
22. Januar 2025, 17:21 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Seit Tagen kursiert in den sozialen Medien ein Video, das herzerwärmende Szenen zeigt: Darin ist zu sehen, wie eine Straßenhündin aus der Türkei ihren kranken Welpen selbst zu einer Klinik trägt, um ihn zu retten. Doch war das wirklich so? PETBOOK sprach mit Hundetrainerin Katharina Marioth über die Hintergründe zu dem Video.
In den sozialen Medien kursiert derzeit ein Video, das zeigt, wie eine Straßenhündin im türkischen Beylikdüzü nahe Istanbul ihr krankes Junges im Maul durch den strömenden Regen zu einer Tierklinik trägt, damit es gerettet werden kann. Die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigen, wie die Hündin ihren Welpen vor der Tür der Klinik absetzt, und kurze Zeit später erscheint ein Tierarzt und nimmt sich des kleinen Patienten an.
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Video wurde innerhalb kürzester Zeit mehr als 6 Millionen mal geklickt
Der Welpe sei unterkühlt und in einem sehr schlechten Allgemeinzustand gewesen, schreibt die „Daily Mail“. Außerdem habe der junge Hund einen niedrigen Herzschlag gehabt. Nach Angaben der Klinik hatte die Hündin kurz zuvor in der Nähe mehrere Welpen zur Welt gebracht. Die meisten seien jedoch gestorben, zitiert die britische Zeitung den behandelnden Tierarzt Baturalp Dogan. Daher scheint die Rettungsaktion der Mutter unablässig gewesen zu sein.1
Es sind Szenen mütterlicher Liebe, die das Herz erwärmen. Mittlerweile wurde das Video mehr als sechs Millionen Mal angeklickt, und in der dazugehörigen Kommentarspalte überschlagen sich die User mit gerührten Kommentaren. „Mütter sind einfach Mütter – ganz egal, bei welcher Spezies“ oder „Wir haben Hunde einfach nicht verdient. Sie sind so edel, und ihre Herzen sind aus Gold“, lauten einige der zahlreichen Kommentare. Doch was steckt wirklich hinter diesem Video?
So interpretiert eine Expertin die „Rettungsaktion“ der Hündin
Hundetrainerin und Gutachterin für Hundeverhalten Katharina Marioth hat sich mit PETBOOK das virale Video angesehen und sagt: „Also, wenn man sich die Beschreibung anhört, geht das natürlich erst einmal total ans Herz. Man denkt: ‚Mensch, guck mal, die Hündin weiß, da wird ihrem Welpen geholfen.‘“ Allerdings lohnt es sich, genauer hinzusehen, sagt Marioth.
„Liest man sich dann tiefer ein oder schaut sich die Schilderung der Klinik an, wird klar, dass ein anderer Welpe von ihr bereits in diese Klinik gebracht wurde – von Tierschützern, die einen zweiten Welpen von ihr gefunden hatten.“ Daher interpretiere sie die Situation anders und denke nicht, dass die Hündin die bewusste Verknüpfung hatte, dass dem kranken Welpen in einer Tierarztpraxis geholfen werden kann. Marioth erklärt sich die Sache wesentlich rationaler. „Die Hündin ist schlicht der Spur ihres ersten Welpen gefolgt, der bereits dorthin gebracht wurde. Auch wenn das unromantisch klingt.“
Die Sache mit den Urinstinkten
Hier sei es höchstwahrscheinlich nicht darum gegangen, aktiv Hilfe für den Welpen zu organisieren, sondern eher darum, ihren Wurf zusammenzuhalten. Bei Hündinnen sei dies ein Urinstinkt. So habe die Mutter das noch lebende Tier auf der Suche nach dem anderen Welpen zur Praxis getragen und sei einfach dem Geruch gefolgt. „Eine Hündin kann maximal ein oder zwei Welpen gleichzeitig tragen und hat möglicherweise eine positive Verknüpfung mit der Praxis oder den Menschen dort. Aber primär geht es ihr darum, sicherzustellen, dass ihre Welpen überleben.“ Daher sei es bei Hundemüttern ein Instinkt, den Wurf zusammenzuhalten.
„Platt gesagt ist das zunächst ein Instinkt, der durch Hormonausschüttungen während und nach der Geburt gesteuert wird. Jedes Säugetier hat automatisch eine Verbindung zu seinem Nachwuchs – biologisch notwendig für die Fortpflanzung.“ Was Katharina Marioth hier eher sehe, sei eine klare mediale Vermenschlichung von Hundeverhalten. „Das passiert oft, weil Emotionen und Vermenschlichung Geschichten zugänglicher machen. Es ist eine rührende Geschichte, und wenn sie dazu beiträgt, dass Menschen mehr für den Tierschutz spenden, ist das wunderbar.“

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Haben Hunde Muttergefühle?
Dennoch sollte die Faktenlage rationaler betrachtet werden, mahnt Marioth. „Dennoch spricht die Geschichte für die unglaubliche Fähigkeit der Hundenase, einem Geruch so präzise zu folgen.“ Eine Sache, die sich konstant sowohl durch die mediale Berichterstattung als auch durch die User-Kommentare zieht, ist das Thema der Mutterliebe. Gilt das Konzept der Mutterliebe denn wirklich als passende Beschreibung für das, was eine Hündin mit ihren Welpen verbindet, oder geht es hier „nur“ um ein hormongesteuertes Programm der Natur?
„Ich finde es schwierig, das mit menschlichen Begriffen wie ‚Mutterliebe‘ zu beschreiben“, erklärt Hundeexpertin. „Natürlich hat eine Hündin eine enge Verbindung zu ihren Welpen, was überlebenswichtig ist. Ebenso haben die Welpen sofort eine Verbindung zu ihrer Mutter. Aber von ‚Mutterliebe‘ zu sprechen, vermenschlicht Tiere zu sehr – und das halte ich für ungesund.“