1. Dezember 2023, 16:38 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Lange galten Fischotter in Bayern als ausgerottet. Seit dem 1. August durften sie in Teilen des Freistaats geschossen werden – sehr zum Entsetzen vieler Tierschützer, die klagten und nun vor Gericht Recht erhielten. PETBOOK sprach mit dem WWF über das Thema.
In einigen Teilen Bayerns konnten seit dem 1. August Fischotter geschossen werden. Sehr zum Entsetzen und auch Unverständnis vieler Tierschützer, denn bis vor Kurzem galten Otter in dieser Region als ausgerottet und sie werden international noch immer als gefährdet eingestuft. Deshalb sind sie eigentlich auch streng geschützt. „Mit dieser Fehlentscheidung bedroht die bayerische Landesregierung den Erfolg jahrzehntelanger Naturschutzarbeit“, klagte die Tierschutzorganisation WWF in einem Eil-Appell. Ab Dezember hätten Jäger die Tiere direkt erschießen dürfen, doch ein Verwaltungsgericht stufte die Verordnung nun als rechtswidrig ein.
Doch warum wurden die Fischotter, die übrigens aus der Familie der Marder stammen, überhaupt zum Abschuss freigegeben? PETBOOK sprach mit dem Programmleiter des WWF über die umstrittene Entscheidung.
Darum sind Fischotter zum Abschuss freigegeben
Fischotter gelten in Deutschland noch immer als gefährdet. Doch die hiesige Teichwirtschaft sei durch Fischotter bedroht, rechtfertigt Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber die umstrittene Entscheidung, die Tiere zum Abschuss freizugeben. Viele Regionen in Bayern seien nun mal „seit Jahrhunderten von der Teichwirtschaft besonders geprägt.“
Seit August war es in Niederbayern und Oberpfalz zum Schutz eben dieser Teichwirtschaft erlaubt, Otter zu jagen. Man hätte diese Tiere zunächst lebend fangen und wiegen müssen. So solle vermieden werden, dass Weibchen mit Nachwuchs getötet werden. Ab dem 1. Dezember wäre diese Auflage weggefallen, wodurch alle Otter im Umfeld von Teichwirtschaften – außer in Naturschutzgebieten – zum Abschuss frei gewesen wären.
Der WWF zeigte sich im August überzeugt davon, dass es bei dieser Maßnahme jedoch eher um den Wahlkampf im Freistaat und um eine politische Agenda gegangen sei: „Markus Söder macht Wahlkampf auf Kosten des Artenschutzes. (…) Wir sind entsetzt“, hieß es dazu in der Petition der Tierschutzorganisation.
„Als Anfang des Jahres Bären in Bayern gesichtet wurden und es auch einige Konflikte mit Wölfen gab, hat Ministerpräsident Söder ja auch eine neue Wolfsverordnung verabschiedet, die rechtlich völlig unhaltbar ist. Jetzt legt er im Prinzip noch mal ein bisschen nach mit der Fischotter-Verordnung“, erklärte WWF-Programmleiter Moritz Klose im August 2023 auf PETBOOK-Anfrage. „Er möchte sich natürlich die Stimmen der Landbevölkerung, der Landnutzer sichern. Das ist Wahlkampftaktik.“
»Es ist nicht so, dass Teichwirte aufgeben müssten, weil der Fischotter wieder da ist«
Von einer Fischotter-Plage könne keine Rede sein, sagte Klose. Dennoch: „So ein Fischotter frisst am Tag ein bis anderthalb Kilo Fisch und das kann einige Teichwirte mehr betreffen, wenn sich ein Fischotter im Umkreis wirklich auf den Teich fokussiert hat.“ Dieser Umstand könne dann schon dazu führen, dass viele Fische im Teich getötet werden, räumt Klose ein. Es handele sich dann aber um ein sehr lokales Phänomen.
„Es ist jetzt nicht flächendeckend so, dass Teichwirte aufgeben müssten, weil der Fischotter wieder da ist“, betont Klose. Man müsse das im Kontext der anderen wirtschaftlichen Belastungen sehen, die auf die Teichwirte zukommen. Natürlich sei es nicht so einfach, konkurrenzfähig Fisch zu produzieren. Insofern sei das eher ein zusätzlicher Belastungsfaktor, der hierdurch auf die Teichwirte zukäme.
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»Das Absurde: Es bringt noch nicht mal was, die Otter zu erschießen«
Fischotter – die ohnehin bedroht sind – jetzt auch noch zum Abschuss freizugeben, könne nicht die Lösung sein, so der Experte weiter. Zum einen widerspreche es völlig dem geltenden Artenschutzrecht, wie nun auch durch das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt wurde. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof setzte zwei Verordnungen außer Kraft, gegen die Umweltverbände beim Gericht Eilanträge eingereicht hatten. Dass die Jagd nun zumindest vorerst gestoppt wurde, begründete das Gericht damit, dass die bayerischen Verordnungen voraussichtlich rechtswidrig und damit nichtig seien. Eine der beiden Verordnungen sei schon deshalb gegenstandslos, weil ein Verband zu Unrecht nicht am Verfahren beteiligt worden sei.
Es bringe auch nichts, Otter abzuschießen, sagt Klose: „Wird in einem Revier ein männlicher Fischotter entnommen, dauert es meist nicht lange, bis ein anderer Otter das frei gewordene Revier wieder besetzt.“ Das zeige auch, wie absurd diese Situation sei. Statt Erschießungen sollte man lieber die Tiere mit Elektrozäunen fernhalten, um so den Konflikt mit den Teichwirten zu entschärfen. „Elektrozäune können wirklich sehr gut helfen, aber hier müssen eben die Betriebe auch gut beraten werden.“
„Der Fischotter gilt in Bayern nach wie vor als gefährdet. Die Zahlen haben zwar in den letzten Jahren zugenommen. Es gibt aber keine aktuellen Zahlen, wie viele Otter es genau gibt.“ Der Bestand habe sich zwar stabilisiert. Dennoch könne ein mehr oder weniger wahlloser Abschuss von Ottern dazu führen, dass die Art wieder zurückgedrängt wird, so das Fazit von Moritz Klose.
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Quellen
- „Spiegel.de“, „Mehr als 43.000 Menschen protestieren gegen Fischotterjagd in Bayern“, (aufgerufen am 1.12.2023)
- Wwf.de, „Rettet die bayerischen Otter!“, (aufgerufen am 1.12.2023)
- Bayern.de, „Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber: „Wir dürfen unsere Teichwirtschaft nicht aufs Spiel setzen“ – Verordnung zur leichteren Fischotter-Entnahme tritt in Kraft“, (aufgerufen am 1.12.2023)
- „Zeit.de“, „Gericht stoppt Abschuss von Ottern im letzten Moment“ (aufgerufen am 1.12.2023)