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Nicht Einzel-, sondern Außenhaltung

Wie man Kaninchen artgerecht hält

Drei Kaninchen mümmeln Grünzeug in artgerechter Haltung
Kaninchen artgerecht zu halten, ist weitaus aufwendiger als man lange glaubte Foto: Getty Images / KolomiyetsViktoriya
Louisa Stoeffler
Redakteurin

9. Juli 2024, 14:52 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Kaninchen galten lange als anspruchslose „Anfängerhaustiere“. Daher fanden sich in vielen Kinderzimmern Käfige mit Plastikwannen und Drahtkäfig. Dass dies jedoch nichts mit artgerechter Haltung von Kaninchen zu tun hat, ist vielen mittlerweile klar. PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler gibt Tipps, wie es besser geht.

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Ein Zwergkaninchen, das den ganzen Tag im Käfig hockt, im Sommer mal im kleinen Auslauf auf dem Rasen hoppeln kann oder ständig von Kindern durch die Gegend getragen wird: Das war für viele lange eine ganz normale Form der Kaninchenhaltung. Auch in meinem Zimmer stand so ein Plastikkäfig – auch wenn mir schon als Kind schnell klar wurde, dass diese „Haltungsform“ Kaninchen nicht gerecht wird. Daran hat sich zum Glück einiges geändert und heute weiß man viel darüber, wie Kaninchen artgerecht zu halten sind.

Ratgeber halfen nicht beim artgerechten Halten von Kaninchen

Als ich als 6-Jährige mein erstes Haustier bekam, war ich fürchterlich aufgeregt und wollte unbedingt alles richtig machen. Allerdings sprechen wir hier von einer Zeit vor dem Internet, in der man noch in die Buchhandlung gehen musste, um einen Ratgeber über Kleintierhaltung zu kaufen.

Dieses Buch hatte ich zu Hause, studierte häufig, ob ich auch alles in der Haltung von meinen Tieren richtigmachte. Leckstein am Käfig anbringen, eine Nippelflasche zum Trinken und auf keinen Fall zu lange aus dem Käfig lassen – all das waren ernst gemeinte Ratschläge, die sich in den 1990er-Jahren noch in gedruckten Haltungsempfehlungen fanden. Doch schon nach kurzer Zeit – und weil ich nachts nicht mehr schlafen konnte, weil die Tiere im Käfig umher hoppelten – wurde klar, dass der Ratgeber besser in der Papiertonne aufgehoben war.

„Gott sei Dank geht die Haltung immer mehr weg von Kindern und auch aus dem Kinderzimmer“, sagt auch Gerda Steinbeißer, Vorsitzende der Kaninchenhilfe Deutschland. Denn Kaninchen seien reine Beobachtungs- und keine Kuscheltiere. Und die typische Käfighaltung alles andere als gut für die Tiere. Schließlich hätten Kaninchen mindestens das Lauf- und Springbedürfnis einer Katze.

Keine Einzel-, sondern Außenhaltung

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT) hat daher 2019 in einem Merkblatt Haltungsempfehlungen für Kaninchen ausgesprochen. Diese gelten als Mindeststandard, der durch das Tierschutzgesetz gesichert wird. In diesem Merkblatt stellt sich nicht einmal die Frage, ob man Kaninchen allein halten kann, denn sie sind Herdentiere. Ohne eine soziale Gruppe leiden und vereinsamen sie. Das weiß auch Gerda Steinbeißer: „Das Allerwichtigste: Zwei sind ein Muss. Einzelhaltung für diese sozialen Tiere ist ein No-Go!“

Daher beginnt der Mindeststandard der Unterbringung auch bei dem Bedarf für zwei Tiere, der mindestens sechs Quadratmeter an Platz betragen muss. Sprich, zwei Kaninchen benötigen mindestens ein Gehege von drei mal zwei Metern, um sie artgerecht zu halten. Für jedes weitere Tier muss die Fläche um mindestens 20 Prozent vergrößert werden. Diese Faustformel gilt jedoch nur für Kaninchen bis drei Kilogramm. Für größere Tiere muss noch mehr Platz einberechnet werden.

Entsprechend gibt die TVT auch vor, dass man Kaninchen in einem eigenen Zimmer, in einer Kombination aus Freilauf und Käfig (mindestens 150 × 60 × 50 cm) oder in ganzjähriger Außenhaltung pflegen sollte. Denn dies entspricht am ehesten den natürlichen Lebensumständen der Tiere. Entscheidet man sich für jedoch die Kombination aus Käfig und Freilauf, darf dieser nur als Rückzug verwendet werden; die Türen müssen abgebaut werden.

