14. November 2024, 15:43 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Über wenige Haustiere gibt es so viele verbreitete Annahmen wie über orange Katzen. Doch ist die Fellfarbe wirklich dafür verantwortlich, dass diese Tiere scheinbar anders sind oder ist das „orange Katze-Verhalten“ doch nur ein Mythos?
Orangen Katzen wird so einiges nachgesagt. Zum Beispiel sollen sie nicht besonders schlau sein, irrationales Verhalten an den Tag legen und außerdem immer zu viel fressen. Viele Vorurteile gegenüber den geliebten, aber „verrückten“ orangen Katze entbehren jeder Logik. Doch welche Klischees stimmen eigentlich? PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler, selbst Halterin eines orangen Katers, hat sich einmal auf die Suche nach Beweisen für die „orange Katzen sind anders“-Theorie begeben.
Mythos Nummer 1: Alle orangen Katzen sind männlich
Schon die erste häufig über orange Katzen verbreitete Behauptung stimmt nicht. Denn es gibt auch orange Kätzinnen. Allerdings sind diese tatsächlich vergleichsweise selten. Grund dafür ist die Vererbung des Gens für die Fellfarbe. Dieses liegt auf dem X-Chromosom. Damit nun also eine orange Kätzin entsteht, braucht sie die Information für rotes Fell auf beiden X-Chromosomen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch sehr gering.
Einfacher ist es da bei Katern, die ein X- und ein Y-Chromosom besitzen. Denn sie besitzen folglich nur eine Farbinformation – in der Regel für die Ausprägung von rotem oder schwarzem Fell – und prägen diese dann aus. Mehr zu dem Thema Fellfarben bei Katzen erfahren Sie in diesem Artikel: Kennen Sie alle Fellfarben und -zeichnungen bei Katzen?
Man geht daher davon aus, das etwa 80 Prozent aller orangen Katzen männlich sind. Allerdings kann dies in Populationen, in der sehr viele Tiere mit orangem Fell vorkommen, auch abweichen. 1
Mythos Nummer 2: Orange Katzen sind nie wirklich einfarbig
Dieses Vorurteil über orange Katzen stimmt tatsächlich. Denn bei den allermeisten orangen Katzen kommen noch andere Fellzeichnungsmarker dazu. Das Gen O für die orange Fellfarbe, die durch Phäomelanin erzeugt wird, wird häufig durch andere Merkmale verändert.
Schaut man sich eine orange Katze einmal näher an, trägt sie fast immer eine Tabby-Zeichnung. Diese entsteht durch teilweise entfärbtes Fell, dass sich Agouti nennt. So tragen viele orange Katzen Streifen, Tupfen oder andere Fellmuster. Charakteristisch für Tabby-Muster ist auch die sogenannte M-Zeichnung auf der Stirn der Tiere.
Außerdem ist meist das Scheckungsgen an der Fellfarbe von orangen Katzen beteiligt. Dieses Gen sorgt für weißes Fell, was an sich keine Fellfarbe bei Katzen ist, sondern vielmehr das Fehlen jeder Farbe. Egal, ob Tabby oder Scheckungsgen, eine orange Katze ist also nie wirklich einfarbig. Darüber hinaus hat jede ein individuelles Muster. 2
Mythos Nummer 3: Orange Katzen sind anhänglicher als andere
Weniger individuell ist die scheinbare Tendenz oranger Katzen, sehr anhänglich zu werden. Häufig heißt es von orangen Katzen auch, dass sie freundlicher und insgesamt menschengebundener sind als andere. Dies kann ich bei meinem Kater Remo tatsächlich auch bestätigen. Seit dem ersten Tag hängt er sehr an mir – mehr als alle meine Katzen zuvor.
