21. März 2024, 6:52 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das Leben einer deutschen Milchkuh hat nichts mit den geschönten Bildern aus der Werbung zu tun. Ihr meist kurzes Leben besteht aus Hochleistung, denn sie produziert heutzutage rund dreimal so viel Milch wie vor hundert Jahren. Milch produziert sie als Säugetier aber nur, wenn sie ein Kälbchen zur Welt bringt. Aber wie oft muss eine Milchkuh trächtig werden, um „wirtschaftlich“ zu sein? Diese und noch andere Fragen beantwortet PETBOOK.
„Die Milch macht’s“ hieß früher ein Werbeslogan, der den Deutschen Appetit auf das laktosehaltige Getränk machen sollte. Allein in Deutschland produzieren Bauern rund 32 Millionen Tonnen Milch pro Jahr. Die eigentlichen „Produzenten“ sind jedoch die rund vier Millionen Milchkühe, die ihr Leben genau zu diesem Zweck in Milchkuhbetrieben fristen. Für diese Leistung müssen Kühe ihr Leben lang trächtig sein.
Wann und wie lange produziert eine Kuh Milch?
Wie bei uns Menschen wird Milch erst produziert, wenn der Nachwuchs auf der Welt ist. Normalerweise dient die Milch dazu, das Kälbchen zu ernähren, doch in der Milchindustrie wird der Mutter das Kälbchen kurz nach der Geburt weggenommen. Ab diesem Zeitpunkt wird sie morgens und abends gemolken. Kurz nach der Geburt ist die Milchleistung am höchsten, sie bleibt ca. zwei Monate auf diesem Niveau und kann sogar ansteigen, bevor sie allmählich nachlässt.
Die gesamte Phase der „Laktation“ dauert rund 305 Tage, weshalb man die Milchkuh bereits zwei Monate nach der Geburt erneut besamt. In dieser Phase der erneuten Trächtigkeit wird die Kuh gemolken. Nur sechs bis acht Wochen vor der Geburt des nächsten Kalbes wird sie „trocken gestellt“ und die Euter und die werdende Mutter können sich erholen. Würde das Kälbchen bei der Mutter verbleiben, würde sie es sieben bis acht Monate lang saugen lassen. In der Mutterkuhhaltung wird das Jungtier erst dann von der Mutter getrennt. Mutterkühe werden allerdings nie gemolken.
Wie oft wird eine Kuh trächtig?
Milchkühe müssen für die durchschnittlich geforderte Milchmenge zwischen 4-bis 5-Mal „abkalben“. Bei einer Hochleistungskuh reichen nur zwei Geburten. Das erste Mal wird eine Kuh in der Regel mit zwei bis drei Jahren trächtig. Dazu besamt man sie in der Regel künstlich, wenn sie paarungsbereit ist.
Der Zyklus von weiblichen Rindern beträgt ca. 21 Tage und erfolgt das ganze Jahr über. Während der Brunst kann sie an eineinhalb Tagen trächtig werden. Nach der neunmonatigen Trächtigkeit kalben Kühe meist im Frühjahr. Um eine konstante Milchleistung zu erbringen, muss eine Kuh pro Jahr ein Kälbchen zur Welt bringen. Im Grunde ist eine Milchkuh also „dauerschwanger“.
Normalerweise wird eine Kuh bis zu ihrem zehnten Lebensjahr trächtig. In der Milchwirtschaft gelten Kühe aber oft schon nach drei Jahren in der Intensivhaltung als nicht mehr rentabel und werden ausgemustert. Im Alter von nur fünf Jahren landen die Tiere im Schlachthof. Die Lebenserwartung einer Kuh beträgt normalerweise 20 bis 25 Jahre.
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Was passiert mit den vielen Kälbern?
Kälber gelten als Abfallprodukt der Milchindustrie. Viele werden direkt nach der Geburt getötet. Die anderen hört man nach der brutalen Trennung von ihren Müttern oft tage- und nächtelang nacheinander rufen. Die Kälber sind dann allein und isoliert in sogenannten Kälberboxen (Plastikiglus) untergebracht.
Den meisten weiblichen Rindern steht ein Leben als Milchkuh bevor. Ihren männlichen Leidensgenossen ergeht es nicht viel besser: Sie werden meist billig ins Ausland verkauft und haben deshalb im Alter von nur fünf Monaten quälende und lange Transporte vor sich. Vor Ort werden sie dann noch eine kurze Zeit gemästet, bis sie im Alter von acht Monaten zur Schlachtung kommen.
10000-12000 Liter Milch pro Jahr
Obwohl die Milchproduktion steigt, ist die Zahl der gehaltenen Tiere gleichzeitig gesunken. Dieser vermeintliche Widerspruch lässt sich auf die gesteigerte Produktion der einzelnen Tiere zurückführen. Eine Milchkuh gibt heute in der Regel rund 10000-12000 Liter Milch pro Jahr.
Die Kuh Carlotta aus Sachsen-Anhalt hat 2018 mit 200.000 Litern Milch einen Rekord aufgestellt. Dazu musste sie in 19 Jahren 13 Kälber zur Welt bringen und ihr Leben in einem staatlichen Ausbildungsbetrieb, vermutlich in Anbindehaltung, fristen. 2019 brachte sie Kalb Nummer 14 zur Welt. In der Zeitschrift agrarheute wurde das ausgebeutete Tier als „Ausnahmekuh“ gefeiert.
Während Betriebe früher im Durchschnitt 23 Kühe hielten, sind es heute rund 73. Grund dafür sind die gefallenen Milchpreise, denn die meisten kleinen Höfe mit nur wenigen Tiere mussten den Betrieb einstellen, da sie von den schrumpfenden Einnahmen nicht mehr leben konnten. Nicht nur Menschen leiden in diesem System, sondern auch die Tiere, deren einziger Zweck darin besteht trächtig zu sein, um Milch zu liefern. Ein grauenvoller Kreislauf, den heute zum Glück immer mehr Verbraucher ablehnen.
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Quellen
- tierschutzbund.de, „Das Leid der Milchkühe“ (aufgerufen am 21.03.2024)
- kuechenfibel.de, „Ist eine Milchkuh Dauerschwanger?“ (aufgerufen am 21.03.2024)
- de.statista.com, „Milchkuhbestand in Deutschland in den Jahren 1950 bis 2023“ (aufgerufen am 21.03.2024)
- vegpool.de, „Milchindustrie feiert 200.000-Liter-Kuh. Erfahre, was du jetzt tun kannst.“ (aufgerufen am 21.03.2024)
- milchquell.de, „Wie viel Milch gibt eine Kuh im Jahr? Hier sind die überraschenden Antworten?“ (aufgerufen am 21.03.2024)