Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
Exot mit hohen Ansprüchen

Sollte man Weißbauchigel als Haustier halten?

Ein Weißbauchigel rollt sich zusammen
Der afrikanische Weißbauchigel darf in Deutschland als Haustier gehalten werden – man sollte jedoch auf artgerechte Haltung achten Foto: Getty Images
Sonja Jordans

17. September 2022, 15:54 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Ohne Zweifel: Weißbauchigel sind mit ihren kleinen Knopfaugen, den winzigen Pfötchen und dem weich behaarten Bauch besonders niedliche Tiere. Ihr niedliches Aussehen und ihre Knopfaugen machen die aus Afrika stammenden Igel zu immer beliebteren Haustieren. Doch muss das wirklich sein? Kann man diese Igel-Art überhaupt artgerecht zu Hause halten? PETBOOK über das Trendtier.

Artikel teilen

Der kleine Mr. Pokee dürfte wohl einer der bekanntesten Vertreter seiner Art gewesen sein: Mehr als eine Million Fans folgten dem afrikanischen Weißbauchigel in sozialen Netzwerken und wurden dort mit niedlichen Fotos unterhalten – bis das Tier 2019 mit nur drei Jahren an den Folgen einer Infektion starb. Nicht wenige Igelfreunde dürften angesichts der niedlichen Bilder dennoch auf die Idee gekommen sein, sich ebenfalls ein stacheliges Haustier zuzulegen. Doch eine artgerechte Haltung von Weißbauchigeln ist laut Experten kaum möglich, denn die Tiere haben spezielle Ansprüche.

Steckbrief Weißbauchigel

Der afrikanische Weißbauchigel (lateinisch: Atelerix albiventris) ist eine eher kleine Igel-Art und kommt in afrikanischen Savannen südlich der Sahelzone vom Senegal bis nach Kenia vor. Der Weißbauchigel wiegt in der Regel zwischen 250 bis höchstens 600 Gramm und wird rund 20 Zentimeter groß, wobei Männchen meist etwas leichter und kleiner sind als weibliche Tiere. Seine Lebenserwartung liegt im Schnitt zwischen drei und sieben Jahren.

Der aus heimischen Gärten bekannte Braunbrustigel wird im Gegensatz zum kleinen Weißbauchigel rund 32 Zentimeter groß und kann bis zu 700 Gramm wiegen, vor dem Winterschlaf auch mehr. Wenn er nicht überfahren wird oder Feinden zum Opfer fällt, kann er bis zu sieben Jahre alt werden.

Achtung: Braunbrustigel dürfen nach dem Bundesnaturschutzgesetz keinesfalls als Haustiere gehalten werden!

Weißbauchigel gelten als nicht vom Aussterben bedroht und unterliegen auch keinen Beschränkungen durch das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES. Daher fallen sie leider, anders als die meisten anderen Igelarten, nicht unter den Artenschutz. Eine Gesetzeslücke, die für den Versuch ausgenutzt wird, Weißbauchigel als Haustiere zu etablieren. Währenddessen werden immer mehr Forderungen nach einheitlichen Regelungen für den Artenschutz der Tiere immer lauter.

Wie lebt ein Weißbauchigel?

Wie ihre europäischen Verwandten sind auch Weißbauchigel nachtaktiv. Tagsüber ziehen sie sich in Höhlen, Laubhaufen und ähnliche Verstecke zurück. Die Tiere mögen es mild, die Tagestemperaturen sollten um 23 Grad Celsius liegen. Da Weißbauchigel kälteempfindlich sind, darf es nachts nicht kühler als 18 Grad werden.

Wenn Weißbauchigel in einem Terrarium gehalten werden, benötigen sie meist eine starke Wärmelampe, denn Zugluft oder zu kalte Temperaturen können für die stachligen Tiere fatal sein. Andernfalls können Weißbauchigel in eine für sie sogar tödlich ausgehende sogenannte Trockenruhe fallen.

Die exotischen Stachelträger halten im Gegensatz zu ihrem heimischen Verwandten keinen Winterschlaf, haben aber im Sommer Ruhezeiten, in denen sie weniger aktiv sind und ihren Stoffwechsel herunterfahren. Weißbauchigel sind Einzelgänger und kommen lediglich zur Paarungszeit mit Artgenossen zusammen.

Auch interessant: Degus als Haustiere – was Sie zu Anschaffung, Haltung und Verhalten wissen müssen

Wie hält man einen Weißbauchigel?

Die einzig tierliebe Antwort muss lauten: Am besten gar nicht. Weißbauchigel sind sehr anspruchsvoll und nicht für Anfänger oder gar Kinder geeignet, da sie nachtaktiv sind und von Menschen meist nichts wissen wollen. Daher raten Tierschutzorganisationen und Igel-Experten generell von der Haltung ab. Die Heimat dieser Tiere ist die afrikanische Savanne, kein Wohnzimmer.

