellt. Plötzlich begann er, sich selbst zu jagen und in den Schwanz zu beißen. Dabei zuckte seine Haut auf dem Rücken wie wild, sein Fell stellte sich wellenförmig auf.

Lange war nicht klar, was er wirklich hatte. Ein Arzt stellte die Diagnose, dass er wohl Rolling Skin habe, gab ihm Schmerzmittel und schickte mich wieder nach Hause. Es klang fast wie eine sichere Diagnose: So, das hat er jetzt, mehr können wir nicht tun. Dabei lässt sich das Syndrom nicht so einfach diagnostizieren wie ein gebrochenes Bein oder ein Wurmbefall.

Daher wollte ich das nicht hinnehmen und ging mit dem Kater zu weiteren Ärzten. Welche Erfahrungen ich dabei gemacht habe, können Sie hier nachlesen: Meine Katze jagt ihren eigenen Schwanz! Was dahinterstecken könnte

Was über das Rolling-Skin-Syndrom bei Katzen bekannt ist

Dr. Marco Antonio Fragoso, Tierarzt an der Pathologie der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko und der Freien Universität von Berlin, sowie Dr. Vanessa Herder, Fachtierärztin für Pathologie und Diplomate des European College of Veterinary Pathologists, gaben PETBOOK eine Einschätzung zu der unklaren Erkrankung.

„Das Rolling-Skin-Syndrom ist ein aus der Praxis bekanntes Syndrom“, sagt Dr. Vanessa Herder zu PETBOOK. Allerdings gäbe des zu diesem Krankheitsbild so gut wie keine wissenschaftlichen Daten.

„In wenigen klinischen Fallbeschreibungen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sehr wenig über die Ursachen bekannt ist und dass in den meisten Fällen auch eine Diagnose trotz ausführlicher Untersuchungen mit Verfahren wie Blutbild und Bildgebung wie MRT nicht möglich ist.“

Rolling Skin, die Krankheit ohne Ursache und Heilung?

„Die Ursache des Felinen Hyperästhesie-Syndroms ist nicht bekannt“, weiß auch Dr. Marco Antonio Fragoso PETBOOK zu berichten. Verschiedene biologische, verhaltensbedingte und physische Faktoren könnten das Erscheinungsbild jedoch beeinflussen.

„Forscher und Tierärzte haben dieses Syndrom anhand der Symptome und Anzeichen beschrieben. Das heißt, die Katze zeigt zum Beispiel spontane Episoden des Beleckens und Beißens des unteren Rückens, meist um den Schwanz und die Hintergliedmaßen herum, die Sekunden bis Minuten dauern können.“

Kater Remo begann von einem Tag auf den anderen, sich anzufauchen und zu beißen

Auch Remo zeigte diese Anfälle, die man als krampfartig bezeichnen kann. Diese dauern tatsächlich manchmal nur wenige Sekunden, können aber auch minutenlang anhalten. Für Tier und Halter ist jedoch jeder Anfall mit großem Stress verbunden, weil einfach nichts zu helfen scheint.

Der erste Tierarzt, den ich besuchte, beschrieb die Erkrankung als eine Art der Epilepsie, besonders wenn die Katzen während der Anfälle nicht mehr ansprechbar sind und nicht reagieren. Zudem sind die Anfälle für das Tier mit körperlichem Stress verbunden. Remo atmete immer sehr schwer und war abgehetzt, wenn der Anfall nachließ.

Auch die Überempfindlichkeit, die hinter der gängigen Beschreibung Feline Hyperästhesie steckt, konnten wir beobachten. Ihn an seinem zuckenden Rücken anzufassen, war ihm extrem unangenehm. Denn meist haben die Tiere gerade da Schmerzen, wo der Rücken zuckt.

Die Symptome des Rolling-Skin-Syndroms bei Katzen im Überblick

  • scheinbar unkontrollierbares Zucken am Rücken
  • plötzliche Verhaltensänderung
  • Katze läuft ganz wild herum oder springt
  • sie putzt sich intensiv und hektisch
  • sie kratzt plötzlich übermäßig
  • das Tier jagt den eigenen Schwanz, peitscht damit oder beißt sich selbst
  • weit aufgerissene Augen mit starren Pupillen
  • lautes Miauen

Bei vermehrten Anfällen kann es auch dazu kommen, dass die Tiere kahle Stellen im Fell bekommen, da sie es sich herausreißen oder sich Wunden zufügen. Auch Remo habe ich in der allerschlimmsten Zeit einige lose, blutige Haarbüschel aus dem Schwanz gezogen und er hatte durch sein Beißen auch einmal eine Wunde am Hinterfuß.

