
7. April 2025, 13:48 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Verbirgt sich in unseren Katzen ein Hauch von altägyptischer Magie und Pharaonen-Flair? Eine ungewöhnliche Kooperation zwischen einem Katzenfutterhersteller und einer Genetikforscherin wirft neues Licht auf unsere Haustiere. Alles nur cleveres Marketing oder doch echte Wissenschaft? Kulturwissenschaftlerin und Hobby-Ägyptologin Louisa Stoeffler begibt sich auf Spurensuche: Wie viel DNA von altägyptischen Vorgängern tragen unsere Katzen heute noch in sich?
Die Katzenfuttermarke Sheba hat eine außergewöhnliche Kampagne gestartet, um eine neue Futtersorte standesgemäß einzuführen. „The Pharaoh’s Lost Cat“ heißt die Aktion, bei der mithilfe eines KI-gestützten Tools untersucht wird, ob heutige Hauskatzen Merkmale jener Tiere tragen, die einst an der Seite ägyptischer Pharaonen lebten. Katzenhalter können ein Foto ihres Tieres hochladen und erhalten nicht nur eine Analyse durch das Tool „Pharaoh Cat Finder“, sondern auch ein kostenloses Probierpaket der neuen Sheba Selections Filets. Das allerdings nur, solange die Pharaonenkatzen in den USA leben und noch Proben vorhanden sind. Alles nur cleveres Marketing oder doch echte Wissenschaft?
Die besondere Rolle der Katze im alten Ägypten
Für PETBOOK habe ich mich bereits eingehend mit der Kulturgeschichte der Katze im alten Ägypten auseinandergesetzt, denn diese Zivilisation fasziniert mich wie keine andere. Obwohl ich mich eher im kulturgeschichtlichen Bereich mit dem Thema befasst habe und keine Ägyptologin bin, lese ich immer wieder gern etwas über archäologische Forschung im Land am Nil.
Dort wurden Katzen nicht nur in Form der Göttin Bastet verehrt, sondern mit ebensolcher Sorgfalt wie die Herrscher auf die Reise ins Jenseits vorbereitet – indem sie mumifiziert wurden. Erste Belege für Katzen-Grabbeigaben finden sich bereits im Alten Reich, in der Grabanlage des Herrschers Pepi II. Später auch im Neuen Reich, mit dem berühmten Sarkophag der Katze von Kronprinz Thutmosis III., welcher Bilder zeigt, wie Ta-Miu (übersetzt Mädchen-Katze) mit allen Ehren im Totenreich empfangen wird. Der Katzenkult der Ägypter überlebte sogar das Weltreich und wurde bis ins 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung fortgesetzt.
Die späteren Rituale und der Errichtung der Katzenkultstätte Per-Bastet (griechisch Bubastis), erreichten zu diesem Zeitpunkt eine Art Hysterie. Mumifizierte Katzen wurden als Glücksbringer und Votivgaben verkauft – während viele nicht einmal mehr Überreste von Katzen erhielten. Ein Fall von antiker PR und einer ersten Form der industriellen Katzenzüchtung. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich besonders spannend, die Wissenschaft hinter dem Marketing-Coup von Sheba zu verstehen.
Katzengenetikerin Dr. Leslie Lyons lässt sich auf Marketing-Projekt ein
Für die Kampagne arbeitet Sheba mit der renommierten Genetikerin Dr. Leslie Lyons vom Feline Genetics & Comparative Medicine Lab an der University of Missouri zusammen. Lyons und ihre Kollegen, darunter die renommierte Ägyptologin und Mumienforscherin Dr. Salima Ikram, untersuchten bereits 2012 die DNA von mumifizierten Katzen.
Die Untersuchung, die im Fachmagazin „Journal of Archaeological Science“ veröffentlicht wurde, enthüllt, dass die Ägypter tatsächlich Hauskatzen mumifizierten und nicht, wie zuvor angenommen, Wildtiere. Die Wissenschaftler analysierten das mitochondriale Erbgut (für die Energieproduktion der Zelle verantwortliche Struktur) dreier Mumien. Anschließend verglichen sie diese mit Daten moderner Haus- und Wildkatzen – mit aufschlussreichen Ergebnissen für die Geschichte der Katzendomestikation.
Unter anderem wurde ein Unterkiefer eines Jungtiers aus dem Hearst Museum in Berkeley sowie zwei Langknochen (ein Oberschenkel- und ein Oberarmknochen) aus dem Brooklyn Museum in New York untersucht. Alle Proben stammten tatsächlich aus der „hysterischen“ Spätzeit Ägyptens (zwischen ca. 664 v.u.Z. und 200 u.Z.*). Die Forscher verwendeten strikte Sterilisationsverfahren, um moderne Verunreinigungen auszuschließen. Dann verglichen sie die Mumien-DNA mit Daten von über 1800 modernen Haus- und Wildkatzen weltweit. 1
Bereits im Alten Ägypten gab es verschiedene Hauskatzen
Alle drei untersuchten Überreste gehörten zur Art Felis silvestris catus – also zur modernen Hauskatze. Zwei der drei mumifizierten Tiere konnten eindeutig bestimmten mitochondrialen „Mitotypen“ zugeordnet werden, die heute noch bei ägyptischen Straßenkatzen vorkommen.
Die Dritte wies eine leicht abweichende Sequenz auf, ließ sich jedoch ebenfalls der Hauskatze zuordnen. Die identifizierten Mitotypen sind heute insbesondere in Ägypten und im Nahen Osten verbreitet, in Westeuropa dagegen selten.
