
1. Februar 2024, 13:59 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Motten und viele andere Insekten scheinen von Licht magisch angezogen zu werden. Bisher vermutete man, die Hitze von Lampen und Kerzen würde die Tiere locken oder sie würden es mit dem Mondlicht verwechseln. Eine neue Studie fand nun den wahren Grund dafür, warum nachtaktive Insekten immer zum Licht fliegen.
Wie Motten in das Licht – diesen Spruch wenden wir an, wenn wir ausdrücken wollen, dass sich jemand besonders von etwas angezogen fühlt. Tatsächlich fliegen aber nicht nur Motten, sondern auch viele andere nachtaktive Insekten um Straßenlaternen, Glühlampen – ja sogar in offene Flammen – so sehr scheint sie das Leuchten anzuziehen.
Bisher glaubte man, Insekten würden das Licht mit dem des Mondes verwechseln oder die Hitze der Glühbirnen würde die Tiere anlocken. Doch mithilfe von neuer Kameratechnologie konnten Forscher aus England einen genauen Blick auf die Flugbahn der Insekten werfen und fanden so den wahren Grund für das kuriose Verhalten heraus.
Spezial-Kameras ermöglichen Erforschung der Insektenflugbahn
Um den Flug der Motten zum Licht genau zu analysieren, setzte das Team um den Bioingenieur Samuel T. Fabian acht hochauflösende Kameras ein. Mit ihnen konnten sie die Flugbahn der Insekten genauer studieren als jemals zuvor. Die Ergebnisse der Studie wurden Ende Januar 2024 in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.
„Das eigentliche Problem ist, dass sich Insekten für ihre Körpergröße sehr schnell bewegen“, erklärt Samuel T. Fabian vom Imperial College London in einem Video von „Nature“. Dadurch erscheinen die Tiere auf Videoaufnahmen nur als verschwommener Punkt.
„Erst seit kurzem haben wir Kameras, die empfindlich genug sind, um Insekten nachts mit Geschwindigkeiten zu filmen, die es uns ermöglichen, zu sehen, was die Insekten tatsächlich in der Luft tun“, so Fabian weiter.
Insekten fliegen nicht direkt zum Licht – sie umkreisen es
Um die Flugbahn der Insekten genau zu verfolgen, brachten die Forscher kleine Marker am Rücken der Tiere an. Übrigens nutzten sie dafür keine Motten, sondern Libellen. Diese seien eigentlich nicht nachtaktiv, gibt Fabian zu. Aber auch Insekten, die nur am Tag unterwegs sind, würden genauso wie Motten zum Licht fliegen, wenn man sie bei Dunkelheit fliegen lässt.
Mithilfe der Marker an den Insektenrücken waren die Forscher in der Lage, in einem 3D-Modell deren Flugbahn zu rekonstruieren. Um sicherzugehen, dass die Tiere sich nicht nur im Labor so verhielten, machte das Team auch Beobachtungen und Filmaufnahmen in der freien Natur.
Bei der Auswertung der Daten stellten sie fest, dass die Insekten, hingegen der üblichen Annahme, gar nicht direkt zum Licht fliegen – sie umkreisen es. Dabei scheinen sie in einer Art Endlos-Schleife festzustecken.
Insekten drehen Licht den Rücken zu
„Wir stellten immer wieder fest, dass Libellen, Nachtfalter, Schmetterlinge und auch andere nachtaktive Insekten ihren Rücken – wir nennen das auch dorsale Achse – in Richtung Licht neigten“, beschreibt Fabian die Beobachtungen. Das führt dazu, dass die Tiere sehr abrupt die Flugrichtung ändern und immer wieder um die Lichtquelle herumschwirren.
Das Verhalten an sich ist nichts Neues. In der Literatur ist die sogenannte „dorsale Lichtreaktion“ seit etwa 100 Jahren beschrieben. Nicht nur Insekten, sondern auch Fische drehen ihren Rücken automatisch zur hellsten Lichtquelle. Das hat einen bestimmten Grund: Sowohl Fische als auch Tiere im Flug bewegen sich in einem dreidimensionalen Raum.
