11. Oktober 2023, 14:11 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In Urlaubsländern wie Spanien oder Griechenland gibt es viele Straßenkatzen. Touristen haben oft Mitleid mit den Tieren. Doch sollte man sie füttern oder streicheln? Unsere Redakteurin und Katzenverhaltensexpertin Saskia Schneider war zwei Wochen auf Kreta. Dort begegnete sie vielen Streunern und berichtet von ihren Erfahrungen.
In Deutschland sind Katzen schon lange nicht mehr nur Haustiere. Für viele sind sie so etwas wie Familienmitglieder. Sie haben eigene Betten, Möbel und manchmal sogar eine Krankenversicherung. Wenn man dies den Menschen auf Kreta erzählt, erntet man oft nur Kopfschütteln. Hier gelten Katzen – wie Hunde und Ziegen – vor allem als Nutztiere. Sie sollen die Nager beseitigen. Hauptsächlich ernähren sich viele der Streuner aber von Essensresten und Abfall. Als Tourist bekommt man daher schnell Mitleid mit den mageren Tieren. Doch sollte man Straßenkatzen füttern oder streicheln?
Dazu gibt es kontroverse Meinungen. In meinen Urlauben durfte ich schon viele Streuner kennenlernen, aber nie habe ich so viele herrenlose Katzen gesehen wie auf Kreta. In den zwei Wochen bereiste ich verschiedene Teile der Insel und habe festgestellt, dass sich das Verhalten der Tiere je nach Ort stark unterscheiden kann. Hier möchte ich meine Erfahrungen teilen und erklären, warum das Füttern und Streicheln von Straßenkatzen nicht immer eine gute Idee ist und sogar gefährlich werden kann.
Warum gibt es in Urlaubsorten wie Kreta so viele Streuner?
Katzen sind in vielen Ländern Europas in erster Linie Nutztiere – vor allem in den ländlichen Regionen. Hier führen Katzen ein relativ selbstbestimmtes Leben und vermehren sich so auch unkontrolliert. Zwar gibt es mittlerweile auch Kastrationsprogramme von Schutzorganisationen – man erkennt die bereits kastrierten Tiere an einer Markierung am Ohr – dies ist aber meist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Denn vor allem in der Saison, wenn viele Touristen ins Land kommen und viele Hotels und Restaurants geöffnet haben, vermehren sich die Tiere sehr stark. Im Winter dünnt die Population dann wieder aus. Viele Straßenkatzen sterben aber auch an Krankheiten oder im Straßenverkehr. Daher sieht man oft sehr viele junge Tiere.
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Sollte man Straßenkatzen füttern?
In der Regel finden die Tiere in der Saison genügend Nahrung. Während Katzen in den ländlichen Regionen nach Beute jagen, findet man in den Städten oft auch Futterstellen. Diese werden meist von Anwohnern befüllt. Zudem tolerieren viele Restaurant- und Hotelbetreiber die Anwesenheit der Tiere und geben ihnen sogar gelegentlich Essensreste.
Verhungern müssen die Katzen während der Saison – also dann, wenn man auch als Urlauber vor Ort ist – eher selten. Aber natürlich freuen sich die Katzen immer über einen Snack und ich habe während meiner Urlaube tatsächlich immer Leckerlis dabei, die dankend angenommen werden. Vor allem schwangere und säugende Katzen sind für die extra Kalorien dankbar. Allerdings muss hier jeder selbst abschätzen, ob er Straßenkatzen füttert oder nicht. Denn es gibt einiges, was meiner Erfahrung nach dagegen spricht.
Das spricht gegen das Füttern von Straßenkatzen
Erhalt der großen Population
Ein Großteil des Streuner-Elends entsteht dadurch, dass sich die Katzen in der Saison sehr stark vermehren, sich schnell mit Krankheiten anstecken und in der Regel Parasiten haben. Durch das Füttern trägt man zum Erhalt der großen Populationen mit bei, denn so kommen auch kranke und schwache Tiere in der Saison gut über die Runden.
Katzen werden lästig
Wenn ein Tier mit einem Verhalten einmal Erfolg hatte, wird es dieses öfter zeigen. So gibt es viele Katzen, die schreiend durch die Tischreihen von Restaurants laufen, neben den essenden Leuten sitzen und sogar Essen vom Teller stibitzen. Das empfinden Anwohner und viele andere Touristen als störend, was letztendlich dazu führen kann, dass die Katzen verjagt oder sogar erschlagen werden.
Vor allem, wenn man eine Ferienwohnung bezieht und Streuner anfüttert, haben die Betreiber danach oft ein Problem, wenn die Nachmieter es gar nicht lustig finden, dass zum Frühstück bereits mehrere Tiere auf der Matte stehen und nach Futter verlangen.
