31. Mai 2024, 17:51 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Als Meerschweinchenhalter wird man häufiger mit Ernährungsmythen konfrontiert. Zum Beispiel soll nasses Frischfutter den Tieren schlimme Bauchschmerzen bereiten. PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler räumt mit den Vorurteilen auf.
Ich hatte über zehn Jahre Meerschweinchen und habe Ernährungsmythen wie „nasses Futter macht den Tieren Bauchschmerzen“ stets geglaubt, ohne sie groß zu hinterfragen. Vielleicht ist meine ursprüngliche Naivität auch meinem Alter geschuldet gewesen, denn als Grundschulkind hinterfragt man vieles noch nicht.
Wenn ich also Löwenzahn oder Sauerampfer für meine „Merlis“ gesammelt habe, kam dieser immer in ein trockenes Tuch und wurde akribisch betupft und liegengelassen, bis er trocknete. Doch welche der verbreiteten Annahmen zur Ernährung stimmen wirklich oder entbehren sie alle jeder Logik?
Nasses Gras bereitet den Tieren Bauchschmerzen
So ziemlich der verbreitetste Ernährungsmythos, den ich immer geglaubt habe, ist, dass nasses Gras und Frischfutter komplett trocken sein müssen, bevor Meerschweinchen es zu sich nehmen können. Doch weshalb sollte das der Fall sein? Wenn die Tiere getrocknete Gräser, sprich Heu, zu fressen bekommen, trinken sie schließlich auch Wasser und haben dann folglich ebenfalls beides im Magen.
Wenn Meerschweinchen in einer artgerechten Außenhaltung gehalten werden, lässt sich die Aufnahme von feuchtem Gras auch gar nicht vermeiden. Allerdings steckt hinter dem Ernährungsmythos doch ein wahrer Kern. Denn die Tiere aus Südamerika sind die satten Gräser unserer Breiten zunächst nicht gewohnt und können davon tatsächlich Verdauungsprobleme bekommen. Denn viele hiesige Gräsersorten sind sehr proteinreich und enthalten wenig Ballaststoffe. Daher eignet sich Rasenschnitt auch nur bedingt als Kost für Meerschweinchen. Allerdings können sie ihn mit der richtigen Gewöhnung durchaus verzehren – auch feucht. Besser geeignet sind jedoch Gräser mit einem hohen Rohfaseranteil, der den Zahnabrieb fördert.
Hartes Brot für Meerschweinchen-Zähne
Das bringt uns gleich zum nächsten Ernährungsmythos über Meerschweinchen. Als Kind habe ich immer Kanten von Brot aufbewahrt, im Winter auf die Heizung gepackt und spätestens nach drei Tagen landeten die Krumen dann im Meerschweinchenstall. Woher dieser Mythos stammt, ist nicht mehr nachvollziehbar. Er entbehrt jedoch jeder Logik und kann für die Tiere schlimme Folgen haben. Denn Getreide ist für Meerschweinchen kaum verdaulich und führt gar nicht zum Zahnabrieb. Zusätzlich kann altes, hartes Brot Schimmelsporen enthalten, die extrem gesundheitsschädlich für die Nager sind.
Meerschweinchen müssen wegen ihres Stopfmagens permanent fressen
Immer wieder liest man, dass Meerschweinchen einen Stopfmagen haben, der nur richtig funktioniert, wenn sie permanent Nahrung zu sich nehmen. Denn angeblich hat das Organ keine Peristaltik, also kann sich von allein nicht bewegen. Futter soll so nur in den Darm gelangen, wenn sie permanent „nachstopfen“.
Es stimmt tatsächlich, dass Meerschweinen eine schwächere Magenmuskulatur haben. Sie können zum Beispiel auch nichts erbrechen, dass sie einmal verspeist haben, wie es auch bei anderen Nagetieren einschließlich Hamstern der Fall ist. Allerdings müssen sie deswegen nicht permanent fressen. Zwar nehmen Meerschweinchen in der Natur bis zu 30 kleine Portionen an Gräsern, Kräutern und Früchten zu sich. Dass die Tiere so viel fressen müssen, ist aber eher der geringen Energiedichte ihrer Ernährung geschuldet.1
Von Salat und Gurke wird ein Meerschweinchen nicht satt
Auch von vielen Gemüsesorten heißt es, dass sie Meerschweinchen nicht artgerecht ernähren und sie von den nährstoffarmen Lebensmitteln nicht satt werden. Besonders von Salat und Gurke, die Meerschweinchen jedoch mit großer Begeisterung mümmeln, wird abgeraten. Allerdings enthalten diese Lebensmittel fast ebenso viele Nährstoffe wie die Gräser und Kräuter, die die Nager gewöhnlich zu sich nehmen. Gleichzeitig sind sie eine gute Flüssigkeitsquelle, wenn Meerschweinchen mit Heu ernährt werden.
Trockenfutter und Lecksteine ernähren das Meerschweinchen artgerecht
Der Annahme, dass Trockenfutter für Meerschweinchen eine geeignete Ernährungsweise darstellt, widerspricht Tierärztin Dr. Maike Höch in einem Beitrag auf ihrer Website. Ein Großteil der kommerziell erhältlichen Futtermittel sei nicht geeignet, Meerschweinchen artgerecht zu ernähren. Denn in fast allen Fertigprodukten fänden sich Getreideprodukte, die jedoch nicht auf den Speiseplan gehörten.
