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Angriffe beim Wandern

Sind Kühe gefährlich? Das sagt ein Experte

Nahaufnahme von Kuh, die lustig in die Kamera schaut
Immer wieder hört man, dass Menschen beim Wandern oder Spazieren von Kühen angegriffen werden. Doch wie gefährlich sind die Tiere wirklich? Foto: Getty Images
Sonja Jordans

26. August 2024, 6:42 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Jedes Jahr gibt es Berichte über Kuhattacken in den Alpen. Doch wie häufig sind solche Vorfälle tatsächlich und wie verhält man sich richtig bei einer Begegnung mit Kühen? PETBOOK-Autorin Sonja Jordans sprach mit einem Experten darüber.

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Vor einem Stier haben die meisten Menschen Respekt. Doch Kühe halten die wenigsten für gefährlich. Trotzdem treten jedes Jahr aufs Neue tauchen in zahlreichen Medien Meldungen über offenbar wildgewordene Kühe auf – vor allem zur Ferien- und Wanderzeit. Sie sollen Wanderer in den Bergen aufgescheucht, gejagt und mitunter sogar totgetrampelt haben.

Vor wenigen Wochen etwa machte der Fall einer 40 Jahre alten Österreicherin Schlagzeilen, die mit ihren beiden erwachsenen Töchtern und zwei kleinen Hunden auf einer Bergtour unterwegs war. Darüber berichtete unter anderem die österreichische Tageszeitung „Kurier“. Offenbar hatte das Trio eine Herde Mutterkühe aufgeschreckt, die daraufhin auf die Spaziergängerinnen und deren Hunde losging. Die 40-Jährige überlebte den Angriff nicht, die beiden Töchter erlitten Knochenbrüche. Auch die zum Zeitpunkt der Attacke angeleinten Hunde wurden verletzt.

Doch wie kommt es, dass sich Kühe mitunter von Wanderern derart provoziert fühlen, dass sie angreifen? Was machen Alpentouristen falsch und wie reagiert man am besten, wenn sich eine Kuh nähert? PETBOOK fragte bei einem Experten nach.

Sind Kühe gefährliche Tiere?

Nein, sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV) in München. „Kühe trachten uns nicht nach dem Leben.“ Die Tiere seien in der Regel nicht übermäßig reizbar oder aggressiv. Auch nicht, wenn sich Menschen in ihrer Umgebung aufhalten.

Fälle, in denen Kühe Wanderer angreifen, verletzen oder gar – wie in dem Fall aus Österreich – töten, seien eine „krasse Ausnahme und sehr selten“, beruhigt Bucher. „Jährlich kommt es bei Bergwanderungen zu unzähligen Begegnungen zwischen Kühen und Menschen, und dabei passiert gar nichts.“ Wenn es allerdings zu einem Zwischenfall komme, seien die Folgen mitunter dramatisch. „Und dann hört man natürlich darüber, sonst nicht. Aber verunsichern lassen sollte man sich davon nicht.“

Das belegen auch Zahlen, die das österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit 2019 veröffentlicht hatte. Über einen Zeitraum von zehn Jahren waren demnach rund 30 Millionen Wanderer auf Österreichs Bergen unterwegs. In 54 Fällen kam es dabei zu Zwischenfällen mit Weidetieren, von denen zwei tödlich endeten. 1

Auch interessant: Wie verhalte ich mich, wenn ich auf einen Stier treffe?

Kühe wollen keinen Kontakt

Sorgen, bei einer Wanderung in den Alpen oder anderen Bergregionen von hinterrücks lauernden Kühen angegriffen zu werden, müsse sich daher niemand machen, beruhigt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV). Dennoch: Auf eine Kuh zuzugehen und sie streicheln zu wollen, sei keine gute Idee – „auch wenn sie noch so lieb schaut“. Denn Kühe seien keine Haus- oder gar Kuscheltiere, wie der Sprecher des DAV betont.

Eine ausgewachsene Durchschnitts-Kuh (Hausrind) kann je nach Rasse zwischen 500 und 800 Kilogramm wiegen und – trotz des massigen Körperbaus – eine Geschwindigkeit von 25 bis angeblich sogar 40 Kilometer pro Stunde erreichen. 2 3

Zudem sind die Tiere nicht darauf aus, von Menschen bedrängt oder gar angefasst zu werden. Wer sich jedoch auf Wanderungen in den Bergen an einige Regeln halte, müsse nicht befürchten, bei einer Begegnung mit Kühen attackiert zu werden, so Bucher.

Das sagte auch Silvester Gfrerer, Obmann des Salzburger Alm- und Bergbauernvereins, im Gespräch mit „Kurier“ kurz nach einem Unglück vom Juni dieses Jahres im Gasteinertal, bei dem eine Frau in Begleitung zweier Hunde bei einer Kuh-Attacke tödlich verletzt wurde. Der zunehmende Tourismus bringe mehr Menschen auf die Almen, und diese müssten sich auch ihrer Verantwortung bewusst sein, so Gfrerer gegenüber der österreichischen Tageszeitung.