Verletzungs- und Infektionsgefahr
Beim Füttern, vor allem aus der Hand, hat man engen Kontakt zu den Straßenkatzen. Das erhöht das Risiko, sich mit Parasiten zu infizieren oder auch gebissen zu werden. Manche Tiere schnappen recht gierig nach dem Essen und mir ist es tatsächlich schon passiert, dass mich ein junges Kätzchen dabei in den Finger gebissen hat. Das bedeutet dann Arztbesuch und mehrere Tage Antibiotikum.
Menschliche Nahrung ist oft schlecht für Katzen
Dass man Straßenkatzen nur mit artgerechter Nahrung füttert, sollte selbstverständlich sein. Die hat man im Urlaub aber selten dabei. Da ist die Versuchung groß, den Tieren andere Leckereien anzubieten, die oft nicht gesund oder sogar gefährlich für Katzen sind.
Sollte man Straßenkatzen streicheln?
Noch heikler als das Füttern von Straßenkatzen sehe ich das Streicheln der Tiere. Nicht, weil man den Katzen damit schaden könnte, sondern weil man sich dadurch selbst in Gefahr bringen kann. Zum einen, was die Infektion mit Krankheitserregern und Parasiten angeht, zum anderen, weil viele das Verhalten von Katzen schlecht einschätzen können.
Hierbei habe ich verschiedene Erfahrungen gemacht. In Matala, einem kleinen Dorf im Süden Kretas, in dem wenig Autoverkehr herrscht und die Streuner eng mit den Menschen zusammenleben, waren fast alle Katzen sehr freundlich.
Die Tiere waren entweder sehr aufgeschlossen und haben sich gerne streicheln lassen oder sind den Menschen aus dem Weg gegangen. Hier hatten viele Kitten anscheinend in der frühen Prägungsphase engen Kontakt zu Menschen und manche Katzen trugen sogar ein Halsband und waren gut gepflegt.
In Xania, einer Stadt an der Nordwestküste der Insel, war die Lage anders. Hier hielt sich ein Großteil der Katzen in Parks und Grünflächen auf. Viele waren zutraulich, aber nicht immer freundlich.
So hatte ich eine Situation, in der eine Katze sich zunächst gern streicheln ließ und in nächsten Moment nach mir schlug, weil ich eine Sekunde zu spät reagiert hatte. Man muss die Körpersprache der Tiere also sehr gut lesen, um richtig einschätzen zu können, wann man sich dem Tier nähert, wo man es anfassen kann und wann man am besten aufhören sollte zu streicheln.
Daher würde ich jedem, der nicht wirklich Profi in der Katzen-Körpersprache ist, abraten, Straßenkatzen zu streicheln. Manche Tiere warnen nur sehr subtil und können schnell in ihrer Stimmung umschwenken. Die Gefahr, gekratzt oder gebissen zu werden, ist einfach zu hoch.
Wie kann man Straßenkatzen helfen?
Um das Streunerleid zu reduzieren, müsste man zunächst die Populationen in den Griff bekommen. Das kann letztendlich nur durch Kastrationsprogramme gelingen. Wer also wirklich nachhaltig etwas für die Straßenkatzen tun möchte, sollte Kontakt mit den dortigen Tierschutzorganisationen aufnehmen und fragen, wie man diese am besten unterstützt. Das muss nicht immer finanziell sein. Manche freuen sich auch über Futterspenden.
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Sollte man Straßenkatzen füttern? Mein Fazit
Sicher macht man nichts verkehrt, wenn man dem ein oder anderen Kätzchen ein Häppchen abgibt oder mit einer Streicheleinheit verwöhnt. Dabei sollte man sich jedoch immer bewusst sein, dass es sich bei den meisten Streunern nicht um ausgesetzte Haustiere, sondern um halb verwilderte Katzen handelt, die nicht alle Kontakt mit Menschen gewohnt sind oder wollen.
Straßenkatzen leben übrigens auch nicht alle unglücklich und im Elend. Viele Tiere führen hier ein selbstbestimmtes, freies Leben und gehen ihren natürlichen Bedürfnissen nach. Wie bei wilden Tieren in der Natur überleben hier meist nur die fittesten und gesündesten Katzen. Trotzdem bricht es einem als Katzenliebhaber natürlich das Herz, wenn einem ein verflohter, halb verhungerter Streuner mauzend entgegenkommt. Daher werde ich auch im nächsten Urlaub wieder Leckerli und Trockenfutter im Gepäck mit dabei haben.