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Innere Organe sichtbar

Forscher lösen das Rätsel um den durchsichtigen Glasfrosch

Glasfrosch
Glasfrösche haben eine durchsichtige Haut. Schlafen die Amphibien, verstärkt sich die Tarnung noch Foto: iStock/ Thorsten Spoerlein
Ninja Sinke Autorin

30. Dezember 2022, 13:36 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Jahrelang stellte der Glasfrosch die Wissenschaft mit seinem durchscheinenden Körper vor Rätsel. Nun lüften US-amerikanische Wissenschaftler sein Geheimnis. Bei schlafenden Fröschen konnte festgestellt werden, dass sie noch durchsichtiger sind, als im Wachzustand. Ursache dafür sei das Ansammeln ihrer roten Blutkörperchen in einem bestimmten Teil ihres Körpers. So sollen es die kleinen Tiere schaffen, fast transparent zu erscheinen. Die Entdeckung dieses Phänomens ist sowohl bizarr als auch vielversprechend für die medizinische Forschung.

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Der Glasfrosch besitzt eine seltene Fähigkeit: Sein Gewebe ist durchsichtig – und dieser Effekt verstärke sich im Schlaf deutlich. Wie er das schafft, war der Wissenschaft lange Zeit unbekannt. Ein Team US-amerikanischer Forscher hat das Geheimnis des Tieres nun gelüftet und im Fachmagazin „Science“ eine Studie dazu veröffentlicht. Um während des Schlafens noch durchsichtiger zu werden, sammle dieser kleine Frosch seine roten Blutkörperchen vorübergehend in seiner Leber. Das ermögliche es dem Glasfrosch, während seines verletzlichsten Zustandes bestmöglich vor Raubtieren geschützt zu sein. Überraschenderweise bilden sich bei dieser massiven Umschichtung der Blutkörperchen keine Blutklumpen in seinen Gefäßen. Wie das dem Frosch gelingt, dafür hätten die Wissenschaftler bislang keine Erklärung.

Die Unterseite des tropischen Glasfroschs ist durchsichtig

Heimisch ist die Familie der Glasfrösche in den tropischen Regenwäldern Mittel- und Südamerikas. Die kleinen Amphibien sind der Wissenschaft schon seit einiger Zeit bekannt. Ihre Körperoberseite ist überwiegend grün, wie die Blätter, auf denen sie sich aufhalten. Doch wer einen Glasfrosch auf den Rücken dreht, bemerkt die durchscheinende Haut an seiner Unterseite. Wie er das schafft, war bislang ein gut gehütetes Rätsel des kleinen Froschlurchs. Noch besonderer macht dieses Phänomen, dass durchsichtiges Gewebe bei Wirbeltieren sowohl selten als auch schwierig zu bewerkstelligen sei. In ihren Zellen seien zu viele Stoffe enthalten, die Licht absorbieren und brechen können, erklären die US-amerikanischen Forscher. Bei Landtieren trete die Fähigkeit noch seltener auf, als bei Wasserbewohnern.

Genauer untersuchen konnten die Wissenschaftler diese Fähigkeit bei in Gefangenschaft gehaltenen Glasfröschen der Art Hyalinobatrachium fleischmanni. Glücklicherweise sind die Organe des Froschs durch die Haut zu sehen, sodass keine toten Exemplare seziert werden mussten. Um die winzig kleinen Veränderungen im Körper des Tieres nachvollziehen zu können, untersuchten die Forscher das Gewebe der Frösche dafür mit einem bildgebenden, mikroskopischen Verfahren.

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Schläft der Glasfrosch, befinden sich fast alle roten Blutkörperchen in seiner Leber

Sobald die Tiere schlafen, finde eine Umverteilung der roten Blutkörperchen statt, erklären die Forscher um Carlos Taboada, Biologe an der Duke-Universität in North Carolina, in der Studie. Dabei würden 89 Prozent der Erythrozyten in die Leber des Glasfroschs transportiert und aus dem Kreislauf entfernt. Das führe dazu, dass sich die bereits vorhandene Transparenz der Frösche zusätzlich erhöhe. In der Leber befänden sich die roten Blutkörperchen dann in Gewebesäckchen, die mit kleinen Kristallen beschichtet seien. Diese Kristalle würden Licht, was auf den Frosch trifft, reflektieren und die Tiere so fast unsichtbar erscheinen lassen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Glasfrösche so zwei- bis dreimal durchsichtiger werden könnten, als zu ihren Wachzeiten. Sie vermuten, dass die Frösche sich so vor Raubtieren schützen.

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Dass Glasfrösche eine transparente Haut besitzen, durch die man die inneren Organe sehen kann, ist seit der Entdeckung der Art bekannt. Doch wie kam es, dass niemand die Verstärkung des Phänomens bei einem schlafenden Frosch bemerkte? Als Begründung dafür führt Jesse Delia, Biologe an der Duke-Universität, die Nachtaktivität der Glasfrösche an. Diese führe dazu, dass die Amphibien bisher nur nachts in ihrem aktiven Zustand untersucht wurden. In einer Mitteilung des Online-Magazins „National Geographic“ berichtet er, die Fähigkeit der Frösche, noch durchsichtiger zu werden, sei auch ihm erst bewusst geworden, als er ein Tier in Gefangenschaft hielt. Während der Frosch auf einer Glasplatte schlief, sollen die Forscher die außergewöhnlichen Veränderungen bemerkt haben.

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Entdecktes Phänomen könnte medizinische Forschung revolutionieren

Die Erkenntnisse der Wissenschaftler sind nicht nur faszinierend, sondern könnten dazu auch Neues für die Forschung der menschlichen Blutgerinnung liefern. Denn normalerweise bildet sich bei gesunden Lebewesen ein Blutgerinnsel, wenn sich eine große Menge roter Blutkörperchen im Körper ansammelt. Der Biologe Jesse Delia berichtet der „BBC“ dazu merklich verwundert: „Sie [die Glasfrösche] verpacken die meisten roten Blutkörperchen irgendwie in der Leber, sodass sie aus dem Blutplasma entfernt werden. Sie zirkulieren immer noch im Plasma… aber sie tun es irgendwie, ohne ein massives Blutgerinnsel auszulösen.“ Es scheint so, als könnten die Glasfrösche nach Belieben über ihre roten Blutkörperchen verfügen, um die Transparenz ihres Gewebes zu verstärken oder zu verringern. Gesundheitliche Schäden, die aufgrund verstopfter Blutgefäße entstehen können, scheinen sie dabei nicht fürchten zu müssen. Bizarrer weise funktioniere die Blutgerinnung der kleinen Frösche bei Verletzungen trotz allem einwandfrei.

Der „National Geographic“ verrät Carlos Taboada außerdem, dass die Fähigkeit der Glasfrösche schon jetzt „als der Heiliger Gral der Hämatologie bezeichnet“ würde. Glasfrösche könnten von Natur aus über einen ungemein wertvollen Mechanismus verfügen, der sowohl übermäßige Blutungen als auch zu schnelle Blutgerinnung verhindere. Es könnten jedoch noch Jahrzehnte vergehen, bis diese Erkenntnisse für Menschen nutzbar sein werden.

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