
19. Oktober 2022, 5:57 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Katzen haben bestimmte Stellen, an denen sie gerne gestreichelt werden wollen und andere, die bei einigen absolut tabu sind. Laut einer britischen Studie kennen gerade mit Katzen unerfahrene Menschen diese auf Anhieb jedoch besser als solche, die viel mit den Tieren zu tun haben.
Am Hals oder auf der Stirn. Nicht am Bauch und schon gar nicht am Schwanz. Viele Katzen haben bestimmte Lieblingsstellen, wo sie gerne gekrault und gestreichelt werden. Kennt man sein Tier gut und es vertraut dem Halter blind, darf man, wenn man Glück hat, auch stundenlang den Bauch einer Katze kraulen. Viel Erfahrung mit Katzen scheint jedoch laut einer aktuellen Studie kein Beweis dafür zu sein, dass man richtig mit den freiheitsliebenden Tieren umgeht. Ein britisches Forscher-Team unter der Leitung von Lauren R. Finka hat eine Studie mit 119 Teilnehmern und 114 Katzen durchgeführt. Anhand der Mensch-Katze-Interaktionen, auch „Human Cat Interactions“ (HCI) genannt, wollten die Wissenschaftler nachweisen, wie gut sich Katze und Mensch wirklich verstehen. Finka und Kollegen kamen zu dem Schluss, dass „paradoxerweise“ unerfahrene Menschen besser streicheln und respektvoller mit den Katzen umgingen.
Wie die Forscher vorgingen
Zunächst haben die über Social Media angeworbenen menschlichen Teilnehmer der Studie einen Fragebogen ausgefüllt. Im Formblatt sollten die Probanden angeben, wie viel Erfahrung sie mit den Tieren gemacht haben und wie hoch sie ihre Kompetenz im Umgang mit ihnen einschätzen würden. Größtenteils waren die Teilnehmer weiblich und hatten unterschiedlich viel Vorerfahrung im Umgang mit Katzen.
Die Tiere, die an der Studie teilnahmen, waren während der Zeit der Experimente in einer Pension untergebracht. Sie hätten laut den Autoren vorab genug Zeit gehabt, sich dort einzuleben und seien konstant tierärztlich untersucht worden. Laut eigenen Angaben haben die Wissenschaftler auf eine stressfreie und natürliche Atmosphäre großen Wert gelegt.
Für den Versuchsaufbau wurde eine lebensnahe Situation im Haushalt simuliert, in der sich die Teilnehmer jeweils fünf Minuten mit einer Katze auf einem ihr bekannten Territorium beschäftigen konnten. Die Probanden setzten sich in einen separierten Bereich mit dem Tier und waren so nah, dass sie es stets mit der Hand berühren konnten, wenn sie es wollten. Die Testpersonen waren angewiesen, eine entspannte Sitzhaltung anzunehmen, damit die Tiere den Kontakt suchen oder vermeiden konnten. Alle untersuchten Interaktionen wurden gefilmt und analysiert.
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Interaktionen wurden in Kategorien eingestuft
Die Wissenschaftler konnten in den Aufnahmen bis zu sieben verschiedene HCI, also Interaktionen von Mensch und Tier, beobachten. Um die Stellen der Katze, an denen die Probanden sie berührten, vergleichen zu können, definierten die Forscher grüne, gelbe und rote Stellen am Körper des Tieres. Gesicht, Nacken und Stirn wurden dabei grün markiert, rot markiert wurden Bauch und Ansatz des Schwanzes am Rücken. Der Rest zählte als gelber Bereich.
Im Folgenden ordneten die Wissenschaftler die Interaktionen mit den Tieren in sieben verschiedene Arten ein.
- Passiver Proband, reagiert aber auf Kontakt, minimale Berührung
- Proband initiiert/beendet Kontakt, berührt gelbe Stellen
- will mehr Kontakt, berührt gelbe Stellen, spielt aber nicht
- berührt grüne Zonen
- Testperson hält die Katze fest
- versucht mit der Katze zu interagieren, berührt sie inklusive gelber Stellen
- berührt rote Stellen
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Unerfahrene streichelten Katzen besser und zeigten bewussteren Umgang
Variante 1 wurde als „bestes Verhalten“ definiert. Variante 7, bei der die empfindlichen Bereiche an Bauch und Rücken berührt wurden, wurde negativ bewertet. Anhand der berührten Stellen und des gezeigten Verhaltens ordneten die Forscher die Interaktion zwischen Mensch und Tier ein. Das Ergebnis zeigte deutlich, dass Menschen, die sich lange mit Katzen beschäftigt hatten und viel Erfahrung mitbrachten, häufig falsch mit den Tieren umgingen. Dagegen gingen Teilnehmer, die sich selbst als Unerfahrene bezeichneten, oftmals vorsichtig und bewusst mit den Katzen um und suchten sich auch beim Streicheln die richtigen Stellen aus.
Erfahrung mit Katzen führt zu Selbstüberschätzung
Die Autoren schreiben, dass Berührungsinteraktionen mit Katzen therapeutische Vorteile für Menschen hätten und häufig eingesetzt würden, um das Wohlbefinden zu verbessern. Katzen seien jedoch nicht von Natur aus soziale Wesen oder sehr taktil. Sie hätten spezielle Vorlieben dafür, wie sie interagierten oder berührt werden wollten.
Die Experten gaben auch an, dass Menschen mit viel Erfahrung mit den Tieren möglicherweise zur Selbstüberschätzung neigten und gingen auf den „Dunning-Kruger-Effekt“ ein. Dieses Phänomen wird beobachtet, wenn Menschen mit Halbwissen ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen und die Leistungen anderer – häufig die der besser Qualifizierteren – aberkennen. Daher seien Unerfahrene häufig besser im Streicheln von Katzen, da sie sich nicht selbst überschätzten.

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Quellen
- Finka, L.R., Ripari, L., Quinlan, L. et al., (2022). Investigation of humans individual differences as predictors of their animal interaction styles, focused on the domestic cat. Sci Rep 12, 12128.