Wie verhält man sich bei einer Begegnung mit Kühen?

„Am besten ist es, Abstand zu halten“, empfiehlt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. Und zwar nicht nur ein paar Schritte, sondern durchaus 20 Meter oder mehr. „Normalerweise heißt es ja, man solle bei Bergwanderungen unbedingt auf den Wegen bleiben“, sagt Bucher. „Das ist auch richtig. Wenn da aber nun Kühe stehen, sollte ich weiträumig außen herum gehen und nicht mitten durch die Herde laufen –Weg hin oder her.“

Stünde eine Herde von 20 oder mehr Tieren überall im Bereich eines Wanderpfads verteilt, gelte es, aus der Ferne die Situation zunächst zu beobachten. Seien die Tiere ruhig und haben die Wanderer registriert, ohne aufgeregt zu wirken, könne man – ebenfalls mit ausreichend Abstand – ruhig weiterlaufen, jedoch auch dann nicht zu nahe an einzelnen Tieren vorbei.

Versuchen, die Tiere zu verjagen, ist keine gute Idee

„Lautes Geschrei, Gespräche, Gelächter oder gar Musik sollten dabei unterbleiben“, rät Bucher. Lärm könne die Tiere erschrecken und verunsichern, wodurch sie sich womöglich bedrängt fühlen. Wie sie dann reagieren, sei nicht abzuschätzen. Auch mit den Armen herumzufuchteln und zu versuchen, die Tiere zu verjagen, sei keine gute Idee. „Das Tier fühlt sich dann nicht eingeschüchtert, sondern angegriffen.“ Dann könne es zu gefährlichen Attacken von Kühen kommen.

Steht eine einzelne Kuh auf einem Pfad herum oder habe sich dort niedergelassen, sollte das Tier ebenfalls zunächst beobachtet und eingeschätzt werden. Mache es einen entspannten Eindruck, könne man in einigen Metern Abstand um das einzelne Tier herumgehen. „Aber nicht knapp hinter oder neben der Kuh vorbeirennen“, sagt Bucher. Das könne die Kuh ebenfalls erschrecken; wodurch sie sich womöglich angegriffen fühle. Dann könne sie schnell auf den Beinen sein und die mutmaßlichen Angreifer verjagen.

Vorsicht bei Kälbchen

So süß Kälbchen auch sein mögen, wenn sie auf ihren staksigen Beinchen zwischen ihren Müttern umherlaufen: Hat eine Kuhherde Nachwuchs dabei, sollten Wanderer besonders aufmerksam und vorsichtig agieren, rät Thomas Bucher. „Kälbchen verschärfen die Situation.“ Tiere, die Kälber bei sich haben, hätten einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. „So, wie alle Muttertiere, die auf ihren Nachwuchs achten.“

Vermute die Mutter auch nur die kleinste Gefahr für ihr Kalb, könnte auch die friedlichste Kuh schneller angreifen, als Außenstehende erwarten. In solchen Fällen sollten Wanderer unbedingt noch mehr Abstand zu den Tieren halten werden als ohnehin. „Lieber 50 Meter außen herum gehen statt nur 20 Meter“, betont Bucher. Zudem sollte nicht in Richtung des Nachwuchses gelaufen oder gar gerannt werden.

Tiere auf keinen Fall anfassen oder streicheln

Auch Versuche, die Tiere anzufassen oder mit Grasbüscheln zu füttern, müssen unterbleiben. Da Kühe in der Regel nicht in unwegsamem Gelände stehen, wo für Wanderer Absturzgefahr besteht, sei es auch in solchen Fällen unter Umständen ratsam, den vorgegebenen Weg zu verlassen und die Herde weiträumig zu umlaufen.

Dabei sei es wichtig, die Tiere im Blick zu behalten und sich ruhig, aber zügig zu entfernen. Wenn möglich, sollten den Kühen nicht der Rücken zugedreht werden, denn dann könne man nicht schnell genug erkennen, falls sich unter den Tieren Unruhe breitmacht.

Wichtig: „Rennen Sie nicht vor Kühen weg“, rät Bucher. Nicht nur, weil die Kuh im Zweifel ohnehin schneller laufen kann als ein Wanderer. Die Tiere könnten sich durch das Rennen provoziert fühlen und die Verfolgung erst recht aufnehmen.

Was tun, wenn ein Hund dabei ist?

Hunde könnten tatsächlich immer ein Problem darstellen, so Bucher. Bei den meisten Attacken von Kühen auf Menschen hatten diese Hunde dabei. Auf Hunde reagierten Kühe mitunter auch dann, wenn die Herde keine Kälbchen mit sich führt. Daher sollten Hunde bei Begegnungen mit Kühen rechtzeitig an die kurze Leine genommen werden. „Und zwar nicht erst, wenn sich Hund und Kühe schon nahegekommen sind“, so Bucher.

