8. November 2023, 6:17 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Lange dachte man, abstraktes Denken und Vorstellungskraft sei etwas, dass den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Doch eine Studie zeigt nun, dass Ratten sich so gut vorstellen können, wo Leckerli versteckt sind, dass sie sich sogar mit der Kraft ihrer Gedanken durch virtuellen Raum bewegen können!
Die Vorstellungskraft erlaubt Menschen, abstrakte Sachverhalte und ihre Konsequenzen zu durchdenken. Sie erlaubt uns auch, Wege gedanklich zu planen, die wir bereits kennen. Wir wissen zum Beispiel, wo auf dem Heimweg sich ein Supermarkt befindet und somit eine Gelegenheit, Nahrung zu erlangen. Ganz ähnlich funktioniert, laut einer Studie, auch das Gehirn von Ratten.
Forscher entwickelten neun Jahre lang eine Maschine, die zeigen soll, dass Tiere denken können
Wissenschaftler unter der Leitung von Chongxi Lai am Howard Hughes Medical Institute Janelia Research Campus im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia, haben sich in mehreren Versuchsaufbauten der Intelligenz von Ratten gewidmet. Diese Experimente klingen zunächst ziemlich surreal. Eine Ratte schaut auf einen Miniatur-Bildschirm, während sie auf einem Ball läuft und eine Konstruktion ihre Hirnströme in ein 3D-Modell überträgt.
Mithilfe dieser Apparatur, die die Forscher innerhalb von neun Jahren selbst entwickelten, konnten sie die neurale Aktivität im Gehirn der Ratte live beobachten und auswerten. Was also im ersten Moment nach Science Fiction klingt, ist das Resultat jahrelanger Forschung und bringt uns den Denkprozessen von Tieren um einiges näher.
Denn diese von den Forschern „VR-Arena“ getaufte Konstruktion funktioniert tatsächlich wie eine virtuelle Realität, die die Ratte über visuelle Impulse, aber auch nur über ihre Gedanken steuern kann. Dazu nutzen die Tiere einen Ball, der auf haptisches Feedback ihrer Pfoten reagiert. Mit diesem können sie sich durch ein virtuelles Labyrinth zum nächsten Leckerli bewegen.
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Ratten würden durch mentale Vorstellungskraft den Weg zur U-Bahn finden
In ihrer Studie schreiben die Forscher, dass in einer Gehirnregion, die sich Hippocampus nennt, unsere mentale und räumliche Vorstellungskraft befindet. Wenn man sich also im Geiste zur nächsten U-Bahn-Station begibt, sind die Neuronen in dieser Hirnregion besonders aktiv. Dies scheint auch bei Ratten der Fall zu sein.
Denn mit der Apparatur konnten die Forsche aber auch die Hirnströme der Tiere verfolgen, die denen von Menschen glichen. Sie fanden zudem heraus, dass Ratten so viel Vorstellungskraft haben, dass sie sich auch in Räumen bewegen können, die es gar nicht gibt. Sie könnten also eine Virtual-Reality-Brille genauso nutzen wie Menschen.
Ratten knackten sogar „Jedi-Aufgabe“
Dies konnten Lai und Kollegen in einem weiteren Versuchsaufbau, der von ihnen in Anlehnung an eine bekannte Filmreihe „Jedi-Aufgabe“ genannt wurde, beweisen. Die trainierten Ratten konnten allein mit der Kraft ihrer Gedanken sogar Objekte virtuell im Raum erreichen. Um dies zu untersuchten wurde der haptische Ball entfernt und die Tiere konnten nur noch ihre Gehirnaktivität nutzen, um sich im Raum zu bewegen.
Dazu schauten die Tiere nur auf den Bildschirm, während die Aktivität in ihrem Hippocampus so stabil blieb, als ob sie sich auch physisch bewegen würden. Sie vollzogen also im Geiste den Weg und bewegten sich in einem virtuellen Raum schnurstracks zum nächsten Leckerli. Somit waren die Tiere in der Lage, nicht nur motorisch in die richtige Richtung zu laufen, sondern nur mithilfe ihrer Vorstellungskraft. Wie weit das abstrakte Denken und die räumliche Vorstellung der Ratten tatsächlich gehen, müssen weitere Untersuchungen zeigen.
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Quellen
- Lai, C., Tanaka, S., Harris, T. D., & Lee, A. K. (2023). Volitional activation of remote place representations with a hippocampal brain–machine interface. Science, 382(6670), 566-573.
- „Phys.org“, „Rats have an imagination, new research finds“ (aufgerufen am 7.11.2023)
- „TheGuardian.com“, „Rats may have power of imagination, research reveals“ (aufgerufen am 7.11.2023)