6. Februar 2023, 10:36 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Erst das Mammut, dann der Tasmanische Tiger und nun der Dodo. Das Gentech-Unternehmen Colossal Biosciences hat es sich zur Aufgabe gemacht, bereits ausgestorbene Tiere durch neueste Errungenschaften in der Gentechnik wieder erschaffen zu wollen. Zuletzt investierte die Firma 150 Millionen Dollar in die Vogelgenetik. Aber wie sinnvoll ist es, ein Tier zurückzubringen, das seit über 300 Jahren ausgestorben ist?
Der Dodo war ein etwa einen Meter großer flugunfähiger Vogel, der ausschließlich auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean vorkam. Vielen Menschen ist er durch Lewis Carrolls Buch „Alice im Wunderland“ ein Begriff. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein Fabelwesen, sondern um ein reales Tier, was – verglichen mit anderen ausgestorbenen Tieren – vor nicht allzu langer Zeit noch existierte. Jetzt möchte das Gentech-Unternehmen Colossal Biosciences den Dodo zurückbringen – aber ist das überhaupt sinnvoll?
Übersicht
- Der Dodo wurde in nur 150 Jahren ausgerottet
- Der Dodo soll zurück nach Mauritius kommen
- Wie natürlich ist der Lebensraum des Dodo noch?
- Ohne strengen Schutz ist der Dodo schnell wieder ausgerottet
- Keiner kann die Auswirkungen auf das Ökosystem absehen
- Der zurückgebrachte Dodo wäre ein anderes Tier
- Ausgestorbene Arten zurückzubringen, zeugt von Ignoranz
Der Dodo wurde in nur 150 Jahren ausgerottet
Vor der Seefahrt lebten die flugunfähigen Vögel auf Mauritius und führten ein mehr oder weniger unbeschwertes Leben. Die Tiere waren relativ groß – sie hatten etwa das doppelte Ausmaß eines Schwans. Ob es für den Dodo nennenswerte Fressfeinde gab, ist nicht bekannt. Da die Tiere gegenüber europäischen Seefahrern wenig Scheu zeigten, kann vermutet werden, dass sie zuvor keinen ernsthaften Bedrohungen ausgesetzt waren.
Diese entdeckten den plumpen Vogel im Jahre 1507. Danach dauerte es nur knappe 150 Jahre – so genau weiß das niemand – bis die Tiere vollständig ausgerottet wurden. Dafür war zum einen die Jagd auf die Vögel verantwortlich. So nahmen Seefahrer die Dodos als Proviant auf lange Fahrten mit und verzehrten in großem Maße deren Eier. Bei einer Vogelart, die nur einmal im Jahr ein einziges Ei gelegt haben soll, hatte dies natürlich katastrophale Folgen. Seither steht der Dodo ikonisch für Tierarten, die durch den Menschen ausgestorben sind.
Der Dodo soll zurück nach Mauritius kommen
Auch wenn der Dodo seit mehr als 300 Jahren ausgestorben ist – sein Erbgut ist noch da. Damit möchte Colossal Biosciences den Dodo nun wieder unter die Lebenden zurückbringen. Das Unternehmen ist der Big Player in der Gentechnik-Szene. Es wurde 2021 vom Tech-Unternehmer Ben Lamm und dem Harvard-Genetiker George Church gegründet. Zwei Jahrzehnte dauerte ihr Weg von einzelnen DNA-Stücken zum kompletten Genom, verrät Beth Shapiro, leitende Paläogenetikerin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Colossal Biosciences, in einem Artikel des Wissenschaftsmagazins Spektrum.
Dafür wurde sogar eine neue Abteilung für Vogelgenetik gegründet und 150 Millionen Dollar investiert. Alles, um den legendären Dodo wieder in seinem natürlichen Lebensraum auf Mauritius auszuwildern. An Details arbeite man noch, aber im Grunde sieht der Plan vor, die DNA des Dodo zu klonen und anschließend in eine Eizelle einer verwandten Art einzupflanzen – also etwa so wie bei dem Filmklassiker „Jurassic Park“. Ob dabei am Ende des Projektes tatsächlich ein lebendiges Tier herauskommt, ist noch sehr umstritten, aber selbst wenn, erscheint das Unterfangen nicht sehr durchdacht.
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Wie natürlich ist der Lebensraum des Dodo noch?
Neben der Bejagung war einer der Hauptgründe für das Aussterben des Dodos eingeschleppte Ratten und ausgewilderte Haustiere, die die Gelege der bodenbrütenden Vögel zerstörten. So wurden durch den Menschen zahlreiche Tierarten eingeführt. Daran hat sich bis heute nicht wirklich viel geändert. Auf der Insel leben unzählige herrenlose Hunde und Katzen, welche sich von Abfällen ernähren und sich vermehren. Da wären doch Dodo-Eier eine willkommene Abwechslung. Auch für die zahlreichen Bewohner und Touristen kann so ein exotischer und seltener Vogel eine große Verlockung darstellen.
