4. September 2023, 17:33 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Katzenhalter, die ihr Tier zum Fressen bringen möchten, greifen oft auf einen Trick zurück: Thunfisch aus der Dose. Diesem Leckerbissen können viele Katzen kaum widerstehen. Warum das so ist und warum Katzen möglicherweise gar nicht anders können, als Thunfisch zu lieben, haben Forscher nun erstmals herausgefunden.
Thunfisch aus der Dose ist für viele Katzen ein besonderer Leckerbissen. Ob bei wählerischen Fressern oder Katzen, die Medikamente verweigern – mit Thunfisch gelingt es Haltern oftmals, ihr Tier zum Fressen zu bewegen. In der Natur kreuzen sich die Wege der schnellen Raubfische und der leichtfüßigen Katze, die ihren Ursprung in Wüsten hat, dagegen nicht. Zudem wäre eine Katze beim besten Willen nicht in der Lage, einen Thunfisch, der mehrere Meter lang und mehr als einhundert Kilogramm schwer wird, eigenständig zu erlegen. Wie kann es daher dazu kommen, dass Thunfisch für Katzen so unwiderstehlich zu sein scheint? Ein internationales Forscherteam aus Großbritannien, den USA und Deutschland widmete sich dieser Frage. Im August 2023 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Chemical Sense“ veröffentlichte Studienergebnisse zeigen, dass die Gene der Katzen eine besondere Rolle dabei spielen.
Übersicht
Eigenheiten des Geschmackssinns von Katzen
Als „echte“ Karnivoren ernähren sich Katzen hauptsächlich von Fleisch und sind auf Nährstoffe angewiesen, die in natürlicher Form so nur darin vorkommen. Entsprechend eigen ist ihr Geschmackssinn. Säugetiere weisen fünf Grundgeschmacksrichtungen auf, dazu gehört neben süß, sauer, salzig und bitter auch der Umami-Geschmack. Umami ist herzhaft und vollmundig, ein Geschmack, wie ihn verschiedene Fleischsorten, aber auch Pilze oder Käse aufweisen.
Bei Katzen scheint es so zu sein, dass sie vor allem anderen den Umami-Geschmack bevorzugen, während ihre Fähigkeit, bitteren Geschmack wahrzunehmen, vermindert ist. Das sei bei reinen Fleischfressern nicht verwunderlich. Ebenso wenig, wie das seltene Interesse der Tiere für süße Nahrungsmittel. Denn Katzen sind nicht in der Lage, Zucker oder Süßstoffe zu schmecken. Grund dafür ist das Gen, das es den Tieren erlauben würde, Süße zu schmecken – es ist nicht funktionstüchtig.
Erstautor Scott McGrane begründet diese Eigenschaft damit, dass Fleisch als Hauptnahrungsmittel der Katze keinen Zucker enthält. Im Laufe der Evolution sei diese Eigenschaft den Tieren wohl verloren gegangen. „Wenn du es [das Gen] nicht benutzt, verlierst du es“, erklärt McGrane gegenüber dem Online-Fachmagazin „Science“.
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Wissenschaftler unterziehen Katzen einem Geschmackstest
Bei Menschen und einer Vielzahl anderer Tiere kodieren zwei Gene (Tas1r1 und Tas1r3) die Proteine, aus denen sich in den Geschmacksknospen die Umami-Rezeptoren zusammenschließen, beschreiben die Autoren die Situation in ihrer Studie. Bislang war bei Katzen allerdings nur das Gen Tas1r3 bekannt. McGrane und sein Team liefern nun aber neue Erkenntnisse zu den Geschmacksvorlieben von Katzen.
Einen ersten Hinweis ergab die Biopsie der Zunge eines sechsjährigen Katers, der aus gesundheitlichen Gründen unabhängig der Durchführung der Studie eingeschläfert wurde. Mittels der Biopsie wiesen die Wissenschaftler erstmals nach, dass eine Katze beide Gene zur Erkennung von Umami durch die notwendigen Rezeptoren besaß.
Um auszuschließen, dass es sich dabei um einen Einzelfall handelte, unterzogen die Forscher 25 weiteren Katzen verschiedener Altersklassen einem Geschmackstest. Dabei boten sie den Tieren jeweils zwei Schalen mit unterschiedlichem Inhalt an. Diese enthielten entweder reines Wasser oder aber Wasser, das mit verschiedenen Kombinationen von Aminosäuren und Nukleotiden versetzt worden war. Dabei wurde eine Vorliebe der Katzen für das Wasser mit Umami-ähnlichem-Geschmack deutlich.