Seien Kühe zu sehen, gehöre ein Hund sofort an die Leine. „Auch, wenn er brav ist und aufs Wort hört.“ Einer Kuh ist nicht bewusst, dass der Vierbeiner, der dort über den Weg zottelt, kein Angreifer, sondern ein freundliches Haustier ist. Zudem sollte dafür gesorgt werden, dass der Hund nicht aufgeregt bellt, in Richtung der Herde zieht oder gar einzelne Tiere und Kälbchen ankläfft. Dann gelte es, zügig, aber gelassen an der Herde – „wieder mit ausreichend Abstand“, betont Bucher noch einmal – vorbeizulaufen und den Hund die ganze Zeit ruhig an der sehr kurzen Leine zu halten.

Beim Angriff Leine vom Hund fallen lassen

Sollte sich eine Kuh trotz aller Vorsicht dennoch zu einer Attacke entschließen oder auf die Wanderer mit Hund loslaufen, sollte unbedingt ein Rat befolgt werden: „Leine sofort loslassen“, sagt Bucher. „So schwer es auch fällt. Ansonsten wird ganz schnell der Mensch zum Opfer.“ Zwar sei es nachvollziehbar, dass Halter ihren Hund schützen wollten. „Der Hund aber ist schneller und flinker als die Kuh und bringt sich selbst in Sicherheit. Er weiß sich zu helfen.“

Halte ein Mensch seinen womöglich noch wild bellenden Vierbeiner jedoch fest, attackiere eine wütende Kuh eben ihn, um den vermeintlichen Angreifer zu verjagen. Das Tier unterscheide nicht zwischen Mensch und Hund, sondern sehe nur die Gefahr. „Und dann kann so ein Angriff für den Menschen unangenehmere Folgen haben als für den Hund“, weiß Bucher. Im Fall der Frau aus Österreich endete die Kuhattacke für sie tödlich, während ihre kleinen Hunde verletzt überlebten.

Wie verhält man sich, wenn eine Kuh angreift?

Generell sei es wichtig, die Situation zunächst zu beobachten und sich auf sein Gefühl zu verlassen, sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. Niemand brauche in Panik zu verfallen, wenn irgendwo Kühe auftauchten. „Ich kann es nur wiederholen: Gelassen bleiben und Abstand halten sind das A und O.“

Zudem könne schon am Verhalten der Tiere abgelesen werden, ob sie entspannt sind oder womöglich erregt. Wenn Kühe mit ihren Hufen scharren, die Wanderer fixieren, aufgeregt schnauben und den Kopf senken, sei es ratsam, den Tieren aus dem Weg zu gehen. „Denn dann stimmt etwas nicht, sie sind wütend und könnten angreifen.“ Wichtig sei es jedoch, dann nicht kopflos wegzurennen. „Wer wegrennt, animiert die Kuh zum Hinterherlaufen.“  Zudem sollte Kühen niemals in die Augen gestarrt werden, denn das empfinden sie als Provokation. „Im Blick behalten ja, anstarren nein“, fasst Bucher zusammen.

Vielmehr gelte es, den Rückzug anzutreten und sich von dem aufgeregten Tier zu entfernen. Wenn möglich, ohne ihm den Rücken zuzudrehen. Schreien, gestikulieren oder gar auf das Tier zuzurennen seien genau die falschen Reaktionen. Allerdings, so Bucher: „Eine Kuhbegegnung lässt sich nicht auf dem Reißbrett skizzieren.“ Sei man nur einen Sprung von einem rettenden Zaun entfernt, könne es unter Umständen doch helfen, die Beine in die Hand zu nehmen und über das Gatter zu hechten, bevor das Tier angreift.

Sollte all das nichts nützen, das Tier schon zu nahe sein und angreifen, könne der Mensch zu einem letzten Mittel greifen. „Dann kann man versuchen, der Kuh mit dem Wanderstock eins auf die Nase zu geben“, sagt Bucher. Allerdings sei das wirklich das letzte Mittel, nur im absoluten Notfall einzusetzen und auch nicht zwingend erfolgreich. Zudem muss eine Kuh dann schon sehr nahe sein, um überhaupt mit dem Wanderstock in ihre Reichweite gelangen zu können. „So weit sollte man es eigentlich nicht kommen lassen.“

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Fazit

Kühe sind nicht per se gefährlich. Wer sich auf einer Wanderung respektvoll und ruhig verhält, muss bei Begegnungen mit den Tieren nicht in Panik verfallen. Wichtig ist, sich an Regeln zu halten, die im Umgang mit den Tieren gelten. Zudem sind Hunde bei Kuh-Begegnungen an der kurzen Leine zu führen. Weitere Tipps zum richtigen Verhalten gibt es auf den Seiten des Deutschen Alpenvereins.

Themen Kühe

Quellen

  1. kurier.at, „Gefahr auf der Alm: So viele Kuhattacken gibt es wirklich“ (aufgerufen am 23.08.2024) ↩︎
  2. biologie-schule.de, „Die Kuh - Steckbrief“ (aufgerufen am 23.08.2024) ↩︎
  3. agrarheute.com, „Olympia 2024: Sind Kuh, Schwein oder Huhn schneller als Usain Bolt?“ (aufgerufen am 23.08.2024) ↩︎
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