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Grundbedürfnisse Tierhaltung

Milchkühe artgerecht halten – was bedeutet das eigentlich?

Milchkühe artgerecht halten auf der Weide
Milchkühe artgerecht halten, dafür ist eine Weide wichtig. Die meisten Milchkühe in Deutschland sind Deutsche Holsteins mit ihrer schwarz-weißen Färbung Foto: Getty Images
Ninja Sinke Autorin

22. November 2022, 13:53 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Beim Gedanken an Milchkühe entsteht meist ein charakteristisches Bild im Kopf: Schwarz-weiß-gefleckte Kühe, die auf einer grünen Weide stehen. Die Realität sieht vielerorts in Deutschland anders aus: Längst nicht alle Tiere erhalten regelmäßigen Weidegang. Dazu kommen die vielschichtigen Grundbedürfnisse von Kühen, die in der konventionellen Tierhaltung größtenteils ignoriert werden. PETBOOK stellt die Frage, was es bedeutet, Milchkühe artgerecht zu halten und gibt einen Überblick.

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Die meisten deutschen Milchkühe leben in Niedersachsen und Bayern, insgesamt sind es 3,8 Millionen. In den konventionellen Milchviehbetrieben ist die Haltung der Kühe nur sehr ungenau und allgemein über das Tierschutzgesetz und die Nutztierhaltungsverordnung festgelegt. Der den Tieren zur Verfügung stehende Platz ist größtenteils begrenzt und die Abläufe sind optimiert. Das dient dazu, die Milchkühe möglichst profitabel halten zu können. Dazu kommt, dass mit der Entwicklung hin zu größeren Milchviehbetrieben weniger Tiere die Möglichkeit zum Weidegang haben. Um Milchkühe artgerecht zu halten, ist aber gerade der Gang auf die Weide nicht zu vernachlässigen. Weitere Grundbedürfnisse der Tiere reichen von ihrem ausgeprägten Sozialverhalten, über ihren Drang zur Fortbewegung bis hin zu ihrem Ruheverhalten. Für die artgerechte Haltung einer Kuh sollten daher einige Dinge bedacht werden.

Kühe sind intelligenter als gedacht

Kühe als dumm zu bezeichnen, tut den Säugetieren großes Unrecht an. Die Tiere sind sehr intelligent und neugierig. Sie sind in der Lage, voneinander zu lernen und haben ein Langzeitgedächtnis. Bekommt etwa ein Mitglied der Herde einen Stromschlag am Zaun, so sind die anderen Kühe in der Lage, aus diesem Verhalten zu lernen und nicht den gleichen Fehler zu begehen. Sie erkennen demnach den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Um an Nahrung zu bekommen, können sie das Betätigen von Hebeln erlernen und zeigen Freude, wenn die Lösung für ein Problem gefunden haben, wie eine Studie im Journal „Animal Behavior and Cognition“ zeigt.

Milchkühe artgerecht halten: diese Grundbedürfnisse sollten Sie kennen

Kühe haben eine Vielzahl an Grundbedürfnissen, die sie in der Intensivtierhaltung nicht mehr oder nur teilweise ausleben können. Wer den Anspruch hat, Milchkühe artgerecht halten zu wollen, sollte sich daher mit der natürlichen Lebensweise der Tiere intensiv auseinandersetzen.

Sozialverhalten

Kühe sind Herdentiere mit ausgeprägtem Sozialverhalten. In naturnaher Haltung auf der Weide bilden die Säugetiere Familienverbände: die Gruppen setzen sich aus Muttertieren und ihrem Nachwuchs zusammen aber auch männliche Kühe (Bullen) schließen sich zusammen. Die Tiere umsorgen und pflegen sich gegenseitig. Innerhalb der Herde herrschen dabei klare Verhaltensregeln und eine Rangordnung, meist wird eine Kuhherde von einer Leitkuh „angeführt“.

Die Rangordnung der Kühe untereinander sollte besonders bei der Einrichtung des Kuhstalls berücksichtigt werden. Sobald Kühe nicht ausreichend Platz haben, kann das dominante Verhalten einiger Kühe für andere, rangniedrigere Tiere die Lebensqualität einschränken. Dominante Kühe können z.B. schmale Durchgänge oder Futter- und Wassertröge versperren.

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Fortbewegung

Die Suche und Aufnahme von Nahrung treibt Kühe an. Haben sie die Möglichkeit, legen die Tiere täglich weite Strecken zurück und können schon mal auf 30 bis 40 Kilometer kommen. Aus diesem Grund sollten Milchkühen, um sie artgerecht zu halten, weitläufige Weideflächen zur Verfügung stehen. Nur eine Weide ist nicht genug, das Gras sollte sich regelmäßig regenerieren und nachwachsen können, um ausreichend Nahrung bereitzustellen. Die Weideflächen der Kühe sollten mit einem Stromzaun abgesichert sein, um die Tiere am Ausbrechen zu hindern. Das tun sie dann besonders gerne, wenn ihnen langweilig ist oder das Gras bereits sehr weit abgefressen wurde.