Gehege muss ein- und ausbruchssicher sein

Henriette Mackensen vom Deutschen Tierschutzbund freut sich, dass Kaninchen heute immer öfter in großen Gehegen oder Gärten herumlaufen. „Die ganzjährige Außenhaltung ist absolut zu begrüßen“, sagt sie. Damit Kaninchen ihr Bewegungsbedürfnis jedoch in jeglicher Haltungsform decken können, müssen sie in der Lage sein, mindestens drei aufeinanderfolgende Hoppelschritte zu machen. Laut TVT Merkblatt legen die Tiere dabei pro Hoppler etwa 80 cm zurück, dafür benötigt es also schon 2,40 Meter Länge. Deshalb ist ein zusätzlicher Auslauf ideal. Hierbei gilt: Je größer, desto besser – denn nur weil die Tiere drei Schritte machen müssen, sollte das nicht das Maximum an möglicher Bewegung sein.

„Hauskaninchen unterscheiden sich da nicht von Wildkaninchen: Sie möchten springen, ihre Füße nach hinten schmeißen und Haken schlagen!“, sagt Gerda Steinbeißer. All das trägt zu ihrem Wohlbefinden bei. Die Expertin empfiehlt daher ein Gehege aus wetterbeständigem, unlackierten Holz, das überdacht und mit Volierendraht bespannt sein sollte. Die Tiere müssen sich in ihrem Gehege auf die Hinterbeine stellen können, ohne mit den Ohren anzustoßen. Kaninchen können zudem aus dem Stand bis zu einem Meter hoch springen, was ihnen im Gehege möglich sein sollte.

Dies muss nicht nur einbruchsicher gegen Raubtiere wie Fuchs und Marder sein, sondern auch ausbruchsicher für die Buddelfreunde – etwa mit Steinplatten oder Volierendraht in der Erde. Denn Kaninchen lieben es, zu graben. Um dem gerecht zu werden, bietet sich eine Buddelkiste mit Spielzeugsand oder Muttererde im Gehege an.

Kaninchen im Garten schützen

Gerade im Sommer birgt die Außenhaltung allerdings nicht nur Schönes für Kaninchen. Wenn im Garten ein Kompostbehälter oder eine Biotonne steht, bilden diese eine gute Grundlage für Fliegenpopulationen. Diese legen ihre Maden auch teilweise auf Kaninchen ab, was zu einem Parasitenbefall namens Myiasis führen kann.

Frau Dr. Tina Hölscher, Tierärztin von Aktion Tier e. V. warnt in einer Pressemitteilung eindringlich vor Fliegenbefall. „Die Fliegen werden von dem Geruch von Kotresten oder auch von kleinsten Hautwunden angezogen und legen dort ihre Eier ab“. Besonders Tiere mit Durchfall seien gefährdet. Daher sollte man Kaninchen in Außenhaltung mindestens zweimal am Tag genauestens untersuchen und am besten eine Notfallapotheke für Fliegenbefall einrichten.

Man kann jedoch auch präventiv viel erreichen. Kaninchen legen Toilettenecken an, welche – nicht nur im Sommer – regelmäßig gereinigt werden sollten. Mindestens alle ein bis zwei Tage. Zusätzlich kann man über den Volierendraht noch ein Fliegengitter anbringen, um die Tiere vor Kontakt mit den Insekten zu schützen. Gerade, wenn Kaninchen einmal Durchfall haben, empfiehlt es sich zudem, ihr Gehege mit Essig zu reinigen.

Kaninchen blühen in Freiheit auf

Zum Glück sind auch die Zeiten vorbei, in denen Kaninchen nur gelangweilt in ihrem Käfig herumlagen. Denn die Tiere sind wechselaktiv, das heißt, sie haben verschiedene Tag- und Nachtphasen, in denen sie besonders viel laufen und hoppeln – weshalb ihr Gehege auch nichts in Schlafräumen von Menschen zu suchen hat. Eine Studie fand bereits heraus, dass Kaninchen am meisten profitieren, wenn sie am Nachmittag Freilauf bekommen (PETBOOK berichtete).

Doch auch der Auslauf sollte spannend gestaltet sein: mit Rampen, Versteckmöglichkeiten und schattigen Plätzen. Denn Kälte können die Tiere viel besser vertragen als Wärme. Deshalb ist eine Außenhaltung auch im Winter kein Problem. „Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen, wie sie im Schnee toben“, erzählt Steinbeißer.

