26. April 2024, 13:48 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Noch sitzt der Schock tief. Doch nun mischt sich auch Euphorie dazu. In der Regel enden Massenstrandungen von Walen tödlich. Doch an der Westaustralischen Küste hat die Situation einen positiven Lauf genommen. Dort konnte nach einer Massenstrandung von 160 Grindwalen der Großteil der Tiere gerettet werden.
Es waren Szenen wie aus einem Katastrophenfilm, die sich nun an einem Strand nahe der westaustralischen Kleinstadt Dunsborough – 250 Kilometer südlich von Perth – abgespielt haben. Dort lagen um die 160 gestrandete Grindwale im seichten Gewässer und bewegten sich unruhig hin und her, während viele Menschen aufgebracht zwischen ihren riesigen Körpern umherliefen und versuchten, die Tiere zurück ins Wasser zu schieben.12 Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, den Augenzeugen als „schrecklichen Anblick“ beschrieben. Doch wie durch ein Wunder konnten die Tierschützer den Großteil der Meeressäuger retten.3 Für rund 30 Grindwale kam allerdings jeder Hilfe zu spät – darunter ein Baby. PETBOOK sprach mit einem Experten über die möglichen Gründe der Massenstrandung.
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Tierschützer feiern die Rettung
Dennoch sei die Rettung „ein großartiges Ergebnis“, freut sich Walexpertin Vanessa Pirotta im Interview mit dem Sender 7News. Bislang seien die Wale auch nicht an die Küste zurückgekehrt. Die verstorbene Exemplare sollen „einen Beitrag zur Wissenschaft leisten“, betont die Expertin weiter. Mit ihrer Hilfe wolle man nun versuchen zu verstehen, was Auslöser einer solchen Massenstrandung gewesen sein könnte und wie es überhaupt dazu kommen könne, warum ganze Herden in Richtung Ufer schwimmen. „Denn wenn sie erst einmal an Land sind, beginnt die Uhr zu ticken – und wir wissen nicht, was davor passiert ist.“
Erst im letzten Sommer verendete eine Gruppe von rund 100 gestrandeten Grindwalen an einem westaustralischen Strand.456 Nicht einmal die Helfer konnten noch etwas für die Tiere tun – außer sie von ihren Leiden zu befreien. „Leider musste die Entscheidung getroffen werden, die verbleibenden Wale einzuschläfern, um ihr Leiden nicht zu verlängern“, hieß es damals vom westaustralischen Parks and Wildlife Services in einem Facebook-Posting.
Wie konnte es zu dieser Grindwal-Massenstrandung kommen?
Es sei eine extrem schwierige Entscheidung gewesen, aber aufgrund des sich stetig verschlechternden Zustands der Tiere, habe man sich zu diesem Schritt entschlossen. Das Wohlergehen der Meeressäuger müsse Vorrang haben, so das Fazit. Bei der enorm hohen Anzahl der Tiere eine echte Katastrophe. Doch wie konnte es überhaupt zu dieser Massenstrandung kommen?
Das lässt sich bisher noch nicht genau sagen, erklärt Meeresbiologe Fabian Ritter von Whale and Dolphin Conservation (WDC) im Gespräch mit PETBOOK. Es gibt mehrere Theorien, weshalb es allgemein zu Massenstrandungen kommen kann. Das komplexe Sozialsystem sei eine Möglichkeit, weiß der Experte: „Grindwale leben in sehr engen Familienverbänden zusammen und sind ein Leben lang miteinander verbunden. In diesen Verbänden gibt es Leitfiguren, und zwar die älteren Weibchen, die Großmütter. Das sind die sogenannten Matriarchinnen.“
Gemeinsam bis in den Tod
Diese Matriarchinnen hätten in ihren Familienverbänden „den Hut auf“ und somit eine ganz besondere Leitfunktion inne, erklärt der Meeresbiologe. „Wenn diese Tiere sterben, krank werden oder sonst irgendwie in Schwierigkeiten kommen, ist es durch den sozialen Zusammenhalt oft so, dass die Tiere gemeinsam sterben.“ Bei Grindwalen sei dies ein bekanntes Phänomen. „Das ist auch die (Wal)-Art, die am stärksten von Massenstrandungen betroffen ist“, so Fabian Ritter zu PETBOOK.
Möglich sei auch, dass ein Orca in der Nähe gewesen ist. „Grindwale und Orcas sind zwar sehr nah miteinander verwandt, aber sie gehen sich normalerweise aus dem Weg.“ So könne die Strandung möglicherweise die Konsequenz eines missglückten Fluchtversuchs gewesen sein. Für diese Theorie könnte das ungewöhnliche Verhalten der Tiere vor ihrer Strandung sprechen. Drohnenbilder zeigen, wie sich die etwa 100 Tiere auffällig zusammenrotten und in einer Art Herzform schwimmen, bevor sie schließlich stranden.
Auch der Experte zeigt sich von diesen außergewöhnlichen Bildern überrascht: „Ich würde dieses Verhalten der Grindwale definitiv als ungewöhnlich bezeichnen. Bei so eng zusammengedrängt schwimmenden Grindwalen muss man von einer Abwehr– beziehungsweise auch von einer Panikreaktion sprechen, zumal, wenn sie in flacherem Wasser geschieht, wo sich Grindwale sonst nicht aufhalten.“
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Experten rätseln über das ungewöhnliche Verhalten der Wale
Grindwale leben normalerweise in Gewässern von mindestens 500 Metern Tiefe oder mehr. Wenn sie in flaches Wasser geraten, kann dies zu ihrer Desorientierung führen. „Es scheint, dass sie vor etwas ausweichen – was dieses Verhalten verursacht hat, darüber kann man nur spekulieren. Unterwasserlärm steht aber auf jeden Fall auf der Liste der möglichen Ursachen.“
Dieser Lärm ist in der Regel menschengemacht, verrät der Experte: „Durch die Schifffahrt haben es die Wale jetzt auch mit chronischem Dauerlärm zu tun. Viele Wale leben an sehr stark befahrenen Schifffahrtsstraßen wie der Straße von Gibraltar. Da herrscht Unterwasserlärm, wie wenn man direkt neben einer Autobahn lebt. Das führt zu Stress – bei uns Menschen, wie auch bei Walen oder Delfinen. Die zeigen da ganz ähnliche Reaktionen, mit hohen Stresshormonen. Dieser Stress macht sie anfälliger für Krankheiten.“
Und weiter: „Letztlich sind praktisch alle menschlichen Aktivitäten, auch der Tourismus, die Ölförderung oder der Bau von Windkraftanlagen im Meer mit Lärm verbunden, der Walen und Delfinen das Leben zunehmend schwer macht.“