Allein der Platzbedarf – ein Igel benötigt ein Gehege mit mindestens zwei Quadratmetern Grundfläche plus regelmäßigen Auslauf – kann in Gefangenschaft kaum gewährleistet werden. Wie die in Europa heimischen Igelarten legen Weißbauchigel auf ihren nächtlichen Wanderungen ebenfalls mehrere Kilometer zurück. Dies kann in keinem privaten Haushalt geboten werden.

Daher sind Gitterkäfige, wie sie für Hamster und andere Nager im Handel angeboten werden, völlig ungeeignet. Unter anderem könnten die Tiere am Gitter hängenbleiben und sich verletzen, außerdem sind sie meist zu klein.

Igel-Gehege müssen mit spezieller Einstreu ausgestattet sein, wobei Sägespäne oder Heu jedoch gefährlich für die Tiere sein können. Jeder Weißbauchigel braucht auch sein eigenes Haus, um darin zu schlafen, da sie außerhalb der Paarungszeit einzelgängerische Tiere sind. Man sollte auf keinen Fall zwei männliche Weißbauchigel zusammenführen, da diese leicht in Revierkämpfe verfallen könnten.

Ernährung eines Weißbauchigels

Eine artgerechte, abwechslungsreiche Nahrung, wie sie die Tiere in freier Wildbahn finden, ist in Gefangenschaft ebenfalls schwer zu beschaffen. Alle Igel fressen lebende Insekten wie Heimchen, Schnecken und Würmer und verschmähen auch Vogeleier nicht. Spezielles Igel- oder Katzenfutter sind für eine ausgewogene Ernährung nicht ausreichend. Wird ein Weißbauchigel allein mit diesem Futter versorgt, entwickelt er schnell Mangelernährung und stirbt im schlimmsten Fall an Unterernährung. Obst vertragen sie nur in geringen Mengen, sonst bekommen sie Durchfall. Kuhmilch dagegen verträgt kein Igel – die Tiere sind laktoseintolerant.

Eine Erhebung der tierärztlichen Fakultät der LMU München aus dem Jahr 2018 bestätigte, dass die meisten Weißbauchigel hierzulande falsch gehalten werden. In 70 Prozent aller Fälle lebten die bewegungsfreudigen Tiere, die in der Natur weite Strecken zur Nahrungsaufnahme zurücklegen, in zu kleinen Gehegen.

Auch Ernährungsfehler sind sehr häufig, wie Igelexperten berichten. Nicht ohne Grund erreichen die wenigsten Igel in Gefangenschaft kaum ihr Höchstalter von etwa sieben Jahren. Die meisten Weißbauchigel sterben wegen falscher Haltung sehr viel früher. Laut Welttierschutzgesellschaft sind für mehr als 70 Prozent der Erkrankungen bei Weißbauchigeln Haltungsfehler verantwortlich.

Auch interessant: Wie man Schmerzen bei Kleintieren erkennt

Werden Weißbauchigel gezüchtet?

Meist ja – und darin liegt ein weiteres Problem. Denn mittlerweile leiden immer mehr Tiere infolge von Inzucht an schweren Krankheiten. Eine davon ist das „Wobbly Hedgehog Syndrome“ (WHS), das „Wackel-Igel-Syndrom“. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, das bei betroffenen Tieren zu Lähmungen und daraus resultierenden wackligen Bewegungen führt, die der Krankheit ihren Namen gaben. WHS tötet das Tier innerhalb weniger Monate und ist sehr qualvoll.

Unter anderem, um den Genpool aufzufrischen, werden immer wieder Weißbauchigel in freier Wildbahn gefangen, um sie zur Zucht einsetzen zu können. Viele Tiere überleben den Transport zum Züchter nicht, denn die Bedingungen, unter denen sie transportiert werden, sind alles andere als artgerecht.

Weißbauchigel, die aus Züchtungen stammen, sind ebenfalls sehr empfindliche Tiere und werden auch nie wirklich zahm. Mit viel Geduld kann man den Weißbauchigel an die Gegenwart des Menschen gewöhnen, doch ist und bleibt er ein Wildtier. Weißbauchigel, die bereits beim Züchter keine Anzeichen von Zutraulichkeit zeigen, werden meist gnadenlos aussortiert.

Weißbauchigel als Haustier halten: Fazit

Auch wenn es nicht verboten ist, Weißbauchigel als Haustiere zu halten, sollte man dem Tier zuliebe darauf verzichten. Das kleine Tier leidet in Gefangenschaft und stirbt vermutlich früh. Stattdessen kann man sich bei einem Igelschutzverein engagieren, von denen es deutschlandweit zahlreiche gibt, wenn man den niedlichen Wildtieren etwas Gutes tun möchte. Wer einen Garten hat, kann ihn igelfreundlich gestalten. Das bietet den Tieren den besten Lebensraum. Tipps dazu gibt es im Internet und bei Naturschutzverbänden. Und vielleicht hat man dann auch das Glück, einen Igel dort zu beobachten, wo er hingehört – in der Natur.

Mehr zum Thema

Quellen

Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale- Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für diesen .
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.