6. Oktober 2023, 19:18 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Töne, die Katzen beim Schnurren von sich geben, haben die Wissenschaft lange vor ein Rätsel gestellt. Denn eigentlich sind die Tiere zu klein, um so tiefe Frequenzen zu erzeugen. Eine neue Studie bringt nun endlich Licht ins Dunkel.
Es gibt wohl keinen Katzenhalter, der das Schnurren seines Tieres nicht schätzt. Das leise Brummen, das die Tiere von sich geben, wenn wir sie streicheln oder sie sich besonders wohlfühlen, hat mit seinen niedrigen Frequenzlauten auch auf Menschen eine beruhigende und sogar heilsame Wirkung. Katzen nutzen zudem ein sogenanntes „Heilschnurren“, wenn sie krank sind oder sich nicht wohlfühlen. Nur wie die Tiere dieses Geräusch erzeugen, war lange unklar. Eine neue Studie zeigt jetzt endlich, wie das Schnurren einer Katze tatsächlich funktioniert – und dass sie das Geräusch wohl gar nicht selbst steuern müssen!
Schnurren bei Katzen funktioniert wohl anders als bislang angenommen
Lautäußerungen funktionieren bei vielen Tieren und dem Menschen ähnlich. Meist werden sie durch eine Kombination von Bewegung von Stimmbändern, Zunge und Lippen erzeugt. Manche Sprachen arbeiten darüber hinaus mit Tönen, bei denen nasale Laute mitschwingen. Wiederum andere arbeiten mit tiefen Kehllauten. Vielen Lauten gemein ist jedoch der Luftstrom, der zur Erzeugung der Geräusche produziert und moduliert wird.
Bisher war man davon ausgegangen, dass Katzen durch An- und Entspannung von Muskeln im Kehlkopf Schnurren erzeugen. Anders konnte man sich nicht erklären, weshalb die relativ kleinen Tiere mit ihren kurzen Stimmlappen dazu in der Lage sind, entsprechend tiefe Töne zu produzieren. Denn bei Katzenartigen scheint dies anders zu funktionieren als beim Menschen. Wissenschaftler unterscheiden seit langem zwischen den brüllenden Geräuschen verschiedener Großkatzen und den tiefen und leisen Schnurrgeräuschen, zu denen unsere Hauskatzen in der Lage sind.
Ein Team aus Wissenschaftlern der Universität Wien, des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl) und der Tschechischen Palacký Universität in Olomouc hat sich in einer Studie nun der Frage gewidmet, wie Katzen wirklich Schnurrgeräusche erzeugen. Die Arbeit unter der fachlichen Leitung von Stimmforscher Christian T. Herbst erschien im Fachmagazin „Current Biology“.
Mehr über das Schnurren bei Katzen lesen Sie in diesem Artikel: Welche Funktion das Schnurren bei Katzen erfüllt.
Schnurren funktioniert ohne Muskeln oder Informationen von Nervenzellen
Das Schnurren anatomisch zu beurteilen, war bislang noch nicht gelungen. Um dies zu erreichen, untersuchten die Wissenschaftler die Kehlköpfe von acht Katzen im Labor. Die Tiere waren zuvor an unheilbaren Krankheiten verstorben und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt worden.
Anhand der genauen Untersuchung der Anatomie und Funktionsweise gelang den Forschern der Beweis, dass das Schnurren von Katzen ohne Kontraktionen und neuronalen Input im Kehlkopf entsteht. Katzen brauchen also weder Muskeln noch ihr Hirn, um zu schnurren. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass sie den Laut nicht aktiv beeinflussen müssen und die Lauterzeugung wie von selbst funktionieren kann.
Der Mechanismus ähnelt den Ergebnissen der menschlichen „Schnarrstimme“. Diese konnte zuletzt auch bei verschiedenen Walen nachgewiesen werden (PETBOOK berichtete).
Gewebspolster in den Stimmlappen erlaubt Katzen das Schnurren
Kognitionsbiologe Herbst ordnet die Ergebnisse in einer Pressemitteilung der Universität Wien selbst ein. „Anatomische Untersuchungen haben ergeben, dass ein einzigartiges ‚Gewebspolster‘ in den Stimmlippen der Katzen erklären könnte, wie ein so kleines Tier, das nur wenige Kilogramm wiegt, regelmäßig Töne mit diesen unglaublich niedrigen Frequenzen von 20 bis 30 Hz erzeugen kann.“
Dieser Wert liege zudem weit unter den tiefsten Basstönen, die menschliche Stimmen hervorbringen könnten. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass die Fähigkeit, Schwingungen mit schnurrähnlichen Frequenzen zu produzieren, durch die von ihnen entdeckten Polster erzeugt wird.
Diese besondere anatomische Anpassung funktioniert wohl analog zu dem, was von brüllenden Katzen über die Erzeugung der Laute bekannt ist. Bei ihnen befindet sich ein ähnliches Polster in einer Falte im Kehlkopfbereich. Die neuentdeckte Struktur im Kehlkopf der Hauskatze muss jedoch noch weiter untersucht werden, um festzustellen, ob Katzen ihr Schnurren wirklich nicht mit dem Hirn steuern. Zudem muss untersucht werden, wie die ähnlichen Strukturen bei den brüllenden und den schnurrenden Katzen so unterschiedliche Töne produzieren.
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Quellen
- Herbst, C. T., Prigge, T., Garcia, M., Hampala, V., Hofer, R., Weissengruber, G. E., … Fitch, W. T. (2023). Domestic cat larynges can produce purring frequencies without neural input. Current Biology.
- Universität Wien, „Katzen schnurren anders als bisher vermutet“ (aufgerufen am 6.10.2023)