4. Juli 2024, 14:52 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wenn Katzen an Möbeln kratzen, ist das für viele Halter unglaublich frustrierend. Nicht selten reagieren sie dann mit Schreien oder sogar Strafen, ohne die komplexen Gründe hinter dem Verhalten zu kennen. Eine Studie hat diese nun analysiert und liefert erste Ergebnisse, was besser gegen das unerwünschte Verhalten hilft.
Archäologische Funde belegen, dass Katzen den Menschen mindestens seit 9500 Jahren begleiten. In dieser Zeit haben die Tiere zwar gelernt, von sozialer Interaktion mit uns zu profitieren, sind aber noch immer unabhängiger als Hunde und haben viele territoriale Instinkte. Daher neigen laut einer Studie Halter auch noch immer dazu, das Verhalten ihrer Tiere falsch zu interpretieren. Darunter fällt auch, wenn Katzen an Möbeln kratzen.
Dies wird von Haltern oft als Fehlverhalten verstanden und ist nicht selten mit unangenehmen Konsequenzen für das Tier verbunden. In einer wissenschaftlichen Untersuchung wurden nun die Gründe für dieses Verhalten analysiert und Empfehlungen ausgesprochen, was man tun kann, damit Katzen weniger häufig Möbel und Wände zerkratzen.
Kratzen an Möbeln belastet Verhältnis zwischen Mensch und Katze
Wissenschaftler von Institutionen in Kanada, Portugal, Frankreich und der Türkei haben sich zusammengetan, um zu klären, warum manche Katzen die Angewohnheit entwickeln, an Möbeln zu kratzen. Erstautorin Yasemin Salgirli Demirbas von der Universität Ankara und ihr Team haben im Fachmagazin „Frontiers in Veterinary Science“ eine Analyse von 1211 Katzen veröffentlicht.
Dazu haben sie Datensätze untersucht, die das unerwünschte Verhalten beschreiben und Hintergrundinformationen eingeholt. Die Katzenbesitzer beantworteten Online-Fragebögen zu ihren demografischen Daten und ihren Lebensverhältnissen. Anschließend fragten die Forscher den gewöhnlichen Tagesablauf der Katzen und ihren Charakter sowie übliche Verhaltensweisen ab. Zuletzt wurde in einem dritten Abschnitt ein „kombinierter Kratzindex“ von 0 bis 6 abgeleitet, der die Häufigkeit und Intensität des Kratzens gegeneinander aufwertete.
Mithilfe dieser Daten konnten die Forscher mögliche Risikofaktoren für die Entwicklung des Verhaltens benennen und Handlungsempfehlungen für Halter entwickeln. Denn sie identifizierten unerwünschtes Kratzen an Möbeln als „erhebliche Bedrohung für das Wohlergehen von Katzen“. So seien Halter oft frustriert, weil das Kratzverhalten ihren Lebensraum zerstöre. Dies könne das Stresslevel bei Katzen erhöhen und es im Falle einer Bestrafung sogar verstärken. Im schlimmsten Fall könne dies dazu führen, dass Halter Tieren die Krallen entfernen lassen (was in vielen Ländern erfreulicherweise verboten ist), sie abgeben, oder sogar einschläfern lassen.
Warum Katzen kratzen müssen
Viele Halter wissen jedoch in der Theorie, dass das Kratzen ihrer Katze ein natürliches Verhalten ist und stellen ihr entsprechende Möbel zur Verfügung. Dies ist in vielen Fällen ein Kratzbaum, eine Kratzpappe oder sogar ein billiger Teppich, wenn die Katze keine anderen Möglichkeiten annimmt.
Beim Kratzen verteilen Katzen Duftstoffe auf strategischen Stellen und markieren sie für sich als sicheren Ort. Damit schärfen sie auch ihre Vorderkrallen und kürzen sie. Somit sorgen sie selbst dafür, dass ihre Krallen ein Leben lang benutzbar sind.
Kratzen dient aber auch der sozialen Interaktion. Die Katze sucht sich Plätze aus, wo sie ihre Duftmarke am besten anbringen kann, um Artgenossen zu sagen: „Ich bin hier! Das ist mein Bereich.“ Dieses Verhalten zeigt sich auch häufig im Zusammenleben mit Menschen. Manche Katzen setzen sich bewusst in Szene und kratzen dann an Stellen, wo man sie gut sehen kann und andere häufig vorbeikommen.