Wasser- und Nahrungsaufnahme

Um Milch zu produzieren, benötigen Kühe nicht nur ausreichend Nahrung, sondern vor allem genügend Wasser. Das sollte den Tieren in Menge und Qualität immer ausreichend zur Verfügung stehen. Befindet sich auf den Weideflächen ein Bach, ist das optimal. Ohne natürliche Wasserquelle muss Trinkwasser in Tränken bereitgestellt werden. Denn eine Kuh benötigt pro Tag 80 bis 180 Liter, abhängig von der Jahreszeit und den herrschenden Temperaturen. Dabei trinken die Tiere zwar recht selten aber dafür große Mengen an Flüssigkeit auf einmal: So können Kühe in 30 Sekunden bis zu zehn Liter Wasser trinken.

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Qualitativ gutes Futter steigert nicht nur die Milchleistung, sondern verbessert auch die Tiergesundheit. Auf der Weide fressen Milchkühe zwischen 50 und 80 Kilogramm Frischmasse pro Tag. Doch was gehört genau dazu, außer Gras? Kühe fressen ebenso Klee und Kräuter sowie Stroh, Heu und Silage. Besonders bei Hochleistungskühen und in der Intensivtierhaltung kann es dazu kommen, dass das Grundfutter für die Tiere nicht ausreicht. Um genügend Energie und eine hohe Milchproduktion zu gewährleisten, wird daher zusätzlich Kraftfutter gegeben: Mais, Sojabohnen, Erbsen, Hirse, Gerste, Weizenkleie, Melasse und Schrot aus Raps, Leinen oder Sonnenblumenkernen können darin enthalten sein. Bei der Fütterung von Milchkühen im Stall sollte darauf geachtet werden, dass die Tiere ihre Tröge und Tränken nicht umstoßen und den Inhalt auf dem Boden verteilen, dazu neigen sie gerne mal.

Ruheverhalten

Liegen gehört zum Ruheverhalten von Milchkühen und ist ein besonders wichtiges Grundbedürfnis. Wenn ihre Haltung es ihnen erlaubt, verbringen Kühe bis zu vierzehn Stunden pro Tag liegend. Während die Kühe liegen, ruhen sie nicht nur, sondern es laufen dabei wichtige Verdauungsprozesse in ihrem Körper ab: Kühe sind Wiederkäuer, das heißt, teilweise verdaute Nahrung wird aus dem Magen erneut in das Maul befördert und nochmals gekaut. Wird das Ruheverhalten eingeschränkt, leiden die Tiere unter Stress. Dieser kann dazu führen, dass die Kühe weniger Nahrung zu sich nehmen, weswegen wiederum der Milchertrag sinkt.

Für die Ruhestätte benötigen Kühe einen weichen Untergrund, wenn sich diese im Stall befindet. So kann sichergestellt werden, dass die Tiere nicht ausrutschen und sich die Beine brechen. Gummimatten oder Einstreu sind dafür gut geeignet, wenn sie regelmäßig gesäubert oder ausgetauscht werden. Ein sauberer Ruheort ist besonders wichtig für die Gesundheit und artgerechtes Halten der Milchkühe: Liegen sie in ihren eigenen Exkrementen, kann sich ihr Euter schmerzhaft entzünden.

Körperpflege

Milchkühe gehen intensiv der eigenen Körperpflege nach. Diese Verhaltensweise wirkt sich positiv auf ihr Wohlbefinden sowie ihre Gesundheit aus. Mit ausreichend Platz lecken, kratzen und scheuern sich Kühe, wie es ihnen beliebt. Daher sind Bürsten, mit denen sie sich den Rücken scheuern können, eine willkommene Ergänzung im Stall. Das typische Schleudern des Kopfes nutzen Kühe, um auch schlecht abzuleckende Stellen am Körper erreichen zu können.

Während der Wintermonate suchen Kühe aktiv sonnige Plätze auf. Das liegt daran, dass die Sonnenstrahlen auf Haut und Fell der Abwehr von Parasiten und Pilzen dient. Die Tiere sollten daher auch während der kalten Jahreszeit die Möglichkeit haben, sich draußen aufzuhalten. Niedrige Temperaturen machen den Wiederkäuern wenig aus.

Verhalten zwischen Mutterkuh und Kalb

Ihren Nachwuchs pflegt die Mutterkuh ab der Geburt in der Regel intensiv, sodass eine starke Bindung zwischen Mutterkuh und Kalb entsteht. Das Kalb ernährt sich von der Milch der Kuh. Ein Rückzugsort, der gut gepolstert ist, darf für die Muttertiere und ihren Nachwuchs nicht fehlen. Denn in den ersten Tagen hält sich das Kalb abgesondert von der Herde auf und wird regelmäßig von der Mutter aufgesucht, damit es trinken kann. Dem Familienverband schließen sich die Tiere nach kurzer Zeit wieder an. In konventioneller Milchkuhhaltung ist dieses Verhalten nicht möglich, denn die Tiere werden innerhalb kurzer Zeit, meist innerhalb weniger Stunden, voneinander getrennt. Das resultiert in Stress und unruhigem Verhalten der Kühe.

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Artgerechtes Halten von Milchkühen: mehr als Weidegang

Wer Milchkühe artgerecht halten möchte, sollte sich der hohen Ansprüche der großen Tiere bewusst sein. Kühe benötigen ausreichend Platz und fühlen sich in einer Herde wohl. Die Haltung von nur einem Tier eignet sich aufgrund des komplexen Sozialverhaltens nicht. Kühe sollten frei wählen können, ob sie sich im Stall oder auf der Weide aufhalten möchten. Ein Zugang ins Freie soll in jedem Fall gegeben sein, das verlangt auch die Tierschutzorganisation „Compassion in World Farming“.

Quellen

Themen Kühe
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