3. Dezember 2024, 17:22 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nicht erst seit der Zeichentrickkater Garfield TV-Bildschirme und Leinwände unsicher macht, sind sich viele sicher: Orange Katzen ticken anders. Ob die Fellfarbe aber tatsächlich mit dem Charakter der Tiere zusammenhängt, wird debattiert. Nun könnte auf dem Gen für orangefarbenes Fell der Beweis dafür liegen, wie zwei Studien unabhängig voneinander feststellen.
Die Frage, wie oranges Fell bei Katzen entsteht und welche Auswirkungen es auf die Tiere hat, beschäftigt die Forschung schon sehr lange. Trotz 60 Jahren wissenschaftlicher Arbeiten zu diesem Thema hatte man jedoch lange keine definitive Antwort gefunden. Nun haben scheinbar gleich zwei Studien auf einmal eine Lösung für das genetische Rätsel der orangen Katzen gefunden.
Ist das Paradoxon der orangen Katzen endlich gelöst?
Bei Menschen und vielen anderen Säugetieren entsteht rotes Haar oder oranges Fell durch das Protein Mc1r. Es sitzt an der Oberfläche von Hautzellen und bewirkt, dass rötliche Farbe produziert wird. Meist ist auch die Haut selbst heller und neigt zu Sommersprossen. Allerdings gilt diese Erklärung nicht für Katzen, denn in den allermeisten Fällen ist Mc1r bei ihnen nicht mutiert.
Bei orangen Katzen gibt es darüber hinaus noch eine Besonderheit: Sie sind in den meisten Fällen männlich. Forscher gingen bislang davon aus, dass dies etwa 80 bis 90 Prozent aller Katzen mit orangem Fell betrifft. Man hat sich dies so erklärt, dass die Fellfarben auf dem X-Chromosom bei Katzen liegen. Diese codieren jeweils eine Farbe, schwarz oder rot.
Da Kater nur eines der X-Chromosomen von ihrer Mutter erben, haben sie entweder dunkles oder oranges Fell. Lange war man davon ausgegangen, dass es quasi Zufall ist, welches Farbmerkmal vererbt wird. Dies würde jedoch die relative Häufigkeit der Fellfarbe bei Katern nicht komplett erklären. Daher scheint dies nur ein Teil der Antwort auf das Rätsel zu sein.
Nun haben gleich zwei Forschungsteams unabhängig voneinander ein Gen lokalisiert, dass eigentlich eine ganz andere Bedeutung hat und wohl für die hohe Durchsetzungskraft von orangem Fell verantwortlich ist. Beide Studien befinden sich noch in der Überprüfung durch unabhängige Wissenschaftler, wurden jedoch als Vorabversion auf der Wissenschaftsplattform „bioRxiv“ veröffentlicht. Die Forschungsgruppen der Stanford Universität in den USA und der Universität Kyushu in Japan erfuhren erst während ihrer Arbeit voneinander und publizierten ihre Ergebnisse daher zeitgleich.
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Genetisches Rätsel oranger Katzen stellte Forscher 60 Jahre lang vor Rätsel
Greg Barsh, der an der Untersuchung der Stanford University beteiligt war, sagte dem Wissenschaftsmagazin „Science“ dazu: „Es war ein genetisches Rätsel, ein Geheimnis“. Der Genetiker und sein Team untersuchten Hautzellen von orangen und nicht-orangen Katzen auf molekularer Ebene, um es endlich zu lösen. Denn das sich das orange Gen dominanter durchsetzt als es eigentlich nach den Regeln der Vererbungslehre sollte, wurde bereits vor 60 Jahren entdeckt – aber nicht erklärt.
Bei ihrem neuerlichen Erklärungsversuch stellten die Forscher nun fest, dass die RNA – ein Botenstoff der DNA, der für die Proteinherstellung benötigt wird – bei orangen Katzen etwa 13-mal aktiver war als bei Tieren mit anderen Fellfarben. Diese gewaltigen Mengen an RNA konnten die Forscher zu dem Gen Arhgap36 zurückverfolgen. Bei der genauen Untersuchung zeigte sich, dass gleich daneben ein Stück der DNA auf dem X-Chromosom inaktiv war. 1 Das bedeutet, dass orange Fellfarbe tatsächlich die Produktion anderer Pigmente „überschreibt“.
