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Kein Aprilscherz!

Erneut monatelange Ausgangsperre für Katzen in deutscher Stadt

Eine Katze aus Walldorf steht vor ihrer Katzenklappe und will nach draußen gehen
Katze Fluffy steht in der Wohnung ihrer Halterin Regine Tredwell vor der Katzenklappe. Zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Haubenlerchen gilt ab April wieder „Hausarrest“ für Katzen in Walldorf (Rhein-Neckar-Kreis). Tierschützer kritisieren die Allgemeinverfügung scharf. Foto: picture alliance/dpa | Uwe Anspach
Louisa Stoeffler
Redakteurin

31. März 2023, 13:32 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Im baden-württembergischen Walldorf findet dieses Jahr erneut eine generelle Ausgangssperre für Katzen statt. Was sich wie ein Aprilscherz anhört, ist leider Realität. Dies soll zum Schutz der Haubenlerche geschehen, doch Tierschützer kritisieren die Maßnahme mit Blick auf die erneut eingesperrten Katzen scharf.

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Im baden-württembergischen Walldorf gibt es ab dem 1. April bereits das zweite Jahr in Folge eine Ausgangssperre für Katzen. Lässt man seine Katzen in der vorgegebenen Zeit auf die Straße, droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Alle Katzen der Stadt müssen nun also monatelang im Haus bleiben, wenn ihre Besitzer keine Strafe riskieren wollen. Tierschützer kritisieren die Ausgangssperre für die Walldorfer Katzen mit deutlichen Worten und bezweifeln die Sinnhaftigkeit der Allgemeinverfügung.

Deutscher Tierschutzbund über Walldorf: „Wer Katzenschutz missachtet, der ist kein Tierschützer“

Erneut sollen also alle Katzen in Walldorf ein weiteres Jahr monatelang im Haus gehalten werden. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kritisiert die Verfügung in einer Pressemitteilung scharf. Sie sei irrwitzig, kurzsichtig und löse das eigentliche Problem nicht.

Die Verfügung wurde zum Schutz der seltenen Haubenlerche erlassen, die durch jagende Katzen bedroht sein könnte. Doch laut Schröder ist dies ein hausgemachtes Problem. „Nachdem der heimischen Haubenlerchenpopulation so lange Lebensraum und Nahrung genommen wurde, bis in Walldorf gerade mal zwei Brutpaare übrigblieben, müssen nun Katzen das Versagen des Menschen ausbaden. Bei den betroffenen Tieren als auch bei den Haltern führt die Ausgangssperre zu unzumutbaren Belastungen und immensem Stress. Wer Katzenschutz missachtet, der ist kein Tierschützer, ich behaupte nicht einmal Artenschützer“, urteilt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

„Eine kurze Internetrecherche reicht nicht, um solche tierquälerischen Einschränkungen zu legitimieren“

Schröder kritisierte auch die Allgemeinverfügung ohne fachliche Grundlage. Die behördliche Entscheidung sei bereits im vergangenen Jahr sehr plötzlich und ohne hinreichende vorherige Bürgerbeteiligung getroffen worden. Zudem seien weder in die Ausarbeitung noch in eine Prüfung der Verfügung sachkundige Fachleute aus dem Bereich Tierschutz involviert gewesen – wie etwa die Landestierschutzbeauftragte, Tierschutzorganisationen oder auf Verhalten spezialisierte Tierärzte.

Überdies könne sich die Verfügung auf keinerlei belastbare Daten zu Todeszahlen von kleinen Säugetieren und Vögeln für Baden-Württemberg, Deutschland und der EU, die eindeutig auf Katzen zurückzuführen sind, stützen. „Eine kurze Internetrecherche reicht nicht, um solche tierquälerischen Einschränkungen zu legitimieren“, so Schröder. In der Verfügung genannte Alternativen zum gewohnten Freigang, wie das Ausführen an der Leine, seien keine zumutbare Option.