Allerdings gibt es wissenschaftlich nicht allzu viele Beweise für die Theorie, dass die orange Fellfarbe – oder irgendeine andere – einen Einfluss auf den Charakter der Tiere hat. Allenfalls sind die menschliche Wahrnehmung und gängige Vorurteile dafür verantwortlich, dass unterschiedlichen Fellfarben bestimmte Attribute zugeschrieben werden. 3
Mythos Nummer 4: Alle orangen Katzen sind komisch oder dumm
Die Frage, ob die Fellfarbe einen Einfluss darauf hat, wie der Charakter von Katzen ausgeprägt ist, spaltet jedoch weiter die Gemüter der Halter. Denn bei keiner anderen Fellfarbe gibt es so viele festgefahrene Vorurteile wie bei Orange. Dies hat wohl schon mit der Darstellung von verschiedenen orangen Katzen in Film und Fernsehen angefangen. Sei es der immer hungrige Garfield oder die bewegende Geschichte von Bob, dem Streuner, der eine einzigartige Beziehung zu seinem Halter aufgebaut hatte.
Doch in den letzten Jahren gibt es in den sozialen Medien verstärkt Inhalte, die orange Katzen als seltsam, sonderbar oder besonders lustig darstellen. Diese findet man unter den Sammelbegriffen „Orange Cat Behavior“ oder auch unter der Frage „Why is it always the orange one“? Manche fragen sich auch häufig, ob orange Katzen mehr als nur eine Gehirnzelle haben.
Wie viel von dieser Annahme eigentlich eine selbst erfüllende Prophezeiung ist, lässt sich nicht sagen. Klar ist, dass die Wahrnehmung des Verhaltens von orangen Katzen wie keine andere durch Darstellungen in Medien und in kurzen Videos auf Social Media negativ – oder zumindest voreingenommen – geprägt wird.
Mythos Nummer 5: Orange Katzen sind größer als andere
Dieser Mythos ist tatsächlich durch eine französische Studie aus dem Jahr 1995 bestätigt worden. Allerdings nur, was orange Kater betrifft. In dieser Studie wurden einige Hinweise darauf geliefert, dass etwas dran ist, dass die Fellfarbe von orangen Katzen weitere Auswirkungen auf die Tiere hat.
In der zehn Jahre andauernden Untersuchung zeigte sich, das orange Katzen häufiger in ländlichen Gebieten verbreitet waren, während im städtischen Raum weniger Tiere mit dieser Fellfarbe zu sehen waren. Auch zeigte sich, dass orange Kater in der Regel etwas größer und schwerer als Kater mit anderen Fellfarben waren. Kätzinnen mit orangem Fell dagegen waren eher leichter als andere, was den Schluss nahelegt, dass das Gen für oranges Fell auch Geschlechtsdimorphismus vererbt. 2
Mythos Nummer 6: Orange Katzen sind draufgängerisch
In der Langzeitstudie zeigte sich auch, dass durch ihre Größe orange Kater auch aggressiver gegenüber Rivalen auftreten. Dies könnte auch den Unterschied zwischen der Verbreitung von orangen Katzen in ländlichen und städtischen Gebieten erklären. Denn sie zeigten sich dominanter in der Fortpflanzung auf dem Land. Dort leben Katzen zwangsläufig in kleineren Gruppen zusammen und teilen sich begrenzte Ressourcen.
Hat die Kätzin in der Stadt jedoch viele Partner zur Auswahl, ist der orange Kater wahrscheinlich eher damit beschäftigt, seine Dominanz gegenüber anderen Männchen zu zeigen und hat weniger Erfolg bei der Fortpflanzung.
Auf dem Land sind die orangen Kater eher in einem kleinen Sozialverbund, oder müssen schlicht nicht ihre Dominanz durchsetzen, weil sie keine Konkurrenz haben. In diesen Populationen ist zudem die Wahrscheinlichkeit für orange Kätzinnen um einiges höher als in anderen.
