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PETBOOK Reportage

Butenland – zu Besuch in einem Altersheim für Kühe

PETBOOK-Autorin Julia Mähl durfte Hof Butenland besuchen, ein außergewöhnliches Altersheim für Milch- und Versuchskühe
PETBOOK-Autorin Julia Mähl durfte Hof Butenland besuchen, ein außergewöhnliches Altersheim für Milch- und Versuchskühe Foto: Julia Mähl

23. Dezember 2024, 6:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Auf Hof Butenland wird nicht geschlachtet und nicht gemolken. Hier sind Kühe keine Nutztiere, sondern stehen unter dem Schutz der Menschen. PETBOOK-Autorin Julia Mähl durfte diesem außergewöhnlichen Altersheim für Milch- und Versuchskühe, Mastkälber und dem ein oder anderen Schwein, einen Besuch abstatten.

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Es ist ein kalter und regnerischer Tag, als Jan Gerdes uns auf seinem Hof, knapp 50 Kilometer von Bremerhaven entfernt, begrüßt. Wir befinden uns nicht mehr weit weg von der Nordsee und der Wind hat es in sich. Doch Gerdes und seine drei Mitarbeiter stört das nicht. Man ist ihn gewohnt, den ungemütlichen Winter im Norden Deutschlands. Und die Arbeit kann nicht liegen bleiben, immerhin liegen knapp 80 Leben in ihrer Verantwortung. 

»Mir fällt sofort eine Sache auf: Keine Kuh ist angebunden!

Schon beim Betreten von Hof Butenland, der in dieser Form bereits seit über 20 Jahren besteht, fällt uns eines auf: Keine Kuh ist angebunden. Zwar befinden sich alle hinter einem großen Tor und einem breiten Zaun, doch weder in den weitläufigen Ställen noch im Außenbereich sieht man Ketten, Halsbänder oder ähnliches. „Als ich ein Kind war, waren die Kühe hier noch angebunden. Seitdem das hier ein Lebenshof geworden ist, haben wir die ganzen Ketten rausgerissen und weggeschmissen und eine Liegefläche eingebaut“, erzählt Jan Gerdes, der hier aufgewachsen ist. Seinen Eltern gehörte Hof Butenland.

Als sie nicht mehr konnten, übernahm er den Betrieb. „Ich habe dann direkt auf Bio-Landwirtschaft umgestellt, weil ich dachte, da geht es den Tieren besser. Und das stimmt natürlich zum Teil. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das nicht reicht. Ob sie auf dem Bio-Hof leben oder auf einem ‚normalen‘ – den Kühen geht es nicht gut genug.“

Da Tom nach der Geburt nicht aufstehen konnte, kümmerten sich die Töchter des Bauern um ihn. Auch heute noch lebt er auf dem Hof und kommt mit seinem Handicap dort sehr gut zurecht.
Da Tom nach der Geburt nicht aufstehen konnte, kümmerten sich die Töchter des Bauern um ihn. Auch heute noch lebt er auf dem Hof und kommt mit seinem Handicap dort sehr gut zurecht. Foto: Julia Mähl

Für viele der hier lebenden Tiere wäre die nächste Station der Schlachthof gewesen

Also wurde aus Hof Butenland ein Lebenshof – oder ein Kuh-Altersheim, wie man’s nimmt. Jan Gerdes hängte die Landwirtschaft an den Nagel und schuf einen Ort, an dem alte, ausgemusterte oder verletzte Kühe, Ochsen und Rinder ein Zuhause finden. Für viele der hier lebenden Tiere wäre die nächste Station der Schlachthof gewesen – ein Schicksal, vor dem Gerdes und seine drei festangestellten Mitarbeiter sie bewahren wollten.

„Aktuell leben 39 Kühe, acht Schweine, sieben Pferde und 25 Hühner und Gänse bei uns“, zählt Gerdes auf. Jedes dieser Tiere hat eine ganz eigene Geschichte. Während wir über das Gelände spazieren, bleibt er immer wieder stehen und erzählt uns eine davon: „Dort hinten zum Beispiel ist der Tom“, sagt er und deutet auf eine Kuh mit leicht abgeknickten Vorderbeinen. „Er hat ein komplett kaputtes Schultergelenk. Deswegen läuft er eigentlich nur auf drei Beinen und nimmt sein linkes Vorderbein nur, um sich abzustützen. Weil er nach der Geburt nicht aufstehen konnte, haben sich die Töchter des Bauern um ihn gekümmert. Nun ist er bei uns und kommt prima zurecht.“

Kuh Manuela stand drei Jahre lang mit offenem Bauch in einem Tierversuchslabor. Nun kann sie ihr restliches Leben in Sicherheit verbringen
Kuh Manuela stand drei Jahre lang mit offenem Bauch in einem Tierversuchslabor. Nun kann sie ihr restliches Leben in Sicherheit verbringen Foto: Julia Mähl