Motten wissen dank des Lichts, wo „oben“ ist
Während wir Menschen uns als Landlebewesen kaum Gedanken machen müssen, wo oben und unten ist, reiche Insekten, die in der Luft unterwegs sind, die Schwerkraft als Orientierung allein dafür nicht aus, erklärt Fabian.
„Wenn man fliegt, wirken alle Arten von G-Kräften oder Beschleunigungen auf einen ein.“ Das mache es schwer, zu orten, wo genau die wahre Schwerkraft sei. Vor allem bei Turbulenzen sei es für Insekten im Flug entscheidend, möglichst schnell herauszufinden, in welcher Richtung es nach oben geht.
Dafür orientieren sich die Tiere immer am hellsten Punkt der Umgebung. Tagsüber ist dies die Sonne, nachts das Licht des Mondes oder der Sterne. Diesem hellen Punkt drehen die Tiere den Rücken zu, um gerade zu fliegen. An sich also eine clevere Strategie, herauszubekommen, wo „oben“ ist, denn selbst ein wolkenverhangener Nachthimmel bei Neumond ist stets heller ist als der Rest der Erde – zumindest bis die Menschen und ihre Glühbirnen ins Spiel kamen.
Künstliches Licht sorgt dafür, dass Insekten abstürzen
Das künstliche Licht führt dazu, dass die Insekten zunächst darauf zufliegen. Sobald sie sich diesem nähern, sorgt die dorsale Lichtreaktion dafür, dass sie ihren Rücken in Richtung der Lichtquelle drehen. Dadurch fliegen die Insekten nicht mehr gerade zur Schwerkraft, sondern in Kreisen um die künstliche Lichtquelle herum. Aber das ist nicht das einzige Problem.
„Wenn wir ihnen Licht von unten geben, sehen wir tatsächlich, dass Insekten sich völlig herumdrehen und auf den Kopf stellen – und das ist natürlich keine gute Art, sich nachts fortzubewegen, weil sie dann direkt auf den Boden stürzen“, führt Fabian aus. Das sei wahrscheinlich der Grund, warum Insekten nachts dazu neigen, aus der Dunkelheit direkt auf den Boden zu stürzen. Sie überschlagen sich und stürzten ab.
Nicht alle nachtaktiven Insekten fliegen zum Licht
Ist das Geheimnis um die Motten, die ins Licht fliegen, damit nun gelöst? Nicht ganz, denn wie immer in der Forschung ergeben sich durch die Beantwortung einer Frage hunderte neue. Bisher könne man zwar sagen, dass die dorsale Lichtreaktion verantwortlich für das Verhalten des Umkreisens des Lichtes ist. Es gibt aber auch nachtaktive Insekten, die nicht von künstlichem Licht angezogen werden.
Fabian und sein Team fragen sich daher, ob das neu entdeckte Verhalten der einzige Faktor ist, oder ob nicht noch etwas anderes dafür sorgt, dass bestimmte Insekten vom Licht angezogen werden.
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Stört das künstliche Licht Insekten bei ihren Aufgaben?
Zudem haben die Forscher nur das Verhalten von Insekten in unmittelbarer Umgebung zur Lichtquelle untersucht. Doch was geschieht, wenn die Tiere weiter entfernt sind? Ab welchem Punkt fliegen die Insekten zum Licht und wie beeinflusst das ihr Verhalten?
Da Motten nachts unterwegs sind, um Nahrung oder Partner zu finden, könnten künstliche Lichtquelle die Tiere bei diesen Aufgaben stören. Das wiederum könnte sich auf die gesamte Population auswirken. Doch dazu gibt es noch zu wenig Daten.
Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Ergebnisse und zukünftigen Forschungen auf dem Gebiet dabei helfen, Insekten wie Motten vor künstlichen Lichtquellen besser zu schützen. Vielleicht könnte man so irgendwann verhindern, dass die nachtaktiven Tiere in Endlosschleifen um Laternen oder Glühbirnen kreisen.