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Artenvielfalt

Wie Schafe in der Rhön eine Kulturlandschaft formten

In der Rhön haben Schafe eine ganz besondere Aufgabe übernommen. (Symbolbild)
In der Rhön haben Schafe eine ganz besondere Aufgabe übernommen. (Symbolbild) Foto: Getty Images
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PETBOOK Redaktion

27. Mai 2023, 15:47 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

In der Rhön gibt es viel zu entdecken: „Sexualtäuscher“, die Grabwespen anlocken etwa oder Schafe, die so gut erzogen sind, dass ihr Schäfer sie sogar durch die Frankfurter Innenstadt ziehen lassen könnte.

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„Land der offenen Fernen“ wird die Rhön genannt. Bunte, kräuterreiche Wiesen und Weiden prägen das typische Gesicht des Mittelgebirges im Herzen Deutschlands. Sie vermitteln den Eindruck von Offenheit und Weite. Dass die artenreichen Bergwiesen nicht mit Büschen und schließlich Bäumen zuwachsen, ist auch vierbeinigen Helfern zu verdanken: den typischen Rhönschafen und Ziegen. Und Schäfern wie Oliver Spies und seiner Frau Sarah Perske. „Wir halten die Rhön offen und verhindern mit unserer Herde das Zuwachsen“, erklärt Spies.

Warum Rhönschafe nicht ins Naturschutzgebiet koten dürfen

Seit Beginn der Weidesaison Anfang Mai zieht er täglich mit seiner Herde aus rund 320 Mutterschafen und 40 Ziegen über die Wiesen eines Naturschutzgebiets in der Nähe von Hünfeld nahe der hessisch-thüringischen Landesgrenze. Nachts werden die Tiere in einem Pferch außerhalb des Gebiets untergebracht. Dort verrichten Schafe und Ziegen dann den Großteil ihres Geschäfts. Warum außerhalb des Naturschutzgebiets? Kot ist Dünger, und der wäre nicht gut für die typischen kalkhaltigen Magerwiesen, die den Lebensraum für viele seltene Pflanzen bieten.

„Elf Orchideenarten wachsen hier zwischen Mai und Juli, wenn das Wetter mitspielt“, erklärt Manfred Bender, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Biosphärenreservats Rhön. Gemeinsamen mit seiner Frau Anni bietet er Naturführungen durch das Gebiet an. Doch nicht nur Orchideen, auch andere seltene und schützenswerte Charakterpflanzen wie Enzian und Silberdistel haben dort auf einer Fläche von 160 Hektar – das entspricht etwa 225 Fußballfeldern – ihre Heimat.

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Schafe haben eine Kulturlandschaft geformt

Ein Naturschutz-Kleinod reiht sich auf dem „Weinberg“ bei Hünfeld an das andere. Dort wächst beispielsweise das Knabenkraut, das sehr seltene Weiße Manns-Knabenkraut und auch das Purpur Manns-Knabenkraut, zählen die beiden Benders auf. Wohl kaum jemand kennt sich mit diesen Orchideen und anderen Wildpflanzen auf der Hügelkuppe so gut aus wie die zwei Hobby-Naturkundler.

Warum das Gebiet allerdings Weinberg heißt, wissen sie auch nicht. Möglicherweise war der alte Name Weidberg, weil die Menschen aus den umliegenden Ortschaften früher ihre Tiere dorthin trieben. So wurde im Lauf von Jahrhunderten diese Kulturlandschaft geformt, an der sich heute viele Naturfreunde und Rhön-Urlauber erfreuen.

Und der Besucher kommt ins Staunen, etwa über einen Trick, den sich die seltene Fliegen-Ragwurz hat einfallen lassen. Die Orchidee präsentiert jetzt im Mai ihre ersten Blüten, die einer Wespe ähneln. Als „Sexualtäuschblume“ lockt sie männliche Grabwespen an, die auf den Blüten ihren Begattungstanz ausführen und dabei die Pollen übertragen, wie Anne Bender erklärt.

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Rhönschafe sind immer am Fressen

Anders als Grabwespen lassen sich die Schafe und Ziegen von Schäfer Spies nichts von Pflanzen vormachen: Sie wissen genau, wo die leckersten Kräuter und Gräser stehen und mampfen genüsslich vor sich hin. Die wunderschöne Landschaft und der Blick auf das hessische Kegelspiel – eine eindrucksvolle Formation von Hügelkuppen – und nach Thüringen hinein interessiert sie dabei nicht im Geringsten. Genauso wenig wie der Umstand, dass sie aktive Naturschützer sind. Und dass sie und ihre Ziegen-Kollegen mitunter die eine oder andere Orchidee auszupfen oder zertrampeln, ist ihnen vermutlich auch völlig schnuppe.