Umgebung abwechslungsreich gestalten

Doch ganz gleich, ob drinnen oder draußen: Die Umgebung sollte man für das artgerechte Halten von Kaninchen so abwechslungsreich wie möglich gestalten. Die TVT empfiehlt dafür unterschiedliche, weiche Untergründe und strukturiertes Gelände zum Toben. Dazu gehören nicht nur Buddelkisten, sondern auch Zweige, in die man Futter hängt, das sich die Tiere dann erarbeiten müssen. Es gibt auch diverse Intelligenz- und Beschäftigungsspiele zu kaufen, welche allerdings nicht aus Plastik bestehen sollten! Denn die Tiere benagen ihr Spielzeug regelmäßig und gern. Und je mehr Artgenossen vorhanden sind, desto spannender ist es natürlich für Kaninchen.

Immer mehr Tierfreunde gehen dazu über, die Langohren in einem kaninchensicheren Zimmer unterzubringen oder wie eine Katze in freier Wohnungshaltung. Bei meinen Kaninchen war dies ebenso und mein Zimmer wurde schnell zum Spielplatz (mit Kindersicherungen in den Steckdosen).

Auch Bettina Weihe aus Iserlohn, die vor einigen Jahren per Zufall an das Widder-Angora-Kaninchen „Herr Simon“ kam, macht dies so. „Er läuft überall frei herum und genießt das auch“, sagt sie. Und an jedem Morgen komme er in die Küche gehoppelt, um zu betteln. „Er wuselt dann um meine Füße, bis er ein Stück Petersilienwurzel bekommt“, erzählt sie. „Das sind die kleinen, besonderen Momente mit einem flauschigen WG-Mitbewohner.“

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Kastration und Reproduktion

Mit dem Übergang zur Gruppenhaltung stellt sich jedoch auch die Frage nach Kaninchennachwuchs. Die Tierschützerinnen sind sich darin einig, dass man Kaninchen auf jeden Fall kastrieren sollte. Manche Empfehlungen sprechen hierbei nur von Rammlern, Gerda Steinbeißer von der Kaninchenhilfe empfiehlt dies grundsätzlich auch für die Häsinnen. Mackensen rät dazu, die Maßnahme mit dem Tierarzt individuell zu besprechen.

Zudem warnt sie davor, weibliche Kaninchen oft auf den Arm zu nehmen und zu streicheln: „Abgesehen davon, dass es Stress hat, können auch gesundheitliche Probleme ausgelöst werden“, betont sie. Denn Kaninchen haben keinen saisonal geprägten, regelmäßigen Eisprung, sondern bekommen ihn erst beim Deckakt. Oder durch ähnliche Reize wie einem festen Druck auf den Rücken oder eben Streicheln. Allerdings kann es bei Tierarztbesuchen erforderlich sein, die Tiere für Berührungen von Menschen zu sensibilisieren. Wie das funktioniert, erfahren Sie in diesem Artikel: Wie man Kaninchen und Meerschweinchen an Menschen gewöhnt.

Dies sollte jedoch die Ausnahme bleiben. Denn gerade bei Häsinnen kann es durch entsprechende Scheinschwangerschaften langfristig zu tumorösen Veränderungen an Gesäuge und der Gebärmutter kommen. „Es muss klar sein, dass das mit dem Streicheln einfach nicht geht“, betont Mackensen. Deshalb sind auch aus ihrer Sicht Kaninchen keine geeigneten Haustiere für kleine Kinder.

Louisa Stoeffler
Redakteurin

Mein Fazit

„Schon als junges Mädchen wollte ich meine Kaninchen so artgerecht wie möglich halten. Das Leben in einer ‚Plastikwanne‘ – wie ich sie verächtlich nannte – schien einfach nicht richtig. Die drei verstanden sich nach etwas Gewöhnung sogar gut mit meiner Katze, sodass täglicher Freilauf im Zimmer für sie gar kein Problem war.
Heute denke ich jedoch noch immer mit Schrecken an die Sachbücher und Ratschläge aus der Tierfachhandlung zurück, die mir früher gegeben wurden. Auch was die Ernährung der veganen Mümmler angeht, gab (und gibt) es noch immer viel Futter im Tierfachhandel, das für sie gar nicht geeignet ist und das kein Kaninchen braucht.“

Mit Material der dpa

Themen Kaninchen
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