Dr. Marco Antonio Fragoso beschreibt das Verhalten der betroffenen Tiere für PETBOOK noch etwas genauer: „In diesen Episoden zeigen die Katzen andere unspezifische neurologische Symptome wie erweiterte Pupillen oder aggressives und unvorhersehbares Verhalten.“

Wie das Rolling-Skin-Syndrom bei Katzen diagnostiziert wird

Der klinische Tierarzt solle daher zunächst neurologische und dermatologische Erkrankungen ausschließen. Erst wenn alle Krankheiten, die dieses Verhalten verursachen könnten, ausgeschlossen sind, könne der Tierarzt feststellen, dass die Katze an diesem Syndrom leidet.

Andere Krankheiten, die ähnliche Anzeichen und Symptome aufweisen können, sind laut Dr. Marco Antonio Fragoso unter anderem:

  • atopische Dermatitis (Allergie) sowie Hautinfektionen,
  • Hirntumore (z. B. Meningiom),
  • primäre Epilepsie
  • und Myositis (Muskelentzündung).

„Es gibt eine Reihe von Tests, die beschrieben wurden, darunter Serumchemie, Hämogramm, Urinanalyse sowie Tomografie und Hautabschabung oder Biopsie, um nur einige zu nennen“, weiß der Veterinär. „Ich denke, dass die zuverlässigste Methode zur Erkennung der Krankheit die Reaktion auf die Behandlung nach Ausschluss von Krankheiten ist. Aber ich habe keine klinische Erfahrung damit.“

»Die meisten Tierärzte konzentrieren sich eher auf die Symptome, als eine Heilung zu finden

Dr Marco Antonio Fragoso denkt sogar, „dass die meisten Tierärzte sich eher auf die Verringerung der Symptome konzentrieren, als eine Heilung zu finden.“ Das könnten unter anderem eine Verhaltenstherapie oder Depressiva des zentralen Nervensystems sein.

„Oft läuft es in der Praxis darauf hinaus, dass die behandelnden Tierärzte mit den Besitzern viel Zeit investieren, um eine gute medikamentöse Therapie einzustellen“, weiß Doktor Vanessa Herder PETBOOK weiter zu berichten. „Die Therapie kann ein oder mehrere Medikamente beinhalten wie Schmerzmittel und/oder Medikamente, die auch bei Epilepsie eingesetzt werden.“

In einigen Fällen könne auch medikamentös keine Linderung geschaffen werden. „Oft handelt es sich um junge Katzen. In schweren Fällen können neben der Überempfindlichkeit auch noch Anzeichen von Selbstverstümmelung hinzukommen“, sagt Dr. Vanessa Herder zu PETBOOK. Die Prognose sei daher extrem schwer einzuschätzen, weil so wenig Fakten über das Krankheitsbild bekannt seien.

Keine Heilung für Kater Remo?

Das Rolling-Skin-Syndrom ist auch aus meiner Erfahrung heraus gerade deshalb so tückisch, weil man es so schlecht einschätzen kann. Als mein Kater mit den Anfällen begann, wusste ich mir überhaupt nicht zu helfen. Ich wurde immer wieder wütend, in meiner schieren Hilflosigkeit. Was kann man tun, wenn nichts dem eigenen Tier hilft?

Ich versuchte – neben viel Diagnostik beim Tierarzt – sein Verhalten mit Spielaufforderungen zu unterbrechen. Das klappte auch erstaunlich gut. Was mich ein wenig beruhigte war, dass Remo auch stets ansprechbar blieb. Epilepsie schied daher wohl als Diagnose aus – auch wenn ein Arzt diese Medikamente direkt verschreiben wollte.

Mittlerweile jagt Remo sich nicht mehr so wie am Anfang. Bei ihm kamen die Symptome tatsächlich auch durch andere Erkrankungen zustande, die wir mittlerweile gut in den Griff bekommen haben. Doch die Sorge, dass er wieder einen Anfall bekommen könnte, ist immer präsent. Vor allem, wenn er wieder zu lange mit seinem Schwanz spielt oder sich hektisch putzt.

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Weitere Quellen

Themen Katzenkrankheiten Katzenverhalten
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