Hat die Orange-Katze-Mutation noch weitere Auswirkungen?
Um diese Theorie zu bestätigen, überprüften die US-Wissenschaftler ihre Datenbanken und auch die Forscher aus Japan gingen nach einem ähnlichen Muster vor. So zeigte sich, dass 188 bzw. 258 Gensequenzen von Katzen in den Forschungsdatenbanken dieselben inaktiven Sequenzen besaßen. Wenig überraschend waren alle betreffenden Tiere orange. Die japanischen Forscher gingen anschließend sogar noch einen Schritt weiter. Sie untersuchten auch dreifarbige Tiere auf Arhgap36 – und fanden auch hier erhöhte Konzentrationen von RNA – allerdings nur in den orangen Fellflecken.
In der japanischen Studie wurde zudem festgestellt, weshalb manche Katzen verschiedene Fellfarben entwickeln, ohne dass sie sich mischen. Dies spricht tatsächlich für eine komplette Inaktivierung der anderen Fellfarbe in bestimmten Bereichen. Außerdem verändern die Pigmente für die Fellfarbe auch die darunter liegenden Hautzellen.
Und noch eine weitere Feststellung konnten beide Untersuchungen treffen: Katzen mit der Arhgap36-Mutation zeigten keine negativen gesundheitlichen Konsequenzen, wie man sie von Menschen mit dieser Inaktivierung kennt.2
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Weitere Studien zu orangen Katzen nötig
Das Gen beeinflusst nicht nur die Fellfarbe. Es hat auch Auswirkungen auf Zellwachstum und Aktivierung von Hippocampus, Hypophyse und Nebenniere. Beim Menschen führt es unter anderem zu Problemen mit der Schilddrüse, zu höherem Risiko für bestimmte Krebsarten oder Veränderungen der Knochenbildung, Gelenken und Muskeln.
Allerdings scheinen die Effekte des Gens bei orangen Katzen ausnahmslos positiv zu sein. Mehr noch, diese Studien könnten den ersten wissenschaftlichen Beweis für die Annahme liefern, dass sich diese Tiere tatsächlich – hormonell bedingt – anders verhalten als nicht-orange Katzen.
Denn die von Arhgap36 betroffenen Gewebe produzieren viele Hormone, die unter anderem für Wachstum und Fortpflanzung verantwortlich sind. Dies würde auch die Ergebnisse einer Langzeitstudie aus Frankreich bestätigen. Diese zeigte, dass orange Kater größer und draufgängerischer sind als ihre Artgenossen. 3 Da das Gen für oranges Fell bei Katzen nun also endlich identifiziert wurde, kann man sich in der Forschung diesen möglichen Auswirkungen auf die Tiere nun genauer widmen.
Irgendwas muss dran sein, dass orange Katzen anders sind
„Ich bin selbst Besitzerin – oder vielmehr Mitbewohnerin – eines orangen Katers. Remo ist nicht meine erste Katze, doch einen Kater wie ihn habe ich tatsächlich noch nie vorher erlebt. Er legt Verhaltensweisen an den Tag, die ich in dieser Form noch bei keiner Katze beobachtet habe. Zudem ist er sehr anhänglich und belebt meinen Alltag mit seinen Kapriolen sehr.
Auch wenn es bisher nicht allzu viele wissenschaftliche Beweise für die Überzeugung gibt, dass orange Katzen einfach anders sind, gehe ich davon aus, dass irgendetwas dran sein muss. Der definitive Nachweis wurde vielleicht nur einfach noch nicht gefunden. Umso spannender finde ich die Ergebnisse dieser Studien und hoffe, dass die Forscher sich dem Thema weiter widmen.“