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Artenschutz soll nicht auf Kosten des Tierschutzes gehen

Der Deutsche Tierschutzbund macht zudem darauf aufmerksam, dass der Rückgang von Arten wie der Haubenlerche und vieler anderer Vogelarten erwiesenermaßen in erster Linie auf Naturzerstörung und den Verlust von Lebensräumen und Nahrung zurückzuführen sei. Dies sei unter anderem durch die Intensivierung der Landwirtschaft, verstärkte Bebauung von Brachflächen, Bodenversiegelung durch Straßenbau sowie das Insektensterben der Fall.

„Wer die komplexe Thematik auf einen simplen ‚Vogel gegen Katze‘- oder ‚Arten- gegen Tierschutz‘-Konflikt herunterbricht, duckt sich vor der Verantwortung, die wir Menschen für alle Tiere tragen, spielt zwei immens wichtige Anliegen gegeneinander aus und schadet letztlich beiden“, macht Schröder deutlich. „Das Staatsziel Tierschutz gilt für alle Tiere gleichermaßen. Tiere zweiter Klasse gibt es nicht. Sinnvoller und ernstgemeinter Artenschutz kann deshalb nur mit Tierschutz und dem Mitgefühl mit dem individuellen Tier Hand in Hand gehen.“

Eine Katze räkelt sich in der Sonne und schnüffelt an Blumen
Katzen ihren gewohnten Freigang zu nehmen, löst bei den Tieren extremen Stress aus und kann zu aggressivem oder depressivem Verhalten führen. Foto: Deutscher Tierschutzbund e.V.
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Ausgangsverbot für Katzen in Walldorf noch bis 2025?

Der Streit um das erneute Freilaufverbot für Katzen hat das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises war neu entfacht worden, weil in einem ersten Fall bereits ein Zwangsgeld erlassen wurde. Wie das Regierungspräsidium als höhere Naturschutzbehörde mitteilte, war in diesem Fall eine Freigängerkatze wiederholt im Gefahrenbereich der im Süden Walldorfs lebenden Haubenlerche festgestellt worden. Ihr Halter muss deshalb jedoch erstmals nur 500 Euro zahlen. Die Bußgelder betragen bis zu 50.000 Euro, wenn eine Haubenlerche durch Missachtung des Freilaufverbots zu Schaden kommt. Die Haubenlerche ist eine akut vom Aussterben bedrohte Vogelart.

Zwangsgeld kann erhoben werden, wenn der Halter entgegen der Anordnung den Freigang seiner Katze während des Zeitraums der Haubenlerchenbrut nicht unterbindet. Die kritische Zeit, in der die Vogeljungen das Nest verlassen und noch nicht fliegen können, reicht vom 1. April bis zum 31. August. Ein Zwangsgeld ist ein Beugemittel, um die bis 2025 geltende Allgemeinverfügung durchzusetzen. Es kann auch in gleicher Höhe wiederholt erhoben werden.

Einige Katzenhalter aus Walldorf haben sich jedoch zusammen mit dem lokalen Tierschutzverein und dem Deutschen Tierschutzbund bereits gegen den Hausarrest für ihre Tiere gewandt, der nach der noch immer gültigen Allgemeinverfügung also noch mehrere Jahre dauern könnte. Der verhängte, pauschale Hausarrest für Katzen ist vielen ein Dorn im Auge und findet bundesweite Aufmerksamkeit. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe liegen bereits 39 Widersprüche vor, die es allesamt ablehnte. Dagegen könnte noch geklagt werden.

Das Landratsamt, das die umstrittene Allgemeinverfügung erließ, fühlt sich jedoch bestätigt. Im ersten Katzen-Lockdown im vergangenen Jahr acht Jungtiere der Haubenlerche flügge geworden. Wie viele Katzen dafür monatelang unter Hausarrest standen, ist unklar.

Mit Material der dpa

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