29. Mai 2024, 18:02 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Salzlecksteine sind in vielen Meerschweinchenkäfigen vertreten. Doch Experten raten davon ab. Weshalb es die Lecksteine noch immer in vielen Zoofachhandlungen zu kaufen gibt und welche gesundheitlichen Folgen diese für die Nagetiere haben können, verrät PETBOOK.
Fast jeder Halter von Meerschweinchen kennt ihn: den klassischen Leckstein. Er ist rosa, rund und in der Mitte mit einem Loch und einer Plastikhalterung ausgestattet, mit der man ihn an den Gitterstäben des Käfigs befestigen kann. Der Standardleckstein besteht aus Natriumchlorid, beziehungsweise Kochsalz. Er kann aber auch andere Mineralien, wie Calcium, Kalium und Magnesium enthalten oder gar mit Kräutern versetzt sein. Doch brauchen die Tiere diesen Nahrungsmittelzusatz überhaupt? PETBOOK hat darüber mit Experten gesprochen.
Übersicht
Wozu sollen Meerschweinchen einen Leckstein nutzen?
Er soll unter anderem dazu dienen, Meerschweinchen mit wichtigen Mineralien zu versorgen. Doch Experten sind davon überzeugt, dass der Salz- und Mineralbedarf von Meerschweinchen sich auch komplett ohne Leckstein decken lässt. Die Lecksteine stellen viel mehr eine Gefahr dar, wenn die Meerschweinchen durch ihn eine übermäßige Menge an Kochsalz aufnehmen.
Heike Lumpp vom Vermittlungs- und Beratungsteam der Meerschweinchenhilfe e. V. äußert sich dazu: „Von Salz- und Minerallecksteinen raten wir dringend ab. Sie sind überflüssig und sogar schädlich.“ Die Experten haben also eine klare Meinung. Aber warum gibt es die Steine dann überhaupt im Fachhandel zu kaufen? Und was genau passiert, wenn Meerschweinchen zu viel Salz zu sich nehmen?
Folgen von Salzlecksteinen für Meerschweinchen
Der Mythos, dass Meerschweinchen ihren Mineralien- und Salzbedarf nicht allein durch natürliche Nahrungsquellen wie Kräuter decken können, hält sich hartnäckig. Das Tiermedizinische Zentrum schreibt dazu in seiner Fütterungsempfehlung für Meerschweinchen: „Hier versucht Ihnen die Futtermittelindustrie einen Bedarf vorzutäuschen, der nicht vorhanden ist.“ Vermutlich gibt es die zum größten Teil aus reinem Natriumchlorid bestehenden Steine aus Profitgründen immer noch in vielen Zoohandlungen zu kaufen. Tatsächlich sind die Steine laut Experten aber nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich für die Tiere.
Heike Lupp hierzu: „Lecken die Schweinchen zu viel daran oder nagen sie die Steine sogar an, kann es zu einer Natriumchlorid-Überversorgung kommen. Die Folge können starke Nierenprobleme sein. Im schlimmsten Fall kann es zu Nierenversagen kommen, sollte ein Stein ganz aufgefuttert werden. Und Nierenversagen führt leider in den meisten Fällen zum Tod.“
Mit weiteren Zusätzen versetzte Salzlecksteine sind laut Angaben der Expertin ebenfalls nicht zu empfehlen: „Sind Salzlecksteine mit Mineralien und anderen Spurenelementen versetzt, kann es zu einer Nitratüberversorgung kommen. Die Erfahrung hat zusätzlich gezeigt, dass Meerschweinchen, die an solchen Steinen lecken oder sie anknabbern, oft an Blasensteinen oder Blasenschlamm oder -gries leiden.“
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Kalklecksteine: Die gesündere Alternative zu Salzlecksteinen?
Salzlecksteine sollte man von Meerschweinchen also möglichst fernhalten. Und auch Steine aus Kalk sind keine gute Alternative, betont Heike Lupp: „Kalksteine bestehen zum größten Teil aus Kalzium. Benagen die Meerschweinchen diese Steine intensiv, führt dies zu einer zu hohen Kalziumresorption. Dadurch kommt es allzu oft zu Harnsteinbildung oder einer Organverkalkung.“
Besonders hoch ist die Gefahr, dass Meerschweinchen übermäßig viel Natriumchlorid oder Kalzium durch Lecksteine aufnehmen, wenn ihnen langweilig ist und sie keine andere Beschäftigungsmöglichkeit haben. Dann lecken oder knabbern sie die Steine an, um sich zu beschäftigen.
Um das zu vermeiden, sollte man auf diese Steine verzichten und generell den Meerschweinchenkäfig immer so einrichten, dass die Nager viele unterschiedliche Möglichkeiten haben, sich zu beschäftigen. Gute Spiel- beziehungsweise Beschäftigungsmöglichkeiten sind zum Beispiel:
- Röhren aus Kork,
- Häuschen mit mehreren Eingängen und
- kleinen Etagen.
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Salz- und Mineralienbedarf von Nagern natürlich decken
Laut Fütterungsempfehlung für Meerschweinchen des Tiermedizinischen Zentrums besteht ein ausgewogener Speiseplan für Meerschweinchen aus:
- viel hochwertigem Heu,
- täglich frischem Grünzeug wie Karotte, Paprika und Kräutern sowie
- hin und wieder frischem Obst und Ballaststofflieferanten wie Apfelschalen.
Heike Lumpp von der Meerschweinchenhilfe ergänzt: „Gesund ernährte Meerschweinchen nehmen Salze und Mineralien über das Futter, zum Beispiel in Form von Kräutern oder anderem Grünfutter auf. Zusätzliche billige Kochsalze, aus denen Lecksteine bestehen, brauchen die Tiere deshalb nicht. Auch zusätzliche Vitamingaben in Form von Tropfen oder Drops sind bei artgerecht ernährten und gesunden Meerschweinchen nicht erforderlich. Im Gegenteil: Zu viel Vitamin C kann zu Nierenschädigungen und Blasensteinen führen.“ Um für einen Abrieb der Schneidezähne zu sorgen, sollten man zusätzlich Zweige und Äste zum Abnagen anbieten.
Der Kalziumbedarf lässt sich ebenfalls auf natürliche Weise decken: „Auch mit Blick auf Kalklecksteine ist es so, dass die Meerschweinchen über Kräuter und Grünfutter genügend Kalzium aufnehmen“, erklärt Lumpp. „Da Kalzium überall mehr oder weniger enthalten ist, ist es auch ratsam, Grünfutter mit hohem Kalziumanteil wie Petersilie oder Möhrenkraut nur als seltenes Leckerli zu geben.“
Mit fachlicher Beratung des Experten-Teams der Meerschweinchenhilfe e. V.
Meine Erfahrung
„Als ich acht Jahre alt war, bekam ich zwei Meerschweinchen. Bevor die beiden Nager jedoch bei mir einzogen, ging ich mit meinen Eltern in einen Zoofachhandel, um alle nötigen Utensilien für sie zu besorgen. Dort wurde mir ein Meerschweinchen-Starter-Kit empfohlen, das tatsächlich auch einen Leckstein beinhaltete. Leider wusste ich damals noch nicht, wie schädlich diese für Meerschweinchen sind. Allgemein war dieser Fakt früher nicht sehr bekannt, sodass nicht einmal die Mitarbeiter im Fachhandel darüber Bescheid wussten. Ich hoffe, dass man mittlerweile besser beraten wird, wenn man es selbst nicht besser weiß.“