Ohne strengen Schutz ist der Dodo schnell wieder ausgerottet
Zwar sollen die Tiere nicht besonders gut schmecken, wären aber vielleicht als Jagdtrophäe heiß begehrt. Auch auf dem Schwarzmarkt lassen sich mit so einer seltenen Art bestimmt hohe Preise erzielen. Will man den Dodo zurückbringen, müsste man dafür sorgen, dass die Tiere also streng geschützt werden, sonst ist er schnell wieder ausgerottet.
Leider steht es laut der Organisation Strays of Mauritius um den Tierschutz auf der Insel nicht so gut bestellt. So ist Mauritius nach China der zweitgrößte Exporteur weltweit für Langschwanzmakaken. Der Inselstaat verkauft jedes Jahr etwa 10.000 Affen an die Tierversuchsindustrie. Immerhin gibt es Naturreservate, zwei größere Nationalparks auf der Hauptinsel und einen Inselnationalpark, der aus acht Nebeninseln besteht. Dort könnte man den Dodo auswilden.
Keiner kann die Auswirkungen auf das Ökosystem absehen
Beth Shapiro verweist im Spektrum-Artikel zudem auf Umweltschutzprojekte auf Mauritius und den umliegenden Inseln, die zum Ziel haben, ursprüngliche Habitate wiederherzustellen. Dort könnten einheimische Pflanzen und Tiere von der Anwesenheit der wiederbelebten Dodos ebenso profitieren wie diese von jenen, heißt es weiter. Als Beispiel wird die Riesenschildkröte genannt, die unweit von Mauritius neu angesiedelt wurde. Sie füllt dort die Nische einer ausgestorbenen Art und half Ebenholzbäumen bei der Wiederverbreitung, indem sie deren Früchte fraß und die Samen in der Landschaft verteilte.
Aber nur, weil dies für eine Art funktioniert hat, heißt das nicht, dass das auch auf den Dodo zutrifft. Keiner weiß, welche Auswirkungen eine Wiederansiedlung des Dodos hätte. Die Vögel leben seit über 300 Jahren nicht mehr auf der Insel. Das Ökosystem dort hat sich in dieser Zeit jedoch weiterentwickelt. Zudem wissen wir nur wenig über das Leben der Dodos in ihrer natürlichen Umwelt. Das meiste stammt aus Aufzeichnungen und Berichten aus dem 17. Jahrhundert.
Der zurückgebrachte Dodo wäre ein anderes Tier
Zwar ist es der Wissenschaft gelungen, den genetischen Code des Dodos zu entschlüsseln. Die Rekonstruktion und damit auch das fertige Tier würde nicht nur Dodo-DNA, sondern auch genetisches Material einer verwandten, noch existierenden Art enthalten, in deren Eizelle der Klon heranreifen würde. Es würde sich also streng genommen nicht um den ausgestorbenen Vogel handeln.
Weil die ersten Elterntiere auch keine Dodos wären, ist das Verhalten der zurückgebrachten Vögel nicht absehbar. Denn nur ein Teil des Verhaltens ist angeboren bzw. Instinkt. Vieles wird durch Erfahrung und das Verhalten der Eltern geprägt. „Es gibt niemanden, der dem Dodo beibringt, wie man ein Dodo ist“, bemerkte Mikkel Sinding, Paläogenomiker an der Universität Kopenhagen, ganz passend im Artikel des Spektrums.
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Ausgestorbene Arten zurückzubringen, zeugt von Ignoranz
Das gilt übrigens nicht nur für den Dodo. Auch Mammut oder der Tasmanische Tiger wären Tiere, deren Verhalten wir nicht wirklich voraussagen könnten. Colossal Biosciences möchte also Tiere zurückbringen, die nicht mehr das sind, was sie einmal waren, in ein Ökosystem, was nicht mehr das ist, was es einmal war – und bildet sich ein, damit etwas Gutes für die Natur zu machen.
Dabei hat unser Ökosystem zurzeit bei Weitem andere Sorgen. Klimawandel, Artensterben und ein massiver Rückgang der Biodiversität. Da hilft es bescheiden wenig, wenn auf diesem Planeten wieder Mammuts oder Dodos durch die Gegend wandeln. Vielmehr sollte man die Technik nutzen, um akute Probleme anzugehen. Das Projekt des Gentech-Unternehmens hat also weniger mit Tierliebe oder Naturschutz zu tun. Es zeugt von Ignoranz und Arroganz des Menschen gegenüber der Natur.