Die DNA der Tiere ist also eng verwandt mit der heutiger ägyptischer Katzen – ein faszinierender genetischer Link zur Zeit der Pharaonen. Also belegen die Ergebnisse, dass Hauskatzen bereits vor mehr als 2500 Jahren weitverbreitet und zumindest in der Form der dritten analysierten Katze genetisch bereits vielfältig waren.
Pharaonenkatzen in den USA?
Wie Dr. Lyons dem US-amerikanischen Lifestyle-Magazin „People“ verriet, glaubt sie, dass es Nachfahren dieser speziellen Katze in den USA gibt. „Wir suchen nach mitochondrialer DNA, die nur bei diesen Pharaokatzen und einigen wenigen Katzen in den USA gefunden wurde. Es ist also wirklich schwer, diese Katzen zu finden, daher diese Jagd mit Sheba Pet Food.“
Man sei auf der Suche nach den Katzen, die aus Ägypten in die USA kamen und Nachfahren der göttlichen Katzen der Pharaonen sind. „Sie sollten so verehrt werden, wie sie es taten“, sagte Dr. Lyons gegenüber „People“ weiter. Sie fügt hinzu, dass die Verbindung zwischen Katze und Pharao eher von einer geretteten Mischlingskatze als von einer reinrassigen Katze stammen dürfte.
Doch Sheba hat sich nicht nur Unterstützung aus der Wissenschaft geholt, sondern auch den US-amerikanischen Influencer „Nathan, the Cat Lady“ mit ins Boot geholt. In einer Videoreihe auf seinem Instagram-Kanal erklärt er die Hintergründe hinter der Suche der ultimativen Pharaonenkatze. Im mittlerweile dritten Teil besucht er dafür eine berühmte Katze mit 1,7 Millionen Followern, da diese einen hohen Wert auf der Phraonen-Skala erreicht habe. Sheba betreibt hier also nicht groß etwas anderes als cleveres Influencer-Marketing.
Ist an Remo eine Pharaonenkatze verloren gegangen?
Natürlich habe auch ich es mir nicht nehmen lassen bei dem Spaß mitzumachen und den „Pharao Cat Finder“ mit meinem Kater Remo ausprobiert. Auf der mobilen Website lädt man einfach ein Foto des Tieres hoch. Anschließend untersucht eine KI im Hintergrund, wie „königlich“ die eigene Katze wohl ist.
Remos Ergebis lautet (trotz strategisch im Bild positionierter Bastet-Statue): „nur“ 56 Prozent Pharao. Dazu noch der humorvolle Zusatz: „Edles Antlitz entwickelnd. Menschen erbieten mit angemessener Regelmäßigkeit Tribute“. Was also kann die Sheba-KI? Analysieren, ob Katzen übergewichtig sind und zu viele Leckerli erhalten?
Im Falle von Remo könnte die „angemessene Regelmäßigkeit der Tribute“ bedeuten, dass er nicht zu viele Leckerli bekommt. Das könnte zeigen, dass er nach seiner Übergewichtigkeit wieder ein normales Gewichtsniveau erreicht hat. Doch wie die KI den Score errechnet, bleibt das Geheimnis des Herstellers.
Nachdem man den Pharaonen-Finder benutzt hat, erscheint eine zweite Seite. Darauf steht, dass man leider aktuell keine Probepakete des neuen Sheba-Futters mehr erhalten kann, da das Angebot sein Limit erreicht habe. Wahrscheinlich hätte Remo auch gar nichts bekommen, da sich das Angebot exklusiv an US-amerikanische Verbraucher richtet.


Gottheit und Opfergabe So wurden Katzen im Alten Ägypten verehrt

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Fazit: Suche nach Pharaonenkatze mehr Werbegag als Wissenschaft
Es lässt sich also feststellen, dass das Marketing von Sheba definitiv funktioniert, da die Probierpakete aktuell nicht mehr erhältlich sind. Wie viele echte Daten Dr. Lyons aus diesem Projekt generieren kann, sei jedoch dahingestellt. „Nathan, the cat lady“ bringt jedoch seinen Followern in der Videoserie mehr über die Arbeit von Dr. Lyons in ihrem Labor näher. Dort widmet sie sich weiterhin der genetischen Analyse von heutigen Katzen.
Denn obwohl die Analyse der mumifizierten Katzen aus dem Jahr 2012 wissenschaftlich durchaus bedeutsam war, ist es schwer vorstellbar, dass nur eine einzige Katze in den USA die Merkmale der Pharaonenkatzen tragen soll. Und mehr noch: Dass sie durch eine Schatzsuche nach Indiana-Jones-Art in den sozialen Medien gefunden wird.
Denn nach dem aktuellen Kenntnisstand wurde die Hauskatze tatsächlich zuerst in Ägypten domestiziert. Sie entwickelte sich aus der Falbkatze, an deren Aussehen heute vor allem die Katzenrasse Ägyptische Mau erinnert. Dass jedoch die DNA dieser Katzen sich nicht in Europa und Asien verbreitet haben soll und sich nur in einem Exemplar in den geografisch von Ägypten durchaus isolierten Vereinigten Staaten findet, ist also zumindest anzuzweifeln, solange Dr. Lyons und ihre Kollegen keine weiteren Beweise für ihre Theorie finden.
* Die Autorin verwendet die heute in der Wissenschaft gängigen Abkürzungen „Vor unserer Zeit“ und „Unserer Zeit“ anstatt der rein religiös-geprägten v.Chr. und n.Chr.