Das draufgängerische Verhalten von großen orangen Katern könnte auch der Grund sein, weshalb die Fellfarbe eine der selteneren bleibt. Denn besonders in ländlichen Gebieten zeigte sich bei orangen Katern eine höhere Mobilität, wohl auch verbunden mit erhöhter Neugier. Diese Faktoren führen aber auch zu vermehrten Unfällen im Straßenverkehr und Jagddruck. 2
Mythos Nummer 7: Orange Katzen sind besonders verfressen
Dieses Vorurteil ist wahrscheinlich auch durch mediale Darstellungen entstanden. Wer erinnert sich nicht an die Comics und Verfilmungen von Garfield, der verfressenen Exotic Shorthair, die gern ganze Lasagnen in sich hineinfuttert.
Wie viel Wahrheit hinter diesem Mythos steckt, ist wiederum umstritten. Allerdings ist es durchaus möglich, dass orange Kater aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts etwas mehr Hunger haben als andere Katzen. Der Hang vieler Katzen, zu viel zu sich zu nehmen, ist jedoch eher menschengemacht, denn einige Halter überfüttern ihre scheinbar immer hungrigen Tiere. Allerdings muss nicht jedes Miau einer orangen Katze wirklich Hunger bedeuten, sondern kann auch eine Aufforderung zum Spiel oder sozialer Interaktion sein.
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Mythos Nummer 8: Orange Katzen bekommen Sommersprossen
Ähnlich wie bei rothaarigen Menschen heißt es auch von orangen Katzen, dass sie einen Hang zu Sommersprossen haben. Dieses Phänomen nennt sich Lentigo und zeigt sich bei Katzen vor allem an der Schnauz- und Nasenpartie – und kommt nicht ausschließlich bei orangen, sondern bei Tieren mit den unterschiedlichsten Fellfarben vor.
Auch scheinen die felinen Sommersprossen nicht durch Sonne verursacht zu werden. Klar ist jedoch, dass die kleinen dunklen Flecken von Melanozyten produziert werden, die plötzlich Eumelanin, also dunkle Farbpigmente, ausbilden. Gerade orange Katzen scheinen dazu prädestiniert. Es existiert die Theorie, dass das Gen für oranges Fell nicht so stabil ist wie andere Gene und eher zu Veränderungen neigt. Allerdings muss dies noch ausführlicher wissenschaftlich untersucht werden.
Diese Flecke sind nicht mit Leberflecken bei Menschen gleichzusetzen und sind in der Regel klein und flach. Sie stören die Tiere nicht einmal. Allerdings sollten sie trotzdem von einem Tierarzt untersucht werden, um sie von anderen Läsionen oder Tumorgewebe zu unterscheiden. Nicht verwechselt werden sollten die kleinen, dunklen Punkte mit der felinen Akne, die sich vor allem an der unteren Kinnpartie der Tiere zeigt. 4
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Mythos Nummer 9: Orange Katzen sind sehr verspielt
Dies ist ein Mythos, den ich wieder aus persönlicher Erfahrung bestätigen kann. Als Remo zu mir kam, war ich völlig überrascht darüber, mit wie viel Ausdauer und wie lange er spielen wollte. Er ist jetzt seit über fünf Jahren bei mir, und seinen Spieltrieb hat er nie abgelegt, obwohl er sich bereits im besten Alter befindet. Zuvor kannte ich dieses ausdauernde Spielen nur von Kitten.
Allerdings sollte man immer vorsichtig sein, ein Tier (oder einen Menschen) wegen optischer Merkmale in eine Schublade zu stecken. Zum Beispiel kann ich nicht genau sagen, wie Remos erste Lebensmonate aussahen, da er aus dem Tierschutz stammt. Ob er immer schon gern gespielt hat, oder ob er dies auf seiner Pflegestelle für sich entdeckt hat, ist unklar. Denn vieles im Verhalten von Tieren lässt sich nicht durch ihre natürlichen Anlagen, sondern durch ihre Erfahrungen erklären (Nature vs. Nurture). Hat eine Katze in ihrer Prägungsphase viele positive Erfahrungen gemacht und ist gut sozialisiert, kann sie ein freundlicher und anhänglicher Begleiter werden. Egal, welche Fellfarbe sie trägt.