17. September 2024, 15:17 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Nicht alles, was wir Menschen als schön oder niedlich empfinden, ist gut für das Tier. So leiden etwa schwanzlose Katzen und Hunde mit extrem verkürzten Schnauzen unter gesundheitlichen Problemen. Tierschützer raten daher von deren Zucht ab. Gibt es auch bei Meerschweinchen solche Qualzuchten?
Durch geschickte Kreuzungen sind im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Haustierrassen entstanden. Während Züchter früher vor allem bei Hunden auf bestimmtes Verhalten oder bei Kleintieren auf hohen Fleischertrag selektiert haben, wird heute vor allem nach Optik gezüchtet. Das ist auch bei Meerschweinchen der Fall. Hier gibt es inzwischen mindestens elf kurzhaarige und zehn langhaarige Rassen. Doch nicht alle sind aus Tierschutzsicht empfehlenswert. Welche Meerschweinchen gelten als Qualzucht?
Übersicht
Was versteht man unter Qualzuchten?
In §11 des Tierschutzgesetzes heißt es: „Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten […], dass als Folge der Zucht oder Veränderung […] bei den Nachkommen mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten, jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.“
Bei welchen Haustierrassen nun konkret genetisch bedingte „vermeidbare Leiden oder Schäden“ vorliegen, steht nicht im Gesetz. Daher werden Gutachter zurate gezogen, etwa von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT), um bestimmte Merkmale als Qualzuchten im rechtlichen Sinne einzustufen. Die Zucht der betroffenen Rassen ist dann verboten. Überdies geben Tierschutzverbände ihre eigenen Einschätzungen zu Qualzuchten ab – auch bei Meerschweinchen.
Welche Meerschweinchen sind Qualzuchten?
Das letzte Sachverständigen-Gutachten zur Auslegung von §11 des Tierschutzgesetzes stammt aus dem Jahr 1999. Meerschweinchen kommen darin praktisch nicht vor. Daher gibt es kaum Rassen, deren Zucht in Deutschland tatsächlich verboten ist. Dennoch warnen viele Tierschutzverbände vor verschiedenen Rassen mit bestimmten Merkmalen, bei denen sie die Kriterien für eine Qualzucht erfüllt sehen.
Nacktmeerschweinchen
Baldwin-Meerschweinchen sind komplett nackt. Sie besitzen weder ein wärmendes Fell noch Tasthaare oder Wimpern. Dadurch ist die Wärmeregulation der Baldwins gestört, sie sind anfällig für Parasiten und Verletzungen. Aufgrund der fehlenden Vibrissen, umgangssprachlich auch Schnurrhaare genannt, können sich diese Tiere kaum orientieren. Haarlosigkeit und fehlende Vibrissen gelten laut Sachverständigen-Gutachten als Qualzucht-Merkmal, allerdings werden Meerschweinchen darin nicht konkret genannt.
Fast nackt sind Skinny-Meerschweinchen. Sie besitzen eine Restbehaarung um die Schnauze, die Tasthaare sind verkümmert. Laut österreichischem Tierschutzgesetz ist die Zucht von Nacktmeerschweinchen generell verboten. In Deutschland fallen nur Baldwins aufgrund ihrer vollständigen Haarlosigkeit unter das Qualzucht-Verbot nach § 11. Allerdings sehen Tierschützer auch bei Skinnys den Tatbestand der Qualzucht erfüllt.
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Rassen mit gekräuselten Tasthaaren
Bei verschiedenen Rassen wie Teddy-, Alpaka-, Texel- und Rex-Meerschweinchen kommen gekräuselte, verkümmerte oder verkürzte Tasthaare vor. Dadurch ist die Sinneswahrnehmung der Nager gestört. Zwar gelten nur Rassen mit gänzlich fehlenden Tasthaaren als Qualzuchten – doch Tierschützer raten auch von der Zucht von Meerschweinchen mit gewellten Vibrissen ab.
Schimmel und Dalmatiner
Dalmatiner- und Schimmel-Meerschweinchen haben ein geflecktes bzw. weißes Fell. Auch wenn die Tiere selbst gesund sind, können sie Träger des sogenannten Letalfaktors sein. Werden zwei Tiere miteinander verpaart, die dieses Gen in sich tragen, können die Nachkommen schwere Schäden davontragen. So kommen „Lethal White-Babys“ häufig tot zur Welt oder sterben aufgrund schwerer Missbildungen kurz nach der Geburt.
Satin-Meerschweinchen
Sie besitzen ein glänzendes Fell, leiden allerdings häufig an einer schweren Krankheit: Satin-Meerschweinchen sind anfällig für Osteodystrophie, eine unheilbare Erkrankung des Knochenstoffwechsels. Denn die Veränderung der Haarstruktur entsteht durch einen Gendefekt. Etwa ein Drittel der Tiere, die das Satin Gen in sich tragen, entwickeln bereits in jungen Jahren eine Osteodystrophie, die mit Schmerzen und einem hoppelnden Gang einhergeht.
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Quellen
- gesetze-im-internet.de, „Tierschutzgesetz § 11b“ (aufgerufen am 24.10.2023)
- meerschweinchenwiese.de, „Was ist eine Qualzucht beim Meerschweinchen?“ (aufgerufen am 24.10.2023)
- tieraerztekammer-berlin.de, „Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen)“ (aufgerufen am 24.10.2023)