Das dürfen die Tiere aber, wie Naturführer Bender einräumt. Ihr Nutzen als Landschaftspfleger mache den geringen Flurschaden mehr als wett. Gemeinsam mit dem Schäfer überlegen sich die Benders und andere Mitglieder der sogenannten Weinberg-Kommission vor Beginn der Saison, wann welches Teilgebiet beweidet wird. Und egal, wo das auch sein mag: Den Tieren schmeckt es.

„Die Rhönschafe sind immer am Fressen und kommen auch mit den mageren Wiesen hier gut klar“, erklärt Spies. Genügsam sind sie, die für die Rhön typischen Bewohner mit ihren schwarzen Köpfen. In den 1980er Jahren war die Gattung fast ausgestorben, inzwischen hat sich der Bestand aber wieder erholt.

„Mit denen würde ich sofort durch die Innenstadt ziehen“

Doch von Rhönschafen allein kann der Familienbetrieb in Eiterfeld im Kreis Fulda – „die Schäferei mit Herz“, wie sie sich selbst nennt – nicht existieren. Deswegen hält die Familie Spies noch eine Herde von 800 sogenannten Fleischschafen, die sich besser vermarkten lassen und die auf fetteren Wiesen bei Friedewald (Kreis Hersfeld-Rotenburg) weidet. Und außerdem gibt es noch eine staatliche Prämie für den Naturschutzbeitrag der Herde auf dem Weinberg – abgerechnet wird nach beweidetem Hektar.

Mit dem Fleisch der Lämmer und Schafe lässt sich zwar der eine oder andere Euro verdienen, mit ihrem Fell jedoch nicht. „Mit der Wolle kann man kein Geld erwirtschaften“, erklärt Sarah Perske. „Die Kosten für den Schafscherer sind weitaus höher als das Geld, das man für die Wolle bekommt.“

Schafswolle ist auch als Dünger gut

Not macht erfinderisch, und so wurden die „Rhön-Wollets“ erfunden: Pellets aus geschredderter Schafswolle. Sie sind seit etwa zwei Jahren auf dem Markt und können Hobby-Gärtnern als stickstoffreicher Langzeitdünger und schwammartiger Wasserspeicher beispielsweise beim Gemüseanbau dienen. „Aber leider ist die Idee noch nicht so durchgedrungen“, bedauert Spies.

Vor lauter Schafen dürfen aber die Deutschen Edelziegen und die Burenziegen in der Herde nicht vergessen werden, die sich anders als ihre wolligen Herdengefährten auch mal ins Buschwerk und die stacheligen Hecken des Weinbergs hineintrauen. Mit ihrem Herumknabbern leisten sie auch einen wichtigen Beitrag gegen die Verbuschung des Biotops.

Allerdings sind die Ziegen nicht ganz so einfach zu hüten wie die Rhönschafe, die Spies als außerordentlich brav und gut erzogen beschreibt. „Mit denen würde ich sofort durch die Frankfurter Innenstadt ziehen. Damit hätte ich keine Probleme“, lacht er.

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Rhönschafe formten eins von 16 Unesco-Biosphärenreservaten

Die Rhön ist eines von 16 Unesco-Biosphärenreservaten in Deutschland – die Fläche verteilt sich auf Hessen, Bayern und Thüringen. Mit einer Ausdehnung von gut 2400 Quadratkilometern ist das Biosphärenreservat annähernd so groß wie das Saarland.

Die Artenvielfalt in den geschützten Lebensraumtypen der Rhön gilt als sehr hoch, es finden sich gute Lebensbedingungen für vom Aussterben bedrohte Vogelarten wie das Birkhuhn, den Wachtelkönig, den Schwarzstorch und den Eisvogel. Das Reservat ist in drei Zonen unterteilt, für die unterschiedliche Schutzauflagen gelten. Seit 1971 baut die Unesco als Organisation der Vereinten Nationen ein weltweites Netz von Biosphärenreservaten auf, die jeweils wichtige Landschaftstypen repräsentieren. Die Rhön war im Jahr 1991 als Biosphärenreservat anerkannt worden.

Mit Material der dpa

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