
4. März 2025, 16:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Könnten Ratten talentierte Weinkenner sein? Eine Frage, die sich viele vielleicht noch nie gestellt haben, auf die eine Studie jetzt aber eine eindeutige Antwort fand.
Kennen Sie den Disney-Animationsfilm „Ratatouille“? Der Traum einer Ratte, ein großer Koch zu werden, könnte tatsächlich viel realitätsnaher sein als viele bislang geglaubt hätten. Denn die schlauen Tiere verfügen über dreimal so viele Riechzellen wie der Mensch. Trainierte Ratten können laut einer Studie sogar den Unterschied zwischen Riesling und Sauvignon Blanc nur am Geruch feststellen und beweisen sich so als wahre Weinkenner.
Ratten sind so gute Weinkenner, dass sie zwei ähnliche Weißweine unterscheiden können
Könnten Ratten talentierte Sommeliers sein? Mit ihren herausragenden olfaktorischen Fähigkeiten auf jeden Fall! Mit etwa 1200 funktionalen Geruchsrezeptoren übertreffen sie den Menschen, der nur rund 400 besitzt. Während wir Menschen bei einer Weinprobe auf Wörter wie „vollmundig“ oder „mineralisch“ zurückgreifen müssen, um unser Geschmackserlebnis auch nur angehend zu beschreiben, können Ratten dies scheinbar ohne Worte.
Um diese These zu testen, ließen Elisa Frasnelli von der Universität Trient in Italien und ihre Kollegen neun Ratten an Weißweinen schnüffeln. Die Untersuchung erschien im Fachmagazin „Animal Cognition“ und beantwortet nicht nur die Frage, ob Ratten ein komplexes Duftmuster erschnüffeln, sondern auch, ob sie ihr erlerntes Wissen auf neue Weine der gleichen Sorte übertragen können.
Bislang gab es zwar Experimente, die erwiesen haben, dass Ratten einzelne Gerüche wahrnehmen. Doch die sogenannte Generalisierungsfähigkeit ist ein entscheidendes Merkmal höherer Kognition und fortgeschrittenen Denkens. Falls Ratten in der Lage wären, neue Sauvignon Blancs als „bekannt“ zu identifizieren, obwohl sie diese noch nie gerochen hatten, würde dies darauf hindeuten, dass sie über ein Konzept für die jeweilige Weinsorte verfügen.
Ratten lagen in 94 Prozent der Fälle richtig
Die neun Ratten, die an der Studie teilnahmen, waren zuvor schon hochspezialisiert auf die Erkennung von Sprengstoff. Zudem waren sie vorkonditioniert auf die Erkennung einfacher Duftmuster wie Erdbeer- und Karamellextrakt. So war die „Verkostung“ für die Tiere zunächst auch nichts Neues. Der Versuchsaufbau in einer spezialisierten Testkammer, bei dem sie ihre Nase in eine Öffnung stecken sollten, um den Wein zu riechen, war ihnen bekannt.
Anschließend sollten die Ratten einen Hebel drücken, um die ihnen zugeordnete Weinsorte zu kennzeichnen. Einige Tiere wurden auf Sauvignon Blanc konditioniert, andere auf Riesling. Als Belohnung für einen richtig erkannten Wein bekamen die Tiere eine Zuckerkugel. Drückten sie den falschen Hebel, bekamen sie ein Time-Out bevor sie erneut schnüffeln durften.
Das Experiment wurde ein voller Erfolg: Die Ratten lernten nicht nur, zwischen den beiden Weinsorten zu unterscheiden, sondern zeigten auch eine signifikante Generalisierung auf unbekannte Weine derselben Sorte. In 94 Prozent der Fälle konnten Ratten die Weine korrekt unterscheiden. Neue Weinsorten wurden in 65 Prozent der Fälle treffsicher identifiziert und acht der neun Tiere wurden dabei immer erfolgreicher.
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Drückte Ratte „Peanuts“ mit Absicht auf die falschen Knöpfe?
Einzelne Ratten zeigten unterschiedliche Strategien: Während einige zuerst weniger auf neue Weine reagierten, drückten andere häufiger – jedoch bevorzugt für die zuvor belohnte Sorte. Einzig eine Ratte namens Peanuts zeigte abweichendes Verhalten und betätigte den Hebel öfter für falsche Weine. Diese abweichenden Ergebnisse könnten auf die Unterschiede zwischen Geruchsverarbeitung und Gedächtnisleistung zurückzuführen sein. Allerdings hatte sich diese Ratte zuvor als guter Weinkenner erwiesen.
Eine andere Erklärung ist, dass Peanuts einen ganz eigenen Geschmack entwickelt hatte. Denn in dieser Testphase gab es kein Time-Out mehr, wenn die Ratten beim Wein falschlagen, er verschwand einfach nur. Peanuts könnte hier also gezeigt haben, dass manche Weine einfach nicht seinem persönlichen Geschmack entsprachen. Denn die Forscher wählten verschiedene Weißweine beider Sorten und unterschiedlichen Jahrgängen aus, die zuvor treffsicher zugeordnet werden konnten.
Unsicher waren sich alle Ratten zudem bei einem speziellen australischen Riesling und Sauvignon Blanc. Diese beiden Weine stammten aus derselben Gegend und sogar vom selben Weingut. Eine Unterscheidung bei der sich auch menschliche Sommeliers mit jahrelanger Erfahrung schwertun, wie die Forscher in ihrer Arbeit schreiben. 1

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Könnten Weinkenner-Ratten auch ihren eigenen Geschmack entwickeln?
Während der Experimente mussten die Tiere den Wein natürlich nicht wirklich verkosten, doch ihre bemerkenswerten Fähigkeiten könnten bedeuten, dass komplexe olfaktorische Kategorisierung bei Weitem nicht nur dem Menschen vorbehalten ist.
Während Menschen auf Sprache und kognitive Konzepte zurückgreifen, um Aromen zu kategorisieren, schaffen nicht-menschliche Tiere die Diskriminierung komplexer Duftmuster ohne verbale Hilfsmittel. Außerdem belegt die Untersuchung, dass Ratten Unterschiede erkennen und in Kategorien denken können. Zudem könnte es auch Einblick in die Entwicklung des Geruchssinns geben.
Die Ergebnisse könnten weitreichende Auswirkungen auf die Forschung zur Geruchswahrnehmung und zum kognitiven Lernen bei Tieren haben. Außerdem sind die Wissenschaftler gespannt zu erfahren, wie die nun auf Weißwein eingestellten Ratten auf trockene Rotweine reagieren – einer Frage an der sich auch bei menschlichen Weinkennern häufig die Geschmäcker trennen.