Thunfisch für Katzen besonders geschmacksintensiv
Die Ergebnisse der Studie belegen einerseits, dass die Geschmacksknospen von Katzen die Rezeptoren zur Wahrnehmung von Umami enthalten. Das ist jedoch nicht alles. Die Forscher kommen außerdem zu dem Schluss, dass die Rezeptoren von Katzen ausgerechnet speziell auf die Moleküle abgestimmt sind, die in hoher Konzentration in Thunfisch vorkommen. Das zeigt die Auswahl der favorisierten Schalen im Rahmen Geschmackstests.
McGrane bezeichnete die enthaltenen Kombinationen von Molekülen gegenüber „Science“ als „bevorzugte Kombinationen“ und eine Art „Sweetspot des Umamis“. Bei letzterem handelt es sich um die optimale Wirkung eines Zustandes, in diesem Fall des Umami-Geschmacks. Die Kombination der Moleküle verstärkt diesen von Katzen bevorzugten Geschmack. Zudem sind die Umami-Rezeptoren bei Katzen der Studie zufolge außerdem entscheidend dafür, dass sie wichtige Geschmacksstoffe im Fleisch erkennen können.
Obwohl die Geschmacksintensität von Thunfisch für Katzen besonders verlockend ist, sollte der Fisch auf keinen Fall leichtfertig verfüttert werden. Denn Thunfisch in großen Mengen und besonders Dosen-Thunfisch ist für Katzen alles andere als gesund. Das liegt sowohl am hohen Salzgehalt als auch an der Quecksilberbelastung des Nahrungsmittels.
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Erkenntnisse zu Thunfisch-Geschmack könnten Katzen helfen
Besonders für Katzenhalter, deren mäkelige Katzen ihnen Sorgen machen und ebenso für die Futtermittelherstellung könnten diese neuen Studienerkenntnisse von Bedeutung sein. McGrane merkt gegenüber „Science“ diesbezüglich an, dass neue Nahrungsmittel entwickelt werden könnten, die für Katzen appetitlicher sind, als bisher. Das löffelweise Verabreichen einer Substanz mit Umami-Geschmack könne seiner Ansicht nach die Medikamentengabe bei Katzen künftig vereinfachen. Doch die Erkenntnisse stellen bislang lediglich neue Möglichkeiten dar, Lösungen müssten erst noch entwickelt werden.
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Wie Katzen auf den Thunfisch-Geschmack kamen, bleibt Rätsel
Um auf die unterschiedlichen Lebensräume von Thunfisch und Katze zurückzukommen – wie die Vierbeiner erstmals auf den Thunfisch-Geschmack kamen, bleibt weiterhin ein Rätsel. Obwohl Fisch und auch Thunfisch vor etwa 10.000 Jahren kaum auf dem Speiseplan der Wüstenkatzen des Nahen Ostens gestanden haben könnte, wurden Katzen um 1500 v. Chr. in der Kunst des alten Ägyptens bereits als Fischfresser dargestellt. Besonders in Hafenstädten könnten die Fleischfresser Zugang zu Fisch(-abfällen) erhalten haben.
Wie sich die Vorliebe für Thunfisch entwickelte, darüber lässt sich nur spekulieren. Gegenüber „Science“ mutmaßt Fiona Marshall, Zooarchäologin an der Washington University in St. Louis, Katzen mit einer Vorliebe für Fisch, insbesondere Thunfisch, könnten einen möglichen evolutionären Vorteil gegenüber Artgenossen gehabt haben. Im Einklang mit ihrer Evolution als Fleischfresser stehe die appetitanregende Wirkung des Umami-Geschmacks für Katzen allemal.
Meine Erfahrung
„Viele Katzen mögen sehr gern Lebensmittel die nach Umami schmecken. Mein Kater Remo liebt Sushi mit Fisch und Surimi. Er würde sogar Soja- oder Fischsoße schlecken, wenn ich ihn lassen würde. Als gelegentliches Leckerli freut ihn nichts so sehr wie etwas Thunfisch aus der Dose – aber nur im eigenen Saft, nicht in Öl eingelegt!
Seit einiger Zeit hat er jedoch Probleme mit den Nieren. Auch da hat mir Thunfisch am Anfang sehr geholfen. Da er – wie viele andere Katzen auch – kein besonders guter Trinker ist, musste ich mir überlegen, wie er mehr Flüssigkeit zu sich nimmt. Nichts funktionierte besser als die Flüssigkeit aus einer aromatisch riechenden Thunfischdose. Allerdings sollte dies nicht als Allheilmittel eingesetzt werden, sondern nur zum Trinktrainung, wobei es dann schrittweise abgebaut wird.“– Louisa Stoeffler, PETBOOK-Redakteurin