Viele der Tiere haben in ihrem bisherigen Leben ein wahres Martyrium hinter sich

Ein paar Meter weiter bleibt Gerdes erneut stehen und legt seine Hand auf den breiten Rücken einer schwarzen Kuh mit einem herzförmigen Muster auf der Stirn: „Das ist Manuela, sie kommt einem Tierversuchslabor und hat drei Jahre lang mit geöffnetem Bauch in einem Futter-Versuch gestanden. Da wurde der Pansen aufgeschnitten, dann eine Gummi-Manschette ein- und ein Schraubverschluss draufgesetzt. Man konnte also wirklich dort hineinfassen und Futterproben direkt aus dem Pansen entnehmen.“ Obwohl Manuela mit ihren 19 Jahren zu den ältesten Kühen gehört und schon gute zehn Jahre auf Hot Butenland lebt, sieht man die etwa 20 Zentimeter lange Narbe auf ihrer linken Flanke immer noch.

Wie die Tiere zu Jan Gerdes und seinem Lebenshof kommen, ist ganz unterschiedlich. Manchmal rufen Menschen an, die ein Tier auf ihrem Hof besonders liebgewonnen haben und nicht wollen, dass es geschlachtet wird. Oder das Veterinäramt muss Tiere beschlagnahmen, weil der Bauer oder Halter entsprechend schlecht mit ihnen umgegangen ist.

Oder aber es passieren Geschichten, die einen an das Gute im Menschen glauben lassen: „Vor etwa 15 Jahren ist eine Kuh beim Nachbarn ausgebrochen. Wir hatten damals hier noch Ferienwohnungen, die wir vermietet haben. Diese Feriengäste, ein junges Paar, haben dann geholfen die Kuh wieder einzufangen“, erzählt Jan Gerdes.

Touristen kauften entlaufene Kuh frei

Als die beiden sich daraufhin erkundigten, was nun mit ihr geschehen werde, zeigte Gerdes ihnen das pralle Euter, an dem man bereits erkennen konnte, dass sie in den nächsten Tagen ein Kalb erwartete. Und in der industriellen Landwirtschaft ist es nun mal üblich, dass das Kalb der Mutter weggenommen wird, damit sie ihre Milch abgeben kann. „Das konnten die beiden gar nicht verkraften. Also sind sie zu dem Bauern und haben ihm die Kuh abgekauft. Zwei Tage später ist das Kalb geboren.“

Bis heute spendet das Paar regelmäßig an Hof Butenland. Wie viele andere gehören sie zu den Kuh-Paten, spenden also einen jährlichen Betrag von mindestens 60 Euro. Menschen wie sie sind es, die den Hof am Leben erhalten. „Das ganze System funktioniert nur über Spenden – die Löhne, das Futter, alles wird damit bezahlt. Andere Zuschüsse gibt es nicht“, sagt Jan Gerdes. Wer eine Patenschaft übernimmt, kann mit Gerdes, so wie wir auch, eine Führung über den Hof machen, seine Kuh kennenlernen und sich alles anschauen.

Auf Hof Butenland leben nicht nur Kühe, sondern auch Pferde und acht Schweine
Auf Hof Butenland leben nicht nur Kühe, sondern auch Pferde und acht Schweine Foto: Julia Mähl
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„So wollen Schweine leben!“

Kurz bevor unser Spaziergang über den Hof endet, stellt uns der Besitzer noch die acht Schweine vor, die hier im Stall leben dürfen. Gleich am Tor kommt uns eines der kleinen Tiere entgegen und schnüffelt interessiert. Etwas weiter hinten liegen die anderen, halb vergraben und schlafend im Stroh.

„So wollen Schweine leben“, sagt Jan Gerdes und lacht. Die sechs Minischweine können sich frei bewegen – auch wenn sie sich ohnehin am liebsten im Stroh verbuddeln. Anders ist es mit den beiden Mastschweinen Berta und Frederik. Die haben ihren abgetrennten Bereich, von dem aus sie sogar nach draußen gehen können und sind mit ihrer Größe und dem lauten Grunzen weder zu übersehen noch zu überhören.

„Frederik hat auch eine ganz unglaubliche Geschichte“, beginnt Jan Gerdes seine letzte Geschichte mit Blick auf das große Schwein. „Er ist als Ferkel bei einem dieser Vieh-Transporte auf der Autobahn oben aus den Lüftungsschlitzen gefallen. Als man das gemerkt hatte, war der Transporter schon hunderte Kilometer weiter. Die Polizei hat dann zwar noch angerufen, aber der Fahrer wollte für so einen ‚drei Euro Artikel‘ nicht wieder zurückfahren.“

Frederik, der mit seinen Geschwistern eigentlich auf dem Weg in eine Spanferkelfabrik war, hatte also Glück im Unglück. Nicht nur, dass er lediglich mit ein paar Schürfwunden davonkam, eine Tierschützerin, die das Ganze mitbekam, kümmerte sich auch darum, dass er danach auf Hof Butenland ein neues Zuhause fand.

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