Risikofaktoren, die begünstigen, dass Katzen an Möbeln kratzen
In ihrer Studie konnten Salgirli Demirbas und ihre Kollegen nun einige Risikofaktoren identifizieren, die zu vermehrtem Kratzen an nicht für die Katze vorgesehenen Objekten wie Möbeln führen können. Darunter zum Beispiel:
- die Anwesenheit eines Kindes im Haushalt
- durchschnittliche Spieldauer
- Verspieltheit
- nächtliche Aktivität
- Aggressivität
- Unruhe
- Standort der Kratzbäume
Gerade bei der Positionierung von Kratzbäumen zeigte sich, dass das Verhalten sich besserte, sobald diese in Bereichen aufgestellt wurden, die die Katze häufiger nutzt und wo soziale Interaktion mit den Menschen stattfindet. Ein weiteres Ergebnis war der Einfluss von Kindern auf das Kratzverhalten. So scheint es, als ob Kinder zu einem erhöhten Stressniveau beitragen, was zu häufigeren und intensiveren Kratzepisoden führen kann.
Bereits in früheren Studien wurden Kinder als häufige Abgabegründe von Haustieren genannt. Allerdings sind weitere Untersuchungen erforderlich, um zu verstehen, ob die Ankunft eines Babys oder das generelle Zusammenleben mit Kindern Katzen unter Stress setzt.
Der Einfluss von Spiel und Charakter auf Kratzverhalten
Bemerkenswert war auch, dass keine Zusammenhänge zwischen gezüchteten und Katzen ohne Zuordnung einer bestimmten Zucht gefunden wurden. Auch das Geschlecht, der Kastrationsstatus, eine Gesundheitswertung oder das Gewicht spielten keine Rolle für den Kratzindex. Stattdessen wurden die Charaktereigenschaften der Tiere als Faktor für das Verhalten identifiziert. Diese waren:
- störend,
- lethargisch,
- ängstlich,
- lebhaft,
- ungestüm,
- sozial
- und ruhig.
Dabei zeigte sich, dass gerade Eigenschaften wie „störend“ eher auf aggressivem und zerstörendem Verhalten beruhten. Dieser Faktor, zusammen mit lebhaften und ungestümen Handeln, hatte den größten Einfluss auf das Kratzen der untersuchten Katzen. Allerdings zeigte sich auch, dass Spielverhalten eine große Bedeutung hatte. Gerade die durchschnittliche Dauer der Spielzeit, sowie ob eine Katze generell gern spielte und ob sie sich nachts laut bemerkbar machte, wiesen einen Zusammenhang auf.
Ist falsches Spielen dafür verantwortlich, dass Katzen an Möbeln kratzen?
Eine mögliche Erklärung für den Zusammenhang ist ungeeignetes Spiel. Darunter fallen zum Beispiel stundenlange Spieleinheiten, die die Katze richtig aufputschen, sowie die unbefriedigende Jagd auf einen Laserpointer. Das Zusammenspiel zwischen erhöhter Aktivität und vermehrtem Kratzen ist laut den Forschern eine anhaltende sympathische Erregung der Nervenbahnen, die mit Wachsamkeit und Stress verbunden sein kann. Dies verstärke das markierende Kratzverhalten.
Das Spiel selbst sei jedoch entscheidend für das Wohlbefinden von Katzen, da es ihnen als Ventil für ihren angeborenen Jagd- und Erkundungstrieb dient, heißt es in der Studie weiter. In freier Wildbahn sei das individuelle Spiel jedoch mit Raubtierverhalten verbunden, was ein erhöhtes Erregungsniveau für wiederholte, aber kurze Zeiträume erforderlich mache.
Der beobachtete Zusammenhang zwischen intensivem Spiel und erhöhter nächtlicher Aktivität könnte auf verlängerte oder unangemessene Spielroutinen für Katzen hindeuten, die zu erhöhtem Stress, Reizbarkeit und Frustration führen könnten. Dies bedinge, dass die Katzen vermehrt kratzen, um Stress abzubauen.
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Individuelle Merkmale verstehen
Die Wissenschaftler schreiben weiter, dass sie hoffen, mehr Verständnis für Katzenverhalten bei Besitzern zu erzeugen. Denn während sich die meisten Studien auf das Wohlbefinden der menschlichen Bewohner konzentrieren, unterstreichen diese Ergebnisse, wie wichtig es ist, beide Komponenten zu bewerten. So könne man für Mensch und Tier ein harmonisches Umfeld schaffen.
Im Verlauf der Studie zeigten sich mehrere signifikante Zusammenhänge zwischen Katzeneigenschaften, nächtlicher Aktivität und Spiel sowie der Umgebung auf. Die Forscher wollen damit die Vielschichtigkeit des unerwünschten Kratzverhaltens unterstreichen. Außerdem betonen sie, wie wichtig es ist, sowohl die individuellen Merkmale der Katze als auch ihre Umgebung umfassend zu verstehen, um dieses Verhalten wirksam zu bekämpfen.1