Auch weitere Leckerlis und Nahrungszusätze, die man im Handel findet, brauchen Meerschweinchen nicht. In den Merkblättern der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. heißt es sogar, dass energiereiche Futtermischungen und sogenannte Milchdrops sowie andere zucker- und fetthaltige Leckerli zu schädlichem Futter gehören.2
Zudem warnen Experten auch vor den Folgen, die durch Salz- und Minerallecksteine bei Meerschweinchen ausgelöst werden können. Mehr über dieses Thema erfahren Sie in diesem PETBOOK-Artikel.
Ernährungsmythen haben wahrscheinlich zum Tod meines Meerschweinchens geführt
„Als Kind hatte ich sehr lange Meerschweinchen und es wurden in der Haltung viele Fehler gemacht. Ganz am Anfang hatte ich auch nur ein einziges, im typischen Plastikgehege, mit Leckstein, Trockenfutter und Milchdrops. Also alles, was man nur falsch machen konnte. Wie viel Unwissen über Meerschweinchen noch in den 1990er-Jahren kursierte, ist für mich mittlerweile schockierend.
Bis heute gehe ich davon aus, dass eins meiner Tiere gestorben ist, weil es mit Brot anstatt mit geeignetem Futterbrei ‚aufgepäppelt‘ wurde. Als Lucky mit nur sieben Monaten starb, habe ich mir geschworen, dass ich keine Meerschweinchen mehr halten würde. Allerdings war ich vor Kurzem in einem Tierheim und stand sehr lange faszinierend und gerührt an einem Meerschweinchengehege. Ganz ausschließen, dass ich heute wieder welche (aus dem Tierschutz) adoptieren würde, kann ich also nicht mehr.“
Heu ist das Grundnahrungsmittel der Meerschweinchen
Wenn man einem Meerschweinchen die Wahl zwischen Heu und frischem Grünfutter geben würde, würde es sich sicherlich für das saftige Grün entscheiden. Denn konventionelles Heu besteht häufig aus Stielen, weil die Blätter beim Trocknen abgebröselt sind. In der Natur würden Meerschweinchen aber am liebsten den blättrigen Teil der Pflanze zu sich nehmen und lassen den Stiel für gewöhnlich stehen.
Außerdem schreibt das Infoportal Meerschweinchenwiese.de, dass durch den Verlust der Blätter 50 Prozent der in den Gräsern enthaltenen Nährstoffe verloren gingen. Weitere sechs bis acht Prozent verlöre es pro Monat der Lagerung. Auch enthalte Heu nur noch einen Wassergehalt von weniger als 15 Prozent, während „Wiese“ 80–90 Prozent Wasser enthalte. Bei einer wasserarmen Fütterung drohe auf Dauer Nierenversagen.
Daher ist frisches Grün in der Meerschweinchenernährung immer vorzuziehen. Nur, wenn kein frisches Gras vorhanden ist, sollte auf Heu zurückgegriffen werden.
Kräuter sollte man nur geben, wenn das Meerschweinchen krank ist
Auch die Annahme, Kräuter gehörten nur dann auf den Speiseplan eines Meerschweinchens, wenn sie ihre medizinische Wirkung entfalten sollen, zählt eindeutig zu den Ernährungsmythen. Denn wie bereits beschrieben, gehören verschiedene Kräuter zu der normalen Diät eines Meerschweinchens. Die Begründungen, Kräuter enthielten zu viele ätherische Öle, würden Nebenwirkungen auslösen oder wirkten dann nicht mehr im Krankheitsfall, stammen eher aus einem menschlichen Ernährungsstil.
Da Meerschweinchen sich jedoch ausschließlich von Pflanzen ernähren, sind Kräuter für sie Teil ihrer Grundnahrung. Da sie durch ihre spezielle „Einweg-Verdauung“ auch aktiv selektieren müssen, was sie fressen, können sie mit wohltuenden Kräutern sogar selbst Erkrankungen vorbeugen oder sich im Ernstfall selbst mit Heilkräutern versorgen.
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Kartoffelschalen sind gutes Futter
Als Kind musste ich immer, wenn es bei uns Kartoffeln gab, die Schalen ins Meerschweinchengehege kippen. Generell wurden viele Küchenabfälle direkt an die Nager weitergegeben. Im Fall von Blatt- oder Karottengrün ist dies auch in Ordnung, aber die Annahme, Meerschweinchen seien Restevernichter, die Kartoffelschalen fressen, ist falsch. Nicht nur enthalten rohe Kartoffeln Stoffe, die für viele Tiere giftig sind. Wenn sie aus konventionellem Anbau stammen, enthalten die Schalen zudem Reste von Pestiziden.
Zudem sind auch Kartoffelkeime für die Tiere giftig, besonders wenn sie oder die Schale grünlich verfärbt sind – daran erkennt man einen hohen Solaningehalt. Außerdem sind Kartoffeln zu stärkehaltig, um geeignetes Futter für Meerschweinchen darzustellen. Sie können im Gegenteil zu schweren